„EU sollte für geopolitische Risiken vorsorgen, ohne Vorteile internationalen Handels zu opfern“
Der Präsident des ifo Instituts, Clemens Fuest, hat sich für mehr strategische Unabhängigkeit der EU ausgesprochen.
„Da der Wohlstand in Deutschland und Europa stark auf internationalem Handel beruht, ist es hier besonders wichtig, die richtige geoökonomische Strategie für den Krisenfall zu entwickeln“, sagte Fuest auf der Münchner Sicherheitskonferenz. „Um Risiken zu verringern, sind eine Diversifizierung von Rohstoff- und Energielieferungen, die Sicherung kritischer, physischer und digitaler Infrastruktur und stärkere Lagerhaltung oder das Vorhalten eigener Produktionskapazitäten im Falle von sehr kritischen Gütern wie einigen medizinischen Produkten sinnvoll.“
Ein pauschales Aufkündigen der Handelsbeziehungen zu China oder anderen autoritären Staaten oder eine Abkoppelung der EU vom Welthandel sieht Fuest hingegen kritisch: „Eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa wäre mit hohen Kosten verbunden. Es geht einerseits darum, kritische Abhängigkeiten zu begrenzen, es ist aber ebenso geboten, die immensen Vorteile internationaler Arbeitsteilung weiterhin umfassend zu nutzen.“
Studien von EconPol Europe zeigen, dass ein einseitiger Rückzug der EU aus internationalen Lieferketten mit einem Rückgang der industriellen Wertschöpfung von mehr als 10 Prozent einhergehen würde. Auch ein Zerfall der Weltwirtschaft in einen westlichen Block (mit EU und den USA) und einen östlichen Block (mit China und Russland) würde das europäische Wohlstandsniveau dauerhaft und spürbar senken und zu Wertschöpfungsverlusten in Milliardenhöhe führen.
„Gleichzeitig geht es strategisch für Europa aber auch darum, einseitige Abhängigkeiten in der kritischen und digitalen Infrastruktur zu vermeiden“, sagte Florian Dorn, Direktor von EconPol Europe. Auch die militärische Abhängigkeit vom Schutzversprechen der USA sei wegen des unsicheren Ausgangs der US-Präsidentschaftswahlen problematisch. „Europa muss selbst in der Lage sein, sich zu verteidigen und für die Sicherheit ihrer Menschen zu sorgen“, sagte Dorn. Dafür brauche es aber ein entschiedeneres Umdenken bei den Staatsausgaben und der europäischen Zusammenarbeit.