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24.02.2023 | Wasser und Abwasser

Stadtwerke Rastatt und Stadt Bühl begründen Klage gegen das Land

Die Stadtwerke Rastatt und die Stadt Bühl klagen vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen das Land Baden-Württemberg: Hintergrund ist die großflächige Belastung des Grundwassers in Mittelbaden mit giftigen Chemikalien, genauer gesagt mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS genannt.

Die Substanzen sind giftig und bauen sich nicht ab. Die Klägerinnen streben deshalb an, die Grundwasserbelastung der Region in die vom Land erstellte Fortschreibung des Bewirtschaftungsplans Oberrhein vom 20. Dezember 2021 und das daraus entwickelte Maßnahmenprogramm aufzunehmen. Damit verfolgen sie zwei Ziele: Es geht ihnen erstens um einen besseren Grundwasserschutz für die Zukunft, basierend auf einer integrierten Planung, und zweitens um eine gerechtere Verteilung der immensen Kosten für die Wassersanierung; die über Generationen hinweg erforderlich sein wird, um die Region weiterhin mit einwandfreiem Trinkwasser versorgen zu können. Vor Klageeinreichung hatten politische Vertreter der Region und die beiden Klägerinnen dieses dringende Anliegen bereits vielfach an das Land herangetragen; unter anderem mit einer im Juni 2021 vorgelegten Resolution an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Alles ohne Erfolg. Auch im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Bewirtschaftungsplanes zeigte das Land keinerlei Entgegenkommen. Jetzt ist der Verwaltungsgerichtshof am Zug. 

Europaweites Verbot für PFAS auf dem Weg

„Die schädigende Wirkung dieser Ewigkeitschemikalien, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 9. Februar die Substanzen betitelte, steht inzwischen außer Frage“, sagt Olaf Kaspryk, Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu sind in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, was auch schon zu punktuellen Verboten geführt hat. Jetzt – erst im Februar dieses Jahres – haben europäische Fachverbände ein EU-weites Verbot der ganzen Chemikaliengruppe beantragt. „Diese Nachricht ging durch alle Medien. Wie kann es da sein, dass das Land Baden-Württemberg die Augen zumacht und unsere Klage zur Aufnahme der PFAS in die Gewässerbewirtschaftungsplanung in seinem aktuellen Halbjahresbericht zur PFC-Belastung von landwirtschaftlichen Flächen und Trinkwasser unerwähnt lässt?“, fragt sich der Rastatter Oberbürgermeister Hans-Jürgen Pütsch, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke.

Land ignoriert Kosten der Städte und Gemeinden

Irritiert zeigen sich die beiden klagenden Wasserversorger auch über den genannten Halbjahresbericht, der sich ausdrücklich mit PFC-Belastungen von Flächen und Trinkwasser im Landkreis Rastatt und angrenzenden Gemeinden sowie der Bekämpfung dieser Belastungen befasst. Er wurde zum Jahresende 2022 veröffentlicht und behandelt den Berichtszeitraum von Januar bis Juni 2022: Obwohl dieser Bericht nach seinem Wortlaut auch die Kosten der Städte und Gemeinden darstellen soll, wird ihre konkrete Höhe unterschlagen. „In diesem Bericht  sind weder die Kosten aufgeführt, die den Großen Kreisstädten Rastatt und Bühl entstanden sind, noch die Aufwendungen der Gemeinden Kuppenheim, Gernsbach, Sinzheim und Hügelsheim oder die ihrer jeweiligen Stadt­ und Gemeindewerke. Auch zu den Kosten der übrigen Gemeinden in der Region fehlt jeglicher Hinweis. Eine Abfrage vor Erstellung des Berichts fand nicht statt, wir fühlen uns schlicht übergangen“, erklärt Bühls Oberbürgermeister Hubert Schnurr. Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Rastatt, Hans Jürgen Pütsch, hat er seine Irritation über dieses Vorgehen gegenüber der Landes-Umweltministerin Thekla Walker in einem Schreiben zum Ausdruck gebracht und um Richtigstellung gebeten. Denn Tatsache ist, dass sich allein bei der Stadt Bühl die Kosten für Maßnahmen zur Entfernung von PFAS aus dem Grundwasser inzwischen auf rund 900.000 Euro belaufen. Bei den Stadtwerken Rastatt summieren sie sich mittlerweile auf rund 8 Millionen Euro.

