Trotz Rechtsruck: Junge Menschen engagieren sich für lokale Demokratie
Deutschland hat am Sonntag einen Rechtsruck erlebt. Nach den Europa- und Kommunalwahlen stehen die Wahlerfolge der rechtspopulistischen AfD im Fokus. Viele fragen sich: Wie konnte das passieren, und was können wir tun? Trotz Korruptions- und Spionagevorwürfen sowie Massendemonstrationen nach den Correctiv-Enthüllungen konnte die Partei insbesondere in Sachsen und Thüringen beachtliche Ergebnisse erzielen, ohne dabei in Thüringen eine Landrats- oder Bürgermeister-Stichwahl zu gewinnen.
Hinzu kommt ein Rechtsruck bei der jungen Generation, wie die Studie "Jugend in Deutschland 2024" im Frühjahr konstatierte. Besonders die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen sei in diesem Jahr noch einmal deutlich gesunken. „Während die Parteien der Ampel-Regierung in der Gunst immer weiter absinken, hat die AfD besonders großen Zulauf." sagte Studienleiter Hurrelmann der dpa.
Hoffnung durch lokale Wahlergebnisse
Doch trotz dieser besorgniserregenden Trends zeigen einige Wahlergebnisse bei den Bürgermeisterwahlen vom vergangenen Sonntag ermutigende Entwicklungen, überraschenderweise vor allem in Thüringen. Hier setzen junge Menschen durch ihre Wahlsiege ein starkes Zeichen für die lokale Demokratie und zeigen, dass allen Unkenrufen zum Trotz die Demokratie vor Ort eine Zukunft hat und politischer Wandel möglich ist.
Ein herausragendes Beispiel ist die Wahl des 23-jährigen Patrick Albrecht zum hauptamtlichen Bürgermeister der Stadt Gößnitz im Altenburger Land. Mit beeindruckenden 60,4 Prozent der Stimmen setzte sich der parteilose Albrecht in der Stichwahl durch und wird der jüngste hauptamtliche Bürgermeister Deutschlands, der erste des Jahrgangs 2000. Albrecht, der ein duales Studium zum Diplom-Verwaltungswirt absolviert, hatte zuvor im Gößnitzer Rathaus eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter abgeschlossen. Seine Wahl zeigt, dass junge Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft ihrer Gemeinden aktiv mitzugestalten.
Weitere junge Wahlsieger
Und Patrick Albrecht ist in Thüringen nicht der einzige junge Wahlsieger. In Bad Lobenstein im Saale-Orla-Kreis gewann Dominik Kirsten (*1993) von der Lobensteiner Bürgerliste die Stichwahl und wird neuer Bürgermeister. In Waltershausen im Kreis Gotha siegte der 26-jährige Leon Graupner mit 61,4 Prozent der Stimmen. Auch die beiden jüngsten Bürgermeisterinnen Deutschlands setzen in Thüringen Zeichen: Sina Römhild aus Oechsen im Wartburgkreis und Lisa Marie Pfaff aus Roßdorf/Rhön sind bereits seit zwei Jahren im Amt und haben sich als junge Bürgermeisterinnen bewährt.
Am Sonntag wurden sogar zwei jüngste Bürgermeister Deutschlands gewählt. Neben Patrick Albrecht ist in Rheinland-Pfalz auch der neue jüngste ehrenamtliche Bürgermeister Deutschlands gewählt worden. Der 21-jährigeElias Metz (*2002) gewann die Wahl zum Ortsbürgermeister in der Gemeinde Bornich (Verbandsgemeinde Loreley).
Positive Zeichen für die lokale Demokratie
Diese Entwicklungen sind ein ermutigendes Zeichen für die lokale Demokratie –nicht nur in Thüringen. Trotz der Herausforderungen, vor denen viele Gemeinden stehen, zeigen junge Menschen, dass es sich lohnt, sich für den eigenen Ort zu engagieren. Ihr Einsatz und ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, machen Hoffnung und könnten den Beginn eines positiven Trends markieren.
Michael Salomo, Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz und Vorsitzender des parteiübergreifenden Netzwerks Junge Bürgermeister*innen, betont: „Seit der Gründung des Netzwerks 2019 ist zu beobachten, dass junge Menschen immer häufiger aktiv für ihre Kommune Verantwortung übernehmen und die Zukunft gestalten wollen.“
Das Engagement dieser jungen Politiker*innen ist ein wichtiges Signal für die Demokratie. Sie zeigen, dass politische Teilhabe und Verantwortung nicht vom Alter abhängen, sondern vom Willen, etwas zu bewegen. Diese neue Generation kann der Schlüssel sein, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und die Demokratie auf lokaler Ebene zu stärken.
