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06.04.2022 | Energie

Nachhaltige Finanzierung der Wärmewende

STANDPUNKT der Geschäftsführer von STIEBEL ELTRON, Dr. Nicholas Matten und Dr. Kai Schiefelbein.

Dr. Nicholas Matten und Dr. Kai Schiefelbein (links nach rechts)

Die Entwicklungen im Energiepreissektor angesichts der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine führen nur umso mehr vor Augen, wie dringend der Umbau der europäischen Energiesysteme hin zu den erneuerbaren Energien und damit zu weitgehender Unabhängigkeit ist. Die Diskussionen über eine nachhaltige Finanzierung der Wärmewende haben mit der Ukraine-Krise nicht an Bedeutung verloren, sondern im Gegenteil an Brisanz zugenommen. Es geht um eine radikale Abkehr von fossilen Brennstoffen - ob zur Erreichung der Klimaschutzziele oder für mehr Unabhängigkeit.

Im Gebäudesektor sind diese Klimaschutzziele äußerst ambitioniert, europäisch wie national. Selbst der heutige Neubaustandard in Deutschland gemäß Gebäudeenergiegesetz (GEG) gereicht nicht dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes. Ein Neubau von heute wird somit schnell zum Sanierungsfall von morgen.

Neben der Mammutaufgabe der praktischen Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle, der Umstellung auf eine effiziente und erneuerbare Wärmeerzeugung und der Dekarbonisierung der Energiebereitstellung insgesamt, türmt sich ein dafür benötigtes Finanzvolumen auf, dass nach neuen Werkzeugen verlangt. Zentraler Baustein dieser Werkzeuge ist die CO2-Bepreisung. Zum einen ist es so möglich, die einzelne Investitionsentscheidung zu beeinflussen, indem die Wirtschaftlichkeit von Technologien auf Basis fossiler Energieträger gemindert wird. Der Klimaschaden bekommt einen Preis, die externen Kosten werden internalisiert.

Gleichzeitig ist es möglich, so die für die Wärmewende benötigen Finanzmittel zu generieren. „Im Kleinen“ funktioniert das in Deutschland über das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) und den Energie- und Klimafonds (EKF) der Bundesregierung. Die über das BEHG generierten Mittel fließen u.a. in die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), dienen zur Gegenfinanzierung der Abschaffung der EEG-Umlage oder können als Grundstock für die Auszahlung eines „Klimageldes“ genutzt werden. Die nationale Regelung im BEHG läuft vorerst bis 2025.

Im großen europäischen Rahmen soll der ETS 2, der Emissionshandel für die Bereiche Verkehr und Gebäude, ab Mitte des Jahrzehnts dann diesen Zweck erfüllen. Ihm angeschlossen ist über den Social Climate Fund (SCF) auch ein entsprechender Umverteilungsmechanismus. Schaut man sich die nationalen Ziele an, die jeder Mitgliedsstaat über seinen individuellen Fahrplan als NECP (Nationaler Energie- und Klimaplan) nach Brüssel eingereicht hat, wird klar, dass es ohne eine funktionierende CO2-Bepreisung und breite staatliche Finanzierung der Wärmewende nicht gehen wird.

„Eine funktionierende CO2-Bepreisung“ ist dann auch das Stichwort, wenn es um den von der EU-Kommission  im letzten Juli vorgelegten Entwurf für den ETS 2  und die vom Berichterstatter, Peter Liese (CDU/EVP), in den federführenden Umweltausschuss des Europaparlamentes eingebrachten Änderungsvorschläge geht. Derzeit haben die Vorschläge zur Einführung eines ETS 2 schlechte Aussichten. Im Parlament gibt es eine deutliche Ablehnung durch Grüne und Sozialdemokraten, viele NGOs positionieren sich ebenfalls dagegen, und von einer absehbaren Mehrheit im Europäischen Rat kann nicht die Rede sein.

