Statement des AGFW zur Prüfung von Preisgleitklauseln in Fernwärmeverträgen
Derzeit prüft das Bundeskartellamt die Anwendung von Preisgleitklauseln in Fernwärmeverträgen einzelner Versorger. Im Raum steht derVerdacht, durch die missbräuchliche Gestaltung von Preisgleitklauseln seien zu hohe Fernwärmepreise abgerechnet worden.
„Das Bundeskartellamt leitet aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, dass das Marktelement im Verhältnis zum Kostenelement gleichwertig zu berücksichtigen sei, um damit eine preisdämpfende Wirkung für die Verbraucher zu erzielen“, so Dr. Fricke. Den Fernwärmeversorgern werde somit vorgeworfen, das Marktelement nicht ausreichend gewichtet zu haben. „Aus unserer Sicht handelt es sich dabei jedoch um eine Fehlinterpretation von BGH-Entscheidungen durch das Bundeskartellamt.“
Anderweitige Gewichtungen zwischen Kosten- und Marktpreis seien sehr wohl möglich, wenn dies angemessen sei, so Dr. Fricke weiter. „Das Marktelement ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann eine preisdämpfende Wirkung entfalten, gleichzeitig kann es jedoch auch für eine Erhöhung der Fernwärmepreise sorgen.“ Würden die Versorger das Marktelement wie gefordert stärker gewichten, würden aktuell die Fernwärmepreise steigen, so Fricke. „Wie Beobachter der Energiemärkte wissen, entwickeln sich die Brennstoffpreise nicht nur kurzfristig, sondern können in beide Richtungen schwanken. So steigt etwa der sich träge entwickelnde Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamts, ein geeigneter Marktrepräsentant, derzeit an, während die Brennstoffpreisindizes bereits deutlich gefallen sind. Eine stärkere Gewichtung des Marktelements hätte zur Folge, dass der Arbeitspreis höher bleibt als bei einer Untergewichtung.“
Das Bundeskartellamt erachtet außerdem den Umstand für problematisch, dass Preisgleitklauseln zur Abbildung der Wärmeerzeugungskosten auf einen Erdgasindex referenzieren, obwohl der Fernwärmeversorger erneuerbare Energien einsetzt. Diese Konstellation ist häufig in solchen Fällen anzutreffen, in denen der Versorger Abwärme – sie ist rechtlich erneuerbaren Energien gleichgestellt – aus Müllverbrennungsanlagen bezieht. Moderne Wärmebezugsverträge knüpfen häufig an die Preisentwicklung für Erdgas an. Folgerichtig ist der Fernwärmeversorger gehalten, diese Erdgaspreisbindung in der Fernwärme-Preisänderungsklausel im sogenannten Kostenelement aufzunehmen. Er handelt damit nicht missbräuchlich, sondern setzt gesetzliche Vorgaben konsequent um. Bei Abschluss der Wärmebezugsverträge war die exorbitante gaskrisenbedingte Preissteigerung nicht vorhersehbar. Ganz im Gegenteil galt bis vor kurzem die Gaspreisbindung in Abwärmebezugsverträgen unter Energieökonomen als vorzugswürdig. Alternativen zur Ermittlung des Wertes der Abwärme hätten zu vergleichbaren Unsicherheiten geführt.
Der AGFW fordere daher, dass das Bundeskartellamt in seiner Argumentation die bestehende Gesetzeslage richtig interpretiere. „Die Fernwärmeversorger in Deutschland unternehmen seit Jahren große Anstrengungen, auch in Krisenzeiten die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig ihre Wärmenetze auszubauen und zu dekarbonisieren“, erklärt Dr. Fricke. Wenn das Bundeskartellamt die Preisentstehung unter die Lupe nehme, dann müsse es die BGH-Entscheidungen richtig interpretieren.
Hintergrund: Preisgleitklauseln in der Fernwärme
Preisgleitklauseln, die sich an der Kosten- und Marktentwicklung orientieren, können dazu beitragen, ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis aufrechtzuerhalten. Sie bilden rechtlich zulässige Instrumente zur Anpassung des Wärmepreises an sich verändernde Umstände. Zu den üblichen Schwankungen der Brennstoffpreise kommen staatliche veranlasste Änderungen, die sich auf die Kosten der Wärmeerzeugung auswirken. Hätten Fernwärmeversorger nicht die Möglichkeit, die bei Vertragsbeginn vereinbarten Preise an sich ändernde Umstände anzupassen, müssten sie die zu erwartenden Risiken von Anfang an in den Wärmepreis einpreisen. Dies würde zu einer deutlichen Verteuerung der Fernwärmepreise führen.