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09.02.2022 | Messen, Umwelttechnik, Wasser und Abwasser

IFAT Munich: Eine abwasserfreie Produktion ist möglich

Wasserknappheit gehört zu den Faktoren, die abwasserarme oder gar abwasserfreie industrielle Prozesse in Zukunft noch interessanter machen werden. Auf der IFAT Munich werden die dafür erforderlichen Technologien präsentiert und die Marktbedingungen diskutiert. Die weltweit größte Fachmesse für Umwelttechnologien findet vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 in München statt.

Bild: Messe München

Der Wasserverbrauch der deutschen Industrie ist seit über drei Jahrzehnten rückläufig. Entnahmen Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe in 2016 in Summe noch rund 5,8 Milliarden Kubikmeter, waren es in 2019 nur noch 4,7 Mrd. cbm. Die Fortsetzung dieses Trends ist auch in Zukunft richtig und wichtig, denn durch sich häufende Dürreperioden kann das blaue Gold in manchen Regionen des an sich wasserreichen Deutschlands zu einem knappen Gut werden. „Vor dem Hintergrund der sich dadurch abzeichnenden zukünftig verstärkten Nutzungskonflikte liegt es im eigenen Interesse der Wirtschaft, noch intensiver über den richtigen Umgang mit Wasser nachzudenken“, betont Uli Paetzel. Laut dem Präsidenten der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) könnten die Unternehmen zum Beispiel wassersparende Technologien, Regenwasser oder gereinigtes Abwasser noch konsequenter nutzen.

Technologisch schon lange machbar

Zumindest theoretisch ist das Maximalziel dabei eine gänzlich abwasserfreie Produktion. Technologisch ist diese schon lange keine Zukunftsvision mehr. So ging bereits im Jahr 2016 in San José Chiapa/Mexiko ein Audi-Werk in Betrieb, das diese Leistung für sich beansprucht. Dort werden nach Firmenangaben 100 Prozent des entstehenden Abwassers aufbereitet und anschließend als Betriebswasser, in der Produktion und zum Bewässern der Grünflächen des Werksgeländes eingesetzt. Neben vielen weiteren schon realisierten Lösungen in diversen Branchen werden immer neue Anwendungsfelder für Zero Liquid Discharge (ZLD) erschlossen. So will aktuell ein Konsortium, an dem sich unter anderem die Technische Universität Dresden beteiligt, in dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt „Med-zeroSolvent“ innovative, energieeffiziente Methoden für eine abwasserfreie Herstellung von Dialysemembranen entwickeln. Bei deren Produktion fallen stark belastete Prozesswässer an.

Wasserknappheit eine der Triebfedern

„Wirtschaftlich lohnt sich die Installation einer abwasserfreien Lösung allerdings nur unter bestimmten Rahmenbedingungen“, unterstreicht Elmar Billenkamp, Abteilungsleiter Projektierung & Vertrieb bei der EnviroChemie GmbH. Die Firma aus Rossdorf/Deutschland ist ein international agierender Systemanbieter für industrielle Wasseraufbereitung und -behandlung. Laut dem Experten gehört Wasserknappheit zu den möglichen unternehmerischen Triebfedern. „Wo Wasser günstig und gut verfügbar ist, spielt ZLD in der Regel keine Rolle. In Regionen, in denen Wasser Mangelware ist, kann es sich hingegen häufig lohnen, den Wasserkreislauf zu schließen“, so Billenkamp. Als Beispiel führt er einen Hersteller von Solarpanels in Katar an, in der salzhaltige Abwässer so aufbereitet werden, dass sie wieder in den Wasserkreislauf der Produktion eingespeist werden können.

Unabhängiger von Infrastruktur und Verwaltung

Ein weiterer Anlass für eine aufwändige betriebsinterne Abwasseraufbereitung sind Probleme mit dem örtlichen Kanalanschluss – sei es durch behördliche Beschränkungen bei der Einleitung oder weil an der Produktionsstätte die entsprechende Infrastruktur ungenügend ist oder gänzlich fehlt. „ZLD ist auch eine Chance, sich von administrativen Entscheidungen unabhängig zu machen. So hat sich ein Automobilhersteller in seinem Motorenwerk in Kasachstan für seine ölhaltigen Abwässer für eine Zero Liquid Discharge-Lösung entschieden, weil er die Kosten der Abwasserbehandlung unter Kontrolle halten wollte“, berichtet Elmar Billenkamp.

Hinzu kommt der Trend, dass sich vor allem große Unternehmen zunehmend eigene Umweltziele setzen, die sie im Rahmen von Nachhaltigkeitsstrategien erreichen wollen. Dabei kann ZLD eine wichtige Rolle spielen. „Deutsche Automobilhersteller gehören hier zu den Vorreitern, die sich oftmals sehr strikte Vorgaben für die Entsorgungsmengen ihrer industriellen Abwässer auferlegen“, schildert Thomas Dotterweich, Senior Projektingenieur Vertrieb bei der auf die Aufbereitung von Industrieabwasser spezialisierten H2O GmbH aus Steinen/Deutschland.

Abwasser-Konzentrate können wirtschaftlich interessant sein

Je nach Inhaltsstoffen des behandelten Abwasserstroms können durch ZLD-Verfahren außerdem konzentrierte Feststoffe, Schlämme und Flüssigkeiten entstehen, die sich nicht nur sicher entsorgen, sondern unter Umständen mit einem wirtschaftlichen Vorteil verwenden oder verkaufen lassen. „Beispielsweise ist es bei Salzbadhärtereien möglich, das Konzentrat einer Vakuumdestillationsanlage erneut im Produktionsprozess einzubinden, sodass wertvolle Rohstoffe eingespart werden“, beschreibt Dotterweich. Ein anderes, besonders wirtschaftliches Konzept realisierte ein Automobilzulieferer in Mexiko. Die dort über ZLD anfallenden, hoch ölhaltigen Konzentrate lassen sich zur Energieerzeugung verbrennen, sodass das Unternehmen mit dem Verkauf der Konzentrate sogar noch Geld verdienen kann.

Industrielle Wasserkreisläufe – ein Kernthema der IFAT Munich 2022

Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung zählen zu den größten Ausstellungsbereichen der IFAT Munich. Die Weltleitmesse für Wasser, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft findet vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 auf dem Münchener Messegelände statt. Nicht nur an vielen Firmenständen, sondern auch im umfangreichen Vortrags- und Diskussionsprogramm wird die Kreislaufführung von Wasser bei industriellen Produktionsvorgängen – bis hin zu Zero Liquid Discharge – zu den Kernthemen zählen.