Die Notwendigkeit des Instrumentes kann dabei nicht ernsthaft bestritten werden, auch nicht die Notwendigkeit, die Wärmewende staatlich finanziell zu unterstützen und auch nicht, dass es im Falle der Gebäude eine deutliche soziale Komponente geben muss. Diese Notwendigkeit einer sozialen Komponente zur Abfederung hoher Energiepreise und zur Unterstützung von Investition in Gebäude gilt gleichermaßen innerhalb der Mitgliedsstaaten als auch europäisch betrachtet  über Ländergrenzen hinweg, vor allem in Richtung Ost- und Südeuropa. Von daher scheint es in der politischen Debatte nicht so sehr um das „Ob“ eines Emissionshandels im Gebäudebereich zu gehen -  als vielmehr um das „Wie“. Ein weiteres Argument für die Ausweitung des ETS auf den Energieverbrauch im Wärmemarkt ist, dass der Energieträger Strom bereits seit Jahren im ETS 1 enthalten ist und damit ein ungleicher Wettbewerb mit den fossilen Energieträgern besteht, den es aufzulösen gilt.

Bei der Ausgestaltung des ETS 2 ist unter anderem darauf zu achten, dass eine weiterhin freie Zuteilung von Zertifikaten für große Energieverbraucher im ETS 1 nicht zulasten der privaten Energieverbraucher im ETS 2 geht, in welchem eine Komplettversteigerung der Zertifikate und keinerlei freie Zuteilung vorgesehen ist.

Der ETS 2 benötigt einen Preiskorridor, der sowohl zu niedrige und damit im Blick auf die Klimaziele „unwirksame“ Zertifikatspreise ausschließt, und gleichzeitig ein spekulatives Ausreißen der Preise nach oben verhindert.

Die europäischen Finanzinstrumente wie der „Social Climate Fund“ oder „NextGeneration EU“ müssen einen ausreichenden Teil der Einnahmen aus dem Emissionshandel erhalten. Gleichzeitig muss  eine stringente Verpflichtung eingeführt werden, dass die bei den Mitgliedsstaaten verbleibenden Einnahmen aus dem ETS 2 für Energie- und Klimaschutzmaßnahme mehrheitlich für Haushalte mit niedrigem Einkommen verwandt werden. Für Deutschland heißt das auch, dass über die Einführung einer einkommensabhängigen Förderung nachgedacht werden sollte.

Über den Social Climate Fund oder NextGeneration EU würde es auch möglich, die Kosten der Wärmewende ein Stück weit auf die Schultern der starken Volkswirtschaften zu verteilen. Gerade diese Volkswirtschaften, wie zum Beispiel Deutschland, werden von einer Sanierungswelle in Europa doppelt profitieren: direkt dank des Exports der entsprechenden Technik und indirekt, weil eine Sanierungswelle Jobs bspw. im Handwerk überall in Europa schafft und damit Wertschöpfung und Wohlstand. Nur ein zentrales europäisches Instrument gewährleistet diesen allgemeinen Ansatz. Verbleibt die CO2-Bepreisung ein individuelles Mittel der Nationalstaaten, entfällt der notwendige Finanztransfer innerhalb Europas.

Wer also in Deutschland Angst vor dem Social Climate Fund hat, vielleicht mit den Bildern der „Gelbwesten-Proteste“ in Frankreich im Kopf, verkennt die Wirkung einer nachhaltig finanzierten Wärmewende nicht nur für das Klima, sondern vor allem auch für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum – bei gleichzeitiger Reduzierung der Abhängigkeit von Energieimporten nach Europa.

Auf dem Weg zu einem europäischen Emissionshandel wäre es wie von Ariadne-Projekt vorgeschlagen hilfreich, die Regelungen im BEHG an die erhöhten Klimaziele des Fit-for-55 Paketes anzugleichen und die Versteigerungsphase zeitlich vorzuziehen. In Ergänzung zu einem europäischen Emissionshandel sollte national ein begleitender CO2-Mindestpreis vorbereitet werden, für den Fall anfänglich niedriger Preise im EU-Emissionshandel.

Der ETS 2 ersetzt nicht ordnungsrechtliche Vorgaben wie Mindesteffizienzanforderungen an die Heiztechnik gemäß Eco-Design oder die Mindestanforderungen an die Qualität der Gebäude gemäß EPBD etc. Er ist aber der „Missing Link“, das noch fehlende Instrument zur Investitionslenkung, um die Wärmewende im Gebäudebereich zu realisieren. Die über den ETS 2 zu generierenden Finanzmittel sind wahrscheinlich der Katalysator zur Umsetzung der politischen Maßnahmen und der Erreichung einer klimaneutralen und damit auch sicheren und preiswerten Wärmeversorgung der Gebäude in Deutschland und Europa.