Digitalisierung – aber sicher: Die Bayerische Polizei schafft Papierknöllchen ab
Das klassische „Knöllchen“ hat bei der Bayerischen Polizei ausgedient: In Bayern verteilt die Polizei seit zwei Jahren statt Papierstrafzetteln mittels App Bürgerbenachrichtigungen. Die Betroffenen können ihre Verwarnung via QR-Code online einsehen und bei geringfügigen Verstößen das Bußgeld bezahlen. Für den nötigen Datenschutz sorgt ein Confidential-Computing-Ansatz.
Der ein oder andere Verkehrssünder in Bayern dürfte sie schon bemerkt haben: die neue Bürgerbenachrichtigung mit QR-Code, die bei Ordnungswidrigkeiten den klassischen Strafzettel ersetzt. Für die Betroffenen ist das zwar immer noch ärgerlich, aber immerhin bequem. Sie brauchen den Code nur mit dem Smartphone zu scannen und werden auf ein Bürgerportal weitergeleitet, wo sie den ihnen vorgeworfenen Tatbestand einsehen und bei geringfügigen Verstößen das auferlegte Bußgeld bezahlen können. Doch dahinter steckt mehr als nur ein komfortabler Bürgerservice: Ziel der Umstellung war es, den gesamten analogen und papiergebunden Prozess hinter der Verwarnung mit Zahlungsaufforderung bei Verkehrsordnungswidrigkeiten (oftmals als "Knöllchen" oder Strafzettel bezeichnet) zu digitalisieren.
„Der neue Prozess sollte intuitiv, effizient und nachhaltig, dabei aber gleichzeitig datenschutz- und rechtskonform gestaltet werden“, sagt Polizeihauptkommissar Jörg Hiltl, Product Owner beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt (PVA). Dabei stellte sich nicht nur die Frage nach der technischen Umsetzung auf den Mobilgeräten der Beamten, sondern auch die nach einer leistungsfähigen und vor allem sicheren Infrastruktur im Hintergrund. Denn diese muss sowohl die Datenübertragung zwischen den dienstlichen Smartphones der Polizeibeamten und den Datenservern wirkungsvoll absichern als auch den geschützten Zugriff auf die Daten über das Bürgerportal ermöglichen. Die Integrität und Unversehrtheit der erfassten, abgelegten und übertragenen Daten müssen dabei zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein.
Datenschutz und Datensicherheit dank Confidential Computing
Es brauchte also eine sichere mobile Anwendung und eine ebenfalls sichere Cloud-Lösung. Dass herkömmliche Public- und Business-Cloud-Angebote hier ebenso wenig in Frage kommen konnten wie eine App von der Stange, war Polizeihauptkommissar Hiltl und seinen Kollegen schnell klar. Also entschied man sich dafür, die Anwendung selbst zu entwickeln. So ließ sich von Anfang an sicherstellen, dass die Anwendung exakt auf die Bedürfnisse der Polizeibeamten im Dienst zugeschnitten ist – und dass bei der Entwicklung strengste Datenschutz- und Datensicherheits-Grundsätze eingehalten werden.
Für die sichere Übertragung, Speicherung und Verarbeitung der erfassten Daten setzt das PVA auf die SecureBox Bayern, eine angepasste Version des hochsicheren Cloud-Collaboration-Dienstes idgard aus dem Hause TÜV SÜD. Diese wird bereits seit 2019 als Private Cloud im IT-Dienstleistungszentrum (IT-DLZ) des Freistaats Bayern betrieben und unter anderem für den sicheren Austausch von Daten mit externen Partnern und Stellen außerhalb des Bayerischen Behördennetzes genutzt. Die in Zusammenarbeit mit idgard entwickelte mOwi-App und das dazugehörige Bürgerportal verknüpfte das PVA schließlich mittels Programmierschnittstelle (API) mit der SecureBox Bayern.
Diese sorgt dafür, dass die Daten nicht nur bei der Speicherung und Übertragung jederzeit vor Zugriffen und Manipulationen geschützt bleiben, sondern auch während der kritischen Phase der Verarbeitung. Dank eines Confidential-Computing-Ansatzes erfolgt die Datenverarbeitung ausschließlich in sicheren Server-Bereichen, die vom Rest des Systems abgeschirmt sind. So haben selbst Mitarbeiter des IT-DLZ nachweislich zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Daten. Während der Übertragung und Speicherung sorgt eine State-of-the-art-Verschlüsselung für die nötige Sicherheit.
