Public Manager
26.01.2023 | Moderner Staat, Verwaltungsmodernisierung

80 Prozent der Organisationen im öffentlichen Sektor setzen auf kollaborative Datennutzung

Gemeinsame Datenökosysteme helfen der öffentlichen Verwaltung dabei, auf systemische Herausforderungen zu reagieren – doch eine breite Akzeptanz steht noch aus

Frank Jacobsen, Leiter Public Sector bei Capgemini in Deutschland (Bild: Capgemini)

Die überwiegende Mehrheit der Organisationen im öffentlichen Sektor hat erkannt, dass zur Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen ein gemeinsamer, datengestützter Ansatz notwendig ist. 80 Prozent der Organisationen weltweit haben zu diesem Zweck bereits damit begonnen, Initiativen für kollaborative Datenökosysteme1 umzusetzen. Das ist das Ergebnis der neuen globalen Studie des Capgemini Research Institute, „Connecting the Dots: Data sharing in the public sector“. Allerdings befinden sich die meisten Organisationen der öffentlichen Verwaltung noch in der Anfangsphase der Umsetzung, und nur wenige haben bisher Datenökosysteme in größerem Umfang eingeführt. Neben der verfügbaren Technologie bestehen vor allem noch Herausforderungen im Hinblick auf Kultur und Vertrauen.  

Organisationen, die bereits mit kollaborativen Datenökosystemen arbeiten oder sich derzeit in der Implementierungsphase befinden, können erhebliche Vorteile aus einer effektiven gemeinsamen Datennutzung ziehen. Dazu zählen eine verbesserte Erfahrung für Bürgerinnen und Bürger sowie eine bessere datengestützte Politikgestaltung. 

Operative und gesellschaftliche Herausforderungen durch effektiven Datenaustausch bewältigen

Kollaborative Datenökosysteme unterstützen Organisationen des öffentlichen Sektors weltweit in wichtigen Funktionsbereichen wie Verwaltung, Sicherheit und Verteidigung, Steuern und Zoll sowie soziale Dienste. 81 Prozent der Kommunal-, Landes- und Zentralverwaltungen, die Datenökosysteme eingeführt haben oder dies planen, berichten, dass sie ein stärkeres Engagement der Bürger beobachten konnten. 69 Prozent konnten ihre Nachhaltigkeits-Roadmap optimieren. Zudem gaben 93 Prozent der Befragten an, dass die Transparenz der Verwaltung verbessert wurde. 

Darüber hinaus profitieren Bürger von verbesserten staatlichen Leistungen, wie zum Beispiel von einer gezielteren Bereitstellung von Sozialleistungen für besonders bedürftige Menschen sowie von einer höheren öffentlichen Sicherheit: Polizeibehörden nannten insbesondere eine bessere Rechtsdurchsetzung und kürzere Reaktionszeiten als Vorteile von Datenökosystemen. 74 Prozent der Organisationen des öffentlichen Sektors sehen auch eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Cyberbedrohungen. 

Kulturwandel und Vertrauensbildung notwendig

Einer breiteren Einführung von Datenökosystemen stehen derzeit vor allem mangelndes Vertrauen der Beteiligten und eine unzureichend entwickelte Kultur in den Organisationen entgegen. So sehen sich 56 Prozent der Befragten mit verschiedenen Herausforderungen in Bezug auf das Vertrauen der Mitarbeitenden und Bürger konfrontiert. Dazu gehören u. a. der Widerstand von Bürgern gegen die Weitergabe von Daten sowie mangelndes Vertrauen in die Datenqualität. 

Die Studie unterstreicht insbesondere die zentrale Rolle der Mitarbeitenden im öffentlichen Sektor. Die Verwaltung muss eine datengetriebene Kultur sowie die dafür notwendigen Kompetenzen in ihren Organisationen gezielt fördern. Außerdem muss sie ein ganzheitliches Qualifizierungsprogramm entwickeln, um ihre Mitarbeitenden mit den notwendigen Fähigkeiten in den Bereichen Datenmanagement und künstliche Intelligenz sowie im Umgang mit Datenschutzfragen auszustatten. Nur 55 Prozent der Organisationen gaben in der Studie an, ihre Mitarbeitenden im ethischen Umgang mit Bürgerdaten geschult zu haben. 

