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23.09.2021 | Allgemeine Meldungen

Müssen wir jetzt alle gendern?

Ein Überblick über die Rechtslage zur Gendersprache in Privatwirtschaft und öffentlich-rechtlicher Verwaltung

Rund 60% der Deutschen halten eine Gendersprache für unwichtig. Viele Germanisten betrachten die Anwendung des Genderings kritisch. Innerhalb der Parteien gibt es diesbezüglich keinen Konsens. Selbst der öffentlich-rechtlichen Verwaltung bereitet die Verwendung einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Sprache Probleme. Ein Blick in die Gesetze und die Rechtsprechung sorgt für mehr Klarheit darüber, wann das Gendern Pflicht ist.

Die Frage um die Notwendigkeit des Genderns befindet sich aktuell wieder verstärkt in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion. Es handelt sich hierbei jedoch um kein Novum, sondern um eine Diskussion, die bereits Ende der 1970er Jahre entfachte. Sinn und Zweck, damals wie heute, ist die gleiche und faire Behandlung von Frauen und Männern im Sprachgebrauch. Es geht mithin um die Verwendung einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Sprache.

Dies ist sicherlich bereits ein guter Grund für das Gendering, und es ist bei weitem nicht der einzige Grund pro Gendersprache. Allerdings gibt es auch eine Vielzahl an Gründen und Argumenten, die gegen das Gendern sprechen – zumindest mit den aktuell herrschenden Ansätzen. Denn ein wesentlicher Teil der heute maßgeblich verwendeten Ansätze ist eher veraltet, und zwar in einer Art und Weise, dass sie selbst nicht gendergerecht und diskriminierungsfrei sind. Denn sie berücksichtigen nicht die im Jahr 2018 rechtlich eingeführte dritte Geschlechtsoption „divers“, unter der etwa non-binäre Menschen fallen. Es geht also um die Verwendung von Ausdrücken wie „Bürgerinnen und Bürgern“, „BürgerInnen“ und „Bürger*innen“.

Die letzte Variante gehört zum Ansatz der mehrgeschlechtlichen Schreibweise, zu der außerdem auch Bürger:innen, Bürger­_innen und Bürger(innen) gehören. Dieser Ansatz erfreut sich immer größer werdender Beliebtheit, ist aber nicht unumstritten, da er kaum mit der öffentlichen Pflicht zur Barrierefreiheit vereinbar ist. Diese Pflicht trifft Bund, Länder und die öffentliche Verwaltung aufgrund der EU-Richtline 2016/2102 vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen.

Diese Pflicht zur digitalen Barrierefreiheit sorgt somit zusätzlich für Kontroversen rund um die Frage um die Notwendigkeit des Genderns.

Da die konkrete Umsetzung der Gendersprache nach wie vor sehr umstritten ist, gibt es auch keine Pflicht zur Gendersprache für Privatpersonen. Dies gilt grundsätzlich auch für die in der Privatwirtschaft tätigen Unternehmen, Zeitungen etc. Nicht jedoch für Bund, Länder und die öffentliche Verwaltung, die aufgrund Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, der auch die sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern zum Inhalt hat, grundsätzlich einer Pflicht zur Verwendung einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Sprache unterliegen; zumindest soweit dies mit der Pflicht zur digitalen Barrierefreiheit in Einklang zu bringen ist.
Zu beachten ist jedoch, dass eine entsprechende Pflicht zur Verwendung einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Sprache an Schulen und Hochschulen aus verschiedenen Gründen indes nicht besteht, schlechtere Benotungen aufgrund Nicht-Genders also gerichtlich angreifbar sind.
Es bedarf somit zwingend einer einheitlichen Linie, die zwar gerne auch ein Kompromiss für alle darstellen kann, jedoch jedem auch etwas gibt und niemanden benachteiligt oder vernachlässigt – wie die non-binären und sonst diversen Geschlechter oder blinde und sehbehinderte Personen.

Zum ausführlichen Rechtsbeitrag: siehe Link