Mehr Effizienz und bessere Datenqualität bei kompromissloser Sicherheit
Die mOwi-App beschleunigt und vereinfacht die Erfassung von Verkehrsordnungswidrigkeiten entscheidend. So hilft die App mit verschiedenen Auswahlmöglichkeiten und intuitiven Funktionen bei der Eingabe der erforderlichen Daten: Der Standort wird automatisch per GPS festgestellt, Kfz-Kennzeichen und Ausweisdaten lassen sich bei Bedarf direkt einscannen. Dadurch sparen die Polizeibeamten vor Ort fast 50 Prozent der Zeit, wie Jörg Hiltl erklärt.
Hinzu kommt eine signifikante Steigerung der Qualität der erfassten Daten, wodurch sich die Zeit für die Qualitätskontrolle im Backend ebenfalls nahezu halbiert hat. Zudem entfällt die händische Übertragung der erfassten Informationen ins System. Diese werden stattdessen in einem geschützten Bereich des Smartphones verarbeitet und sicher auf die Server der SecureBox Bayern übertragen.
Das kommt an: „Der neue Prozess wurde sowohl von den Kollegen als auch von den Bürgern extrem gut angenommen“, weiß Polizeihauptkommissar Hiltl zu berichten. “Innerhalb der ersten drei Monate nach dem Rollout haben bereits mehr als 80 Prozent der Kollegen die App genutzt. Aktuell verzeichnen wir bis zu 3000 per App erfasste Vorfälle am Tag und nahezu genauso viele Zugriffe auf das Bürgerportal.“
Bayern als Digitalisierungs-Vorreiter
Der Erfolg der mOwi-App schlägt Wellen, die auch außerhalb Bayerns wahrgenommen werden: „Die Bayerische Polizei ist die erste Landespolizei, die die Ausstellung von Strafzetteln auf diese Weise digitalisiert und vereinfacht hat. Wir haben hier sozusagen eine Vorreiterrolle. Aktuell besteht bereits von Seiten mehrerer Bundesländer Interesse an unserer App“, sagt Hiltl. Hier gelte es allerdings noch, einige Formalitäten und Verantwortlichkeiten zu klären – auch hinsichtlich der Sicherheit der zugrundeliegenden Infrastruktur. Schließlich, so der Polizeibeamte, strebe man bei einem bundesweiten Einsatz eine möglichst einheitliche Lösung an – und dazu sind zunächst einige organisatorische und technische Hürden zu nehmen.
In jedem Fall scheint man in Bayern auf dem richtigen Weg zu sein: „Die Tatsache, dass die App und das Bürgerportal, wie wir es hier in Bayern nutzen, bei anderen Bundesländern auf so viel Interesse stoßen, zeigt, dass wir hier einige richtige Entscheidungen getroffen haben“, sagt Jörg Hiltl.
Bayern schafft Papierknöllchen ab
Nachdem man mit der mOwi-App derart positive Erfahrungen sammeln durfte, hat man beim PVA Bayern bereits Pläne für weitere mobile Anwendungen. Denkbar ist demnach eine App, mit der sich auch bei regulären Polizeieinsätzen bestimmte Informationen schneller und einfacher erfassen und sicher ablegen sowie austauschen lassen. Außerdem wird bereits über eine Erweiterung des Bürgerportals nachgedacht, verrät Hiltl: „Mögliche Funktionalitäten gehen hier Richtung E-Payment, aber auch Datenupload und digitale Bürgeranhörungen sind interessante Optionen. Der große Vorteil an einer geschützten Infrastruktur wie idgard ist, dass wir über unsere Anwendung nun einen sicheren Kontakt zum Bürger aufbauen können – und das mit einer intuitiven und anwenderfreundlichen Oberfläche.“
Bleibt noch die Frage, was denn nun aus den analogen Knöllchen wird. Auch darauf hat Polizeihauptkommissar Hiltl eine Antwort: „Wir haben vor über einem Jahr bei den Polizeiverbänden angefragt, ob noch Strafzettelblöcke nachbestellt werden sollen. Das wurde verneint. Es wird also in Bayern schon bald keine Papierstrafzettel mehr geben – einfach deswegen, weil keine mehr gedruckt werden.“