Ertüchtigung der deutschen Infrastruktur benötigt massive private Kapitalzuflüsse
Einschätzung von Dr. Christian Bauer, Frederik Lorenzen und Dr. Felix Siebler, Partner und Infrastrukturexperten bei der internationalen Anwaltskanzlei Watson Farley & Williams.
„Die riesigen Investitionen, die zur Ertüchtigung der deutschen Infrastruktur nötig sind, lassen sich auf traditionelle Weise mit staatlichen Mitteln nicht darstellen. Ohne massive Kapitalzuflüsse privater Investoren wird es nicht gehen. Die gute Nachricht: Dafür stehen eine ganze Reihe erprobter und auch innovativer Instrumente bereit. Wenn die beteiligten Partner ihre gegenseitigen Interessen und die Besonderheiten der unterschiedlichen Instrumente verstehen, können diese einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Daseinsvorsorge leisten.“
Hintergrund:
- Die gravierenden Mängel der deutschen Infrastruktur, von Straßen, Brücken und Schienen bis zu Schulen und Krankenhäusern, sind vielfach beschrieben.
- Die für eine Ertüchtigung benötigten Investitionssummen sind exorbitant. Dennoch lassen die aktuellen Beratungen des Bundeshaushalts 2025 zum Beispiel beim Straßenbau erhebliche Mittelkürzungen erwarten.
- Zweckgebundene „Sondervermögen“, wie sie in diesem Zusammenhang beispielsweise der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert, sind rechtlich und politisch hochumstritten.
Lösungsansätze:
Die komplexe politische und rechtliche Situation einschließlich der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse machen, realistisch betrachtet, eine rein staatliche Finanzierung der benötigten Investitionssummen nahezu unmöglich und die verstärkte Einbeziehung privater Investitionen unabdingbar. Dafür stehen eine Reihe von Optionen zur Verfügung, die in der öffentlichen Diskussion häufig noch zu kurz kommen.
Dazu gehören unter anderem folgende Modelle:
- Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP)
Hier treten Investoren und öffentliche Hand gemeinsam als Gesellschafter einer zweckgebundenen Projektgesellschaft auf. Diese agiert als Bauherr und Betreiber, während die Infrastruktur selbst bei allen aktuellen Modellen im Eigentum der öffentlichen Hand bleibt. Weil das privat zufließende Kapital den Bedarf an staatlichen Mitteln reduziert, werden Teile des Haushalts für andere Aufgaben frei. Ergänzend führt das privat einfließende unternehmerische Know-how im Vergleich mit rein staatlich betriebenen Vorhaben häufig zu einer wesentlich effizienteren Abwicklung.
- Green Bonds
Projektanleihen sind ein gängiges Finanzierungsinstrument, das sich zunehmend in Richtung „Grüne Anleihen“ zur Finanzierung nachhaltiger und klimaschonender Projekte wandelt. Dazu gehören im Bereich der Infrastruktur beispielsweise Vorhaben im Kontext von Elektromobilität oder Schienentransport. Dieses Instrument kann bei entsprechenden Rahmenbedingungen erhebliche Kapitalmittel spezialisierter Investoren mit langfristigem Anlagehorizont freisetzen.
- Projektfinanzierungen
Projektfinanzierungen bündeln die Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben für ein Infrastrukturprojekt in einer Projektgesellschaft. Ein Kapitalgeber stellt die Finanzierung bereit und entlastet dadurch die Bilanz der Gesellschafter. Das Instrument kann mit einem ÖPP- bzw. Partnerschaftsansatz kombiniert werden.
- Nutzungsgebühren und -abgaben
Gebühren und Abgaben für die Nutzung von Infrastruktur wie Bibliotheken, Schwimmbädern, Brücken oder Tunnels gehören zu den klassischen Finanzierungsinstrumenten der öffentlichen Hand. Bei der Ausgestaltung sind zahlreiche rechtliche Vorgaben zu beachten – insbesondere dann, wenn private Partner einbezogen werden
- Infrastrukturfonds
Dies sind meist geschlossene, nicht börsennotierte Fonds, die Kapital für die Realisierung eines spezifischen Projekts einsammeln. Die in aller Regel professionellen Anleger partizipieren bei einer erfolgreichen Umsetzung an den Erträgen, die der laufende Betrieb der Infrastrukturmaßnahme erbringt, wie Mautgebühren (z.B. Wasserwege) oder Nutzungsgebühren (z.B. Versorgungs-, Daten- oder Schienennetze).
- Finanzielle Bürgerbeteiligung
Dieses Instrument spielt insbesondere im Kontext der Energiewende eine Rolle, wird aber auch zum Beispiel beim Bau neuer Verkehrswege diskutiert. Dabei werden Einrichtungen etwa zur Stromerzeugung als GmbH & Co. KG oder Genossenschaft gegründet. Die Möglichkeit der wirtschaftlichen Beteiligung von Kleininvestoren sowie Strukturen und Entscheidungsprozesse, die einen hohen Grad an Mitbestimmung durch die Eigentümer ermöglichen, stärken durch das regionale Engagement die Akzeptanz solcher Projekte.
- Leasing- und Mietkaufmodelle
Hier veräußert die öffentliche Hand zunächst die Infrastruktur, um sie anschließend vom privaten Eigentümer zurück zu mieten oder zu leasen, meist mit einer Option zum Rückerwerb nach einer bestimmten Nutzungsdauer. Hohe Transparenz und Akzeptanz bei allen Beteiligten und sorgfältige Durchführung vorausgesetzt, ermöglichen solche Modelle die Verteilung der Kosten auf einen längeren Zeitraum und damit eine höhere Flexibilität im aktuellen Haushalt bei hoher Planungssicherheit.
- Crowdfunding
Durch „Crowdfunding“ können sich Individuen oder Organisationen auch mit sehr geringen Summen an der Finanzierung eines größeren Projekts beteiligen. Dies ist grundsätzlich auch im Infrastrukturbereich denkbar, wobei die mangelnde Planbarkeit der eingehenden Mittel dieses Instrument auf kleinere, zeitlich begrenzte Vorhaben beschränken dürfte.