Grundwassersanierung über Generationen erforderlich

Im Einzelnen machen die Klägerinnen in der Klagebegründung insbesondere den Umfang der Maßnahmen deutlich, die sie zur Bewältigung der PFC-Verunreinigung bereits ergreifen mussten; eine detaillierte Chronologie liefert die Fakten dazu. Auch verweisen die Klägerinnen noch einmal auf die dem Land hinreichend bekannte räumliche Dimension der Verunreinigung: Diese umfasst nun schon eine Grundwasseroberfläche von mehr als 58 Quadratkilometern; nach aktuellen Berechnungen sind das rund 170 Millionen Kubikmeter Grundwasser. „Schon dieses riesige Ausmaß des Umweltskandals spricht gegen die vom Land vertretene Auffassung, es handle sich lediglich um eine punktuelle Verunreinigung“, betont Olaf Kaspryk.

Land in der Pflicht 

Die Bewirtschaftungsplanung soll dazu dienen, einen guten chemischen Zustand der Gewässer zu erhalten oder zu erreichen. Dem steht, wie in der Klagebegründung detailliert nachgewiesen wird, die tendenziell noch immer zunehmende PFC-Belastung entgegen. Nach Auffassung der Klägerinnen ist es deshalb Aufgabe der Gewässerbewirtschaftungsplanung, hier zu einer Trendumkehr zu kommen; sie sehen dafür das Land in der Pflicht.

Klägerinnen stützen sich auf aktuelle Rechtsauffassung

In den eigentlichen juristischen Ausführungen stützt sich die Klagebegründung einerseits auf aktuelle Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft, die bei einem in Rastatt von den Stadtwerken veranstalteten Symposium vorgetragen und erörtert wurden. Andererseits liegen den Ausführungen zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2019 zugrunde. Das Gericht hat in diesen Entscheidungen ausgeführt, dass Wasserversorgungsunternehmen wie den beiden Klägerinnen im Falle von Verunreinigungen im Rohwasser ihrer Wasserwerke ein durchsetzbares Recht auf Berücksichtigung dieser Verunreinigungen in der Bewirtschaftungsplanung zusteht. Daraus und aus der EU- Wasserrahmenrichtlinie sowie den zu ihrer Umsetzung erlassenen Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes über die Gewässerbewirtschaftungsplanung leitet sich der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch ab.

Unvollständige Darstellung der Situation untragbar

Parallel zur Klage gegen das Land läuft ein Zivilprozess der Stadtwerke Rastatt gegen den mutmaßlichen Verursacher der PFC-Verunreinigung und eine Schadensersatzforderung der Gemeinde Hügelsheim. Auch sie ist ebenfalls seit Jahren anhängig. „Im Halbjahresbericht des Landes zur Belastungssituation in der Region mit PFC ist auch davon nichts zu lesen, obwohl die Prozesse sowohl in Fachkreisen als auch in der Öffentlichkeit höchste Aufmerksamkeit haben“, äußert sich der Bühler Oberbürgermeister verwundert; „das ist auch angesichts möglicher Schlussfolgerungen bei den Beklagten untragbar.“  

Die Stadtwerke Rastatt versorgen ihre Kunden zuverlässig mit Energie und sichern über ihr Leitungsnetz auch die Trinkwasserversorgung der rund 50.000 Bürgerinnen und Bürger Rastatts. Zudem treibt das städtische Versorgungsunternehmen die Energie- und Mobilitätswende in der Region voran. Der lokale Energiedienstleister produziert in Rastatt Ökostrom in eigenen Wasserkraftwerken und Fotovoltaik-Anlagen – dazu gehört ein Bürgersolarpark – und baut die lokale Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge aus. Mit einem durchdachten Nahwärmekonzept leisten die Stadtwerke Rastatt einen wesentlichen Beitrag zur lokalen Wärmewende: Über effiziente Nahwärmenetze werden Wohnungen, Gewerbeeinheiten und öffentliche Einrichtungen ressourcenschonend und zukunftsfähig beheizt. Zudem engagiert sich der Versorger für eine bleibend hohe Lebensqualität in Rastatt und unterstützt gemäß dem Motto „Näher geht nicht“ das lokale Engagement von Vereinen sowie kulturelle und soziale Projekte vor Ort.