Nötig statt nettes Beiwerk: „Wir brauchen so viele Bäume wie möglich“
Dieter Fuchs hielt die erste Keynote beim diesjährigen Kongress „Stadt.Baum.Dach“. Er veranschaulichte, dass Bäume ausgerechnet dort am dringendsten gebraucht werden, wo kein Platz für sie zu sein scheint.
Der Bund deutscher Baumschulen (BdB) hatte am 11. und 12. September im Rahmen der EU-Kampagne „Mehr grüne Städte für Europa“ zu dieser Tagung nach Köln eingeladen. Für Dieter Fuchs, den Leiter des Geschäftsbereichs Stadtgrün bei der Stadt Bonn und des Arbeitskreises Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK), war dieser Kongress also fast ein Heimspiel.
Oben hui unten pfui
Seinen Vortrag hatte Fuchs mit der Zeile „Herausforderungen für die Städte“ überschrieben. Gleich zum Einstieg zeigte er, dass es vor allem die Bäume selbst sind, die herausgefordert werden: „Dabei meine ich natürlich nicht die Stadtbäume, die in Parks, auf Spielplätzen oder auf Friedhöfen wachsen. Denen geht es vergleichsweise gut. Die Straßenbäume haben da ganz andere Standortbedingungen – härtere.“ Selbst wenn auf den ersten Blick alles akzeptabel scheine und die Baumscheibe ausreichend dimensioniert sei, müsse der Baum unter der Erde um seinen Wurzelraum kämpfen: Rohre, Leitungen, Verdichtungen oder schlechte Substratqualität seien nur einige der unsichtbaren Hindernisse, die dem Wachstum und der Vitalität der Stadtbäume buchstäblich im Wege stehen.
Wenig Fläche, viele Funktionen
Sei es unter oder über der Erde: Dass Stadtbäume mit diversen anderen Ansprüchen konkurrieren, ist bekannt, doch Fuchs berichtete von zuweilen absurden Zielkonflikten, mit denen er in seiner täglichen Arbeit mittlerweile konfrontiert ist: „Es gibt Klagen vor Gericht: Da möchten Menschen vitale Großbäume fällen, damit die Photovoltaikanlage auf ihrem Dach volle Sonne bekommt. Das darf natürlich keine Option sein.“ Auch das an sich wünschenswerte Ziel neuer Radwege könne auf Dauer nicht wie bisher durch zusätzliche Versiegelung erreicht werden – auch wenn das Überzeugungsarbeit und vor allem Prioritäten erfordere: „Wir können jeden Quadratmeter nur einmal nutzen. Wenn in meiner Straße mehr Bäume wachsen sollen und Platz für Radwege gebraucht wird, kann ich auf dieser Fläche nicht gleichzeitig mein Auto parken.“ Sobald die Ansprüche miteinander um die knappe Ressource Platz konkurrieren, wird es anstrengend.
Mehr als „nur“ schön
Dass sich diese Anstrengung lohnt, erlebt Dieter Fuchs mittlerweile in seinem Arbeitsalltag: Zunehmende Hitze- und Trockenheit sind auch aus seiner Sicht enorme Stressfaktoren, haben aber auch die Wertschätzung für Stadtgrün erhöht: „Früher waren Erhalt und Pflanzung von Bäumen eine rein emotionale Angelegenheit. Ganz nett, aber eben nicht nötig. Das hat sich total verändert. Heute ist es vollkommen klar, dass wir so viele Bäume wie möglich in den Städten brauchen, auf möglichst optimalen Standorten, damit sie lebenswert bleiben. Sei es zur Kühlung, zur Beschattung oder als Luftfilter. Die Liste könnte ich fortsetzen.“ Wer so viel leistet, solle auch gut behandelt werden: „Das Schwammstadt-Prinzip ist zum Beispiel grundsätzlich gut, aber wir müssen aufpassen, dass die Wurzeln genug Luft bekommen und Staunässe vermeiden.“ Und: Wasser sammeln allein reiche nicht, es gehe auch um die Qualität: „Salze und Schadstoffe müssen gefiltert werden, bevor das Wasser in die Baumgrube geleitet wird.“ Das solle weiter verbessert werden, auch wenn es schon Fortschritte gebe.
Konkreter Werkzeugkasten
Kommunen und Planer sollten die skizzierten Herausforderungen annehmen und handeln. Unter dem Motto: „Wir sind vorbereitet“, nannte Dieter Fuchs eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen für Stadtbäume: Die verlängerte Fertigstellungs- und Entwicklungspflege über mindestens fünf Jahre war nur eine davon. Dass es sich lohnt, diese Werkzeuge anzuwenden, zeigte seine Einladung an alle Anwesenden am Ende seiner Keynote: „Bis bald zur Kirschblüte in Bonn“, stand auf dem Foto seiner letzten Folie zu lesen. Es zeigt die Heerstraße in der Bonner Altstadt – eingehüllt in zahllose rosafarbene Wölkchen der in voller Blüte stehenden Zier-Kirschen. Da wurde dann doch noch einmal die besondere emotionale Qualität der Bäume deutlich: Sie funktionieren und berühren. Welche Klimaanlage kann das schon von sich behaupten?