Public Manager
02.07.2024 | Gebäude und Grundstücke, Soziale Stadt/PPP-Projekte, Verkehrsmanagement

Ertüchtigung der deutschen Infrastruktur benötigt massive private Kapitalzuflüsse

Einschätzung von Dr. Christian Bauer, Frederik Lorenzen und Dr. Felix Siebler, Partner und Infra­strukturexperten bei der internationalen Anwaltskanzlei Watson Farley & Williams.

Dr. Christian Bauer

Frederik Lorenzen

Dr. Felix Siebler (Fotos: Watson Farley & Williams)

„Die riesigen Investitionen, die zur Ertüchtigung der deutschen Infrastruktur nötig sind, lassen sich auf tradi­tionelle Weise mit staatlichen Mitteln nicht darstellen. Ohne massive Kapitalzuflüsse privater Investoren wird es nicht gehen. Die gute Nachricht: Dafür stehen eine ganze Reihe erprobter und auch innovativer Instru­mente bereit. Wenn die beteiligten Partner ihre gegenseitigen Interessen und die Besonderheiten der unter­schiedlichen Instrumente verstehen, können diese einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Daseinsvorsorge leisten.“

Hintergrund:

  • Die gravierenden Mängel der deutschen Infrastruktur, von Straßen, Brücken und Schienen bis zu Schulen und Krankenhäusern, sind vielfach beschrieben.
  • Die für eine Ertüchtigung benötigten Investitionssummen sind exorbitant. Dennoch lassen die aktuellen Beratungen des Bundeshaushalts 2025 zum Beispiel beim Straßenbau erhebliche Mittelkürzungen erwar­ten.
  • Zweckgebundene „Sondervermögen“, wie sie in diesem Zusammenhang beispielsweise der Bundesver­band der Deutschen Industrie (BDI) fordert, sind rechtlich und politisch hochumstritten. 

Lösungsansätze:

Die komplexe politische und rechtliche Situation einschließlich der grundgesetzlich verankerten Schulden­bremse machen, realistisch betrachtet, eine rein staatliche Finanzierung der benötigten Investitionssummen nahezu unmöglich und die verstärkte Einbeziehung privater Investitionen unabdingbar. Dafür stehen eine Reihe von Optionen zur Verfügung, die in der öffentlichen Diskussion häufig noch zu kurz kommen.

Dazu gehören unter anderem folgende Modelle:

  • Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP)

Hier treten Investoren und öffentliche Hand gemeinsam als Gesellschafter einer zweckgebundenen Projekt­gesellschaft auf. Diese agiert als Bauherr und Betreiber, während die Infrastruktur selbst bei allen aktuellen Modellen im Eigentum der öffentlichen Hand bleibt. Weil das privat zufließende Kapital den Bedarf an staat­lichen Mitteln reduziert, werden Teile des Haushalts  für andere Aufgaben frei. Ergänzend führt das privat einfließende unternehmerische Know-how im Vergleich mit rein staatlich betriebenen Vorhaben häufig zu einer wesentlich effizienteren Abwicklung.

  • Green Bonds

Projektanleihen sind ein gängiges Finanzierungsinstrument, das sich zunehmend in Richtung „Grüne Anlei­hen“ zur Finanzierung nachhaltiger und klimaschonender Projekte wandelt. Dazu gehören im Bereich der Infrastruktur beispielsweise Vorhaben im Kontext von Elektromobilität oder Schienentransport. Dieses Instru­ment kann bei entsprechenden Rahmenbedingungen erhebliche Kapitalmittel spezialisierter Investoren mit langfristigem Anlagehorizont freisetzen.

  • Projektfinanzierungen

Projektfinanzierungen bündeln die Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben für ein Infrastrukturprojekt in einer Projektgesellschaft. Ein Kapitalgeber stellt die Finanzierung bereit und entlastet dadurch die Bilanz der Ge­sellschafter. Das Instrument kann mit einem ÖPP- bzw. Partnerschaftsansatz kombiniert werden.

  • Nutzungsgebühren und -abgaben

Gebühren und Abgaben für die Nutzung von Infrastruktur wie Bibliotheken, Schwimmbädern, Brücken oder Tunnels gehören zu den klassischen Finanzierungsinstrumenten der öffentlichen Hand. Bei der Ausgestaltung sind zahlreiche rechtliche Vorgaben zu beachten – insbesondere dann, wenn private Partner einbezogen werden

  • Infrastrukturfonds

Dies sind meist geschlossene, nicht börsennotierte Fonds, die Kapital für die Realisierung eines spezifischen Projekts einsammeln. Die in aller Regel professionellen Anleger partizipieren bei einer erfolgreichen Um­setzung an den Erträgen, die der laufende Betrieb der Infrastrukturmaßnahme erbringt, wie Mautgebühren (z.B. Wasserwege) oder Nutzungsgebühren (z.B. Versorgungs-, Daten- oder Schienennetze).

  • Finanzielle Bürgerbeteiligung

Dieses Instrument spielt insbesondere im Kontext der Energiewende eine Rolle, wird aber auch zum Beispiel beim Bau neuer Verkehrswege diskutiert. Dabei werden Einrichtungen etwa zur Stromerzeugung als GmbH & Co. KG oder Genossenschaft gegründet. Die Möglichkeit der wirtschaftlichen Beteiligung von Klein­investoren sowie Strukturen und Entscheidungsprozesse, die einen hohen Grad an Mitbestimmung durch die Eigentümer ermöglichen, stärken durch das regionale Engagement die Akzeptanz solcher Projekte.

  • Leasing- und Mietkaufmodelle

Hier veräußert die öffentliche Hand zunächst die Infrastruktur, um sie anschließend vom privaten Eigentümer zurück zu mieten oder zu leasen, meist mit einer Option zum Rückerwerb nach einer bestimmten Nutzungs­dauer. Hohe Transparenz und Akzeptanz bei allen Beteiligten und sorgfältige Durchführung vorausgesetzt, ermöglichen solche Modelle die Verteilung der Kosten auf einen längeren Zeitraum und damit eine höhere Flexibilität im aktuellen Haushalt bei hoher Planungssicherheit.

  • Crowdfunding

Durch „Crowdfunding“ können sich Individuen oder Organisationen auch mit sehr geringen Summen an der Finanzierung eines größeren Projekts beteiligen. Dies ist grundsätzlich auch im Infrastrukturbereich denkbar, wobei die mangelnde Planbarkeit  der eingehenden Mittel dieses Instrument auf kleinere, zeitlich begrenzte Vorhaben beschränken dürfte.