„Ein systematischer Datenaustausch hilft Organisationen des öffentlichen Sektors maßgeblich dabei, die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Die notwendigen Daten und Technologien sind heute zumindest teilweise bereits verfügbar. Der Erfolg eines Datenökosystems hängt aber vor allem davon ab, ob die Verwaltung die richtigen Kompetenzen in ihren Organisationen aufbauen und den notwendigen Kulturwandel zu mehr Datenaffinität und Kollaboration voranbringen kann“, so Frank Jacobsen, Leiter Public Sector bei Capgemini in Deutschland. 

Vertrauen schaffen durch Datenschutz-Technologien

Sicherheit und Datenschutz von Grund auf einzubetten ist für den Erfolg kollaborativer Datenökosysteme entscheidend, damit öffentliche Organisationen die Vorteile der gemeinsamen Datennutzung mit der Notwendigkeit des Datenschutzes in Einklang bringen können. Dies erfordert auch die Entwicklung solider Governance-Strukturen, Data-Mesh-Architekturen2 sowie den Einsatz von Technologien zum Schutz der Privatsphäre wie Differential Privacy3, föderiertes Lernen4 und homomorphe Verschlüsselung5. 

Hinweise

1 Für diese Studie wurde ein Datenökosystem des öffentlichen Sektors definiert als: "Ein System der Datenzusammenarbeit, an dem eine öffentliche Organisation zusammen mit anderen privaten und/oder öffentlichen Organisationen und/oder Bürgern beteiligt ist. Diese Initiativen zur Datenzusammenarbeit sollten den am Ökosystem beteiligten öffentlichen Organisationen und/oder anderen Zielgruppen, wie z. B. den Bürgern, zugutekommen und ihnen helfen, ihre übergeordneten strategischen Ziele und Aufgaben zu erfüllen.“

2 Data-Mesh-Architekturen ermöglichen die zentrale Festlegung und Verwaltung von Data-Governance-Richtlinien. Im Kontext von Datenökosystemen wird so sichergestellt, dass Sicherheit und Compliance im Ökosystem nach einem gemeinsamen Satz von Standards und Richtlinien verwaltet werden.

3 Differential Privacy ist eine Methode, bei der während der Analyse eines Datensatzes statistisches Rauschen eingefügt wird, um identifizierbare Merkmale von Einzelpersonen innerhalb dieses Datensatzes zu verbergen.

4 Föderiertes Lernen ist ein dezentraler Ansatz für die Entwicklung von Modellen für maschinelles Lernen, mit dem KI-Algorithmen anhand von Daten trainiert werden können, die lokal in mehreren verteilten Quellen gespeichert sind. Dadurch müssen die Daten nicht an einem zentralen Ort gebündelt werden, was zum Schutz von sensiblen Daten beiträgt.

5 Homomorphe Verschlüsselung ermöglicht es, mathematische Berechnungen mit verschlüsselten Daten durchzuführen, ohne sie vorher zu entschlüsseln. Die Ergebnisse der Berechnungen bleiben verschlüsselt und können nur mit dem richtigen Entschlüsselungscode entschlüsselt werden. Dies ermöglicht es Organisationen, sensible Daten für die Verarbeitung und Analyse freizugeben, ohne die Originaldaten preiszugeben. 

Methodik

Das Capgemini Research Institute befragte im Juni 2022 1.000 leitende Mitarbeiter in Organisationen des öffentlichen Sektors aus 12 Ländern in Nordamerika, Europa und Asien, die an Datenökosystemen arbeiten oder dies planen. Zudem wurden ausführliche Interviews mit mehr als 20 Führungskräften des öffentlichen Sektors und Akademikern durchgeführt. Die Befragung deckte die wichtigsten Funktionsbereiche ab, darunter den Sozialbereich, Steuern und Zoll, Sicherheit und Verteidigung sowie lokale, staatliche und zentrale Verwaltungen.