Energetische Sanierung von Senioren- und Pflegeheimen: Energieagentur KEA-BW stellt Gutachten vor
Bundesweit gibt es rund 7.000 Senioren- und Pflegeheime. Ein großer Anteil von ihnen ist energetisch auf keinem guten Niveau. Viele Betreiber nutzen das Einsparpotenzial trotz hoher Energiekosten nur unzureichend. Ein zentraler Grund: Die erforderlichen Investitionen werden von den Kostenträgern nicht mitfinanziert.
Auswege aus dem Sanierungsstau zeigt nun ein von der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) in Auftrag gegebenes Gutachten. Eine Möglichkeit, Projekte in Gang zu bringen, ist die Dienstleistung Energie-Contracting. Dabei bringt ein Contractor eigene Finanzmittel und Know-how ein, so dass die Einrichtung wenig Eigenkapital und Personal für die Umsetzung benötigt. Für selbst finanzierte Sanierungen schlägt das Gutachten unter anderem höhere Investitionskostensätze vor. Auch die Ergänzung des Sozialgesetzbuches um Nachhaltigkeit wird als eine nützliche Maßnahme genannt. Dann könnten Pflegeheime die Sanierung über Zuwendungen der Kostenträger besser stemmen.
Zum Gutachten: siehe 1. Link
Allein in Baden-Württemberg befinden sich mehr als 1.500 der deutschen Pflegeheime. Über 50 Prozent der Einrichtungen für Senioren im Südwesten sind in die Jahre gekommen und energetisch ineffizient aufgestellt. Die Energiekosten sind entsprechend hoch. In Bezug auf die Klimaschutzverpflichtungen des Landes und der Träger ist also noch Luft nach oben: Pro Jahr ließen sich in Baden-Württemberg 260.000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen (CO2) vermeiden, würden die Pflegeimmobilien energetisch saniert. Das entspricht 170 Tonnen pro Pflegeheim jährlich.
Gründe für die zu geringe Sanierungsrate sind vor allem finanzieller Art, denn energetische Sanierungen erfordern hohe Investitionen. Viele Kostenträger der Pflegeheime sehen Energieeinsparung und Energieeffizienz jedoch nicht als betriebsnotwendig an oder betrachten sie als unwirtschaftlich. Über die Lebensdauer betrachtet sind die Investition und die daraus folgende Kosteneinsparung jedoch oft wirtschaftlich, allein aufgrund perspektivisch weiter steigender CO2-Preise. Würde ein Pflegeheim auf eigene Initiative sanieren, müsste es die gesamten Kosten selbst aufbringen. Die Folge: Die Sanierung wird nicht angegangen. Fehlende personelle Kapazitäten für die Planung der Sanierungsmaßnahmen sind ein weiterer Grund für den Sanierungsstau.
Contracting könnte den Stillstand beenden
Energie-Contracting könnte laut Gutachten Abhilfe schaffen. „Beim Energie-Contracting setzt ein Energiedienstleister auf eigene Kosten und mit spezialisiertem Know-how eine energetische Sanierung um“, erklärt Dr. Anders Berg, der Leiter des Kompetenzzentrums Contracting der KEA-BW. „Eigentümer bekommen dadurch Unterstützung bei der Finanzierung, profitieren von der fachlichen Erfahrung und benötigen keine zusätzlichen Personalkapazitäten.“ Im kommunalen Bereich ist die Dienstleistung schon erfolgreich. In der Sozial- und Gesundheitswirtschaft gibt es bereits erste Projekte; die Dienstleistung ist hier jedoch noch weitgehend unbekannt. Entsprechend wichtig ist es, Hemmnisse abzubauen.
Neue Arbeitsgemeinschaft vernetzt Einrichtungen
Das Gutachten schlägt vor, Pflegeheime gezielt mit Informationsmaterialien zu versorgen. So würde die Dienstleistung Contracting bekannter und Vorbehalten entgegengewirkt. Die KEA-BW erarbeitet derzeit eine Handreichung, um die Vorteile von Contracting umfassend zu beschreiben. Zudem gründet die Landesenergieagentur aktuell die „Arbeitsgemeinschaft Energieeffizienz in Pflegeheimen“. In ihr sollen sich regelmäßig Betreibende von Pflegeheimen, Kostenträger, Spitzenverbände, Banken und Energiefachinstitutionen aus ganz Baden-Württemberg treffen. Das Netzwerk soll dem Erfahrungsaustausch dienen und „Best-Practice-Beispiele“ sowie Geschäftsmodelle in den Fokus rücken, um die Sanierungshemmnisse abzubauen.
Interessenten können sich online anmelden: siehe 2. Link
Refinanzierung über höhere Investitionskostensätze
Die Energiewende in Pflegeheimen könnte auch dadurch vorangetrieben werden, dass Sanierungsprojekte, die aus eigenen Mitteln bezahlt werden, eine bessere Refinanzierung erhalten. Führen bislang Betreiber von Pflegeeinrichtungen energetische Verbesserungen im Gebäude durch, die zu Kostensenkungen im Pflegebetrieb führen, sinken auch die Zuwendungen der Kostenträger an die Heime. Die Kostenträger profitieren also von den Einsparungen, nicht aber die betreffenden Einrichtungen. Die Zahl der Sanierungen bleibt auch aus diesem Grund überschaubar.
Das Gutachten schlägt daher vor, energetische Sanierungsmaßnahmen über einen Aufschlag auf den bestehenden Investitionskostensatz mitzufinanzieren. Um der restriktiven Genehmigungspraxis der Kostenträger entgegenzuwirken, könnte eine verbindliche Anweisung oder eine ermessenslenkende Richtlinie des Sozialministeriums konkretisieren, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz über die Investitionskostensätze anerkannt und finanziert werden. Auf diese Weise würde sichergestellt, dass derartige Maßnahmen als betriebsnotwendig zu beurteilen sind. „Dann könnten Pflegeheime die Investitionen in eine energetische Sanierung besser refinanzieren und ihre Dienstleistung an den Pflegebedürftigen in einem verbesserten Gebäudebestand nachkommen“, sagt Dr. Anders Berg.
Sozialgesetzbuch ergänzen
Auch die Sozialgesetzgebung könnte positiv auf energetische Sanierungen einwirken, so das Gutachten. Dies verlangt aktuell, dass Pflege-, Beratungs- oder Betreuungsleistungen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein müssen. Hier wäre eine Ergänzung im Hinblick auf Nachhaltigkeit förderlich, empfehlen die Gutachter. Soziale Arbeit müsse künftig auch an klimafreundlichen Kriterien ausgerichtet werden. Insbesondere sollten die Versorgungsverträge zwischen Sozialunternehmen und Leistungsträgern die nachhaltige Gestaltung der Dienstleistungen einfordern und entsprechend vergüten. Würde dies umgesetzt, könnten Betreiber von Pflegeheimen auch dadurch eine Sanierung selbst stemmen.
Was Contracting ist und welche Vorteile die Dienstleistung bringt, erklärt die Internetseite der Landesenergieagentur: siehe 3. Link