Die jüngsten Bürgermeister*innen der letzten Jahre
Hauptamtlich:
Als Michael Adam (*1985) am 1. Mai 2008 das Amt als Bürgermeister der Gemeinde Bodenmais im Bayerischen Wald antrat, war er mit 23 Jahren der jüngste Bürgermeister Deutschlands. 2012 wurde Tobias Ehrlicher von den Bürgern von Bad Rodach in Franken im Alter von 25 Jahren ins Amt gewählt, ebenso wie der gleichaltrige Stefan Rottmann (beide*1986) in der Gemeinde Schonungen im Landkreis Schweinfurt. 2014 löste Michael Salomo(*1988) die beiden ab, als er mit 25 hauptamtlicher Bürgermeister von Haßmersheim im Neckar-Odenwald Kreis wurde. Am 6. Mai 2015 wurde Philipp Wesemann (*1989) Bürgermeister in Forst (Spree-Neiße) und mit 25 Jahren der jüngste hauptamtliche Bürgermeister in Deutschland. Der Titel ging nur 14 Tage später zurück nach Baden-Württemberg an den fünf Monate jüngeren Marian Schreier (*1990) Rathauschef in Tengen (Landkreis Konstanz). Im Januar 2018 war dann Hessen an der Reihe. Dort wurde Julian Schweitzer (*1992) mit 25 Jahren Bürgermeisterin Bad Endbach (Landkreis Marburg-Biedenkopf).
Bei der bayerischen Kommunalwahl im März 2020 wurde Christian Keck (*1995) in Rohrbach an der Ilm (Landkreis Pfaffenhofen) zum Bürgermeister gewählt. Seit dem 1. November 2021war Henning Evers (*1996) als Bürgermeister der Samtgemeinde Hankensbüttel der jüngste hauptamtliche Bürgermeister in Deutschland, bis er im Februar 2022 von Lucas Halle abgelöst wurde, der bei seiner Wahl im brandenburgischen Zehdenick 24 Jahre und 8 Monate alt war. Im Juni 2022 ging der Titel nach Sachsen an Philipp Eichler, Bürgermeister von Rothenburg/Oberlausitz.
Ab Oktober 2023 folgten schnelle Wechsel. Zuerst gewann Lukas Becker (*1997) die Wahl im hessischen Lautertal. Im Dezember löste ihn der zwei Tage jüngere Philipp Klotz aus Kappel-Grafenhausen (Baden-Württemberg) ab. Sören Döffinger (*1998) gewann im Januar 2024 die Bürgermeisterwahl in Mulfingen. Bereits im März 2024 musste Döffinger den Titel an Moritz Baumann (*1999) übergeben, als dieser die Wahl in der Gemeinde Kürnbach (Landkreis Karlsruhe) für sich entschied. Seit vergangenen Sonntag ist der Titel in Thüringen.
Im Ehrenamt:
Carsten Guhr (*1979) war nach seiner Wahl im sächsischen Oberlichtenau (Landkreis Bautzen) im Jahre 2002 mit 22 Jahren der jüngste ehrenamtliche Bürgermeister Deutschlands. Jüngster ehrenamtlicher Bürgermeister war auch lange Zeit Dennis Maxeiner (*1986). Bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats in Dahlheim (RLP) im August 2009 stellte er sich zur Wahl des Ortsbürgermeisters und wurde eine Woche nach seinem 23. Geburtstag gewählt. Seit2014 ist Michael Bergrab (*1992) erster Bürgermeister Gemeinde Lisberg im Landkreis Bamberg. Gerade einmal 22 Jahre war er alt, als er dieses Amt antrat. Seit März 2020 ist Kristan von Waldenfels (*2000) Jüngster ehrenamtlicher Bürgermeister Deutschlands, als er im Alter von 19 Jahren zum Bürgermeister in Lichtenberg im Landkreis Hof gewählt wurde. Nun übernimmt Elias Metz (*2002)
Die „frühen Jahre“ – eine Auswahl:
● 1903 wurde Rudolf Beyendorff (*Oktober 1876) in der Stadt Kösen im preußischen Regierungsbezirk Merseburg zum damals jüngster Bürgermeister Deutschlands gewählt.
● 1919 mit 26 Jahren wurde Heinrich Ritzel (*1893) in Michelstadt (Odenwaldkreis) zum damals jüngster Bürgermeister Deutschlands.
● Paul Zimmermann (*1900) wurde 1923 im Alter von 23 Jahren in Mengeringhausen (Hessen) jüngster Bürgermeister Deutschlands.
● Herbert Krämer (*1931) war seit Anfang der 1960er Jahre Bürgermeister Freudenbergs (Sauerland). Damals galt er als jüngster Bürgermeister Deutschlands.
● Herbert Schmalstieg trat am 26. Januar 1972 im Alter von 28 Jahren erstmals den Posten des ehrenamtlichen Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Hannover an. Bei seiner Wahl war er der jüngste Oberbürgermeister einer bundesdeutschen Großstadt.