Public Manager
23.06.2021 | Digitalisierung, Umfragen, Weiterbildung

Corona-Krise verstärkt den Druck auf Digitalisierung im Bildungssystem

Das Homeschooling, also der Schulunterricht per Laptop oder Tablet von zuhause aus teilnehmen, während der Coronavirus-Pandemie hat die mangelhafte Digitalisierung des deutschen Bildungssystems deutlich zutage treten lassen.

Wie stehen die Schüler:innen selbst zum Thema Bildung? Diese und weitere Fragen hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) jungen Wähler:innen mit Blick auf das „Superwahljahr 2021“ gestellt, und zwar in zwei Befragungen im Sommer 2020 und im Januar 2021. Aus den Befragungsergebnissen leitet PwC drei Handlungsempfehlungen für politische Entscheider:innen ab. Die Ergebnisse und Empfehlungen hat PwC nun in einer Publikation mit dem Titel „Wir müssen reden! Über Bildung“ veröffentlicht.

Eines der Kernergebnisse: Bildung steht bei den jungen Menschen hoch im Kurs – trotz oder gerade wegen ihrer Erfahrungen während COVID-19.

„Die Landung von Marssonden ist digital erlebbar, Schulunterricht vielfach nicht.“

PwC hat 16- bis 35-jährige deutsche Staatsbürger unter anderem danach befragt, über welche Themen sie sich regelmäßig informieren. 45 Prozent von ihnen nannten „Schule, Ausbildung, Hochschule und Bildung insgesamt“ – das am zweithäufigsten genannte Thema, nach „Umwelt und Klima“ (52 Prozent) und vor „Gesundheit“ (42 Prozent).

Prof. Dr. Rainer Bernnat, Leiter des Bereichs Öffentlicher Sektor bei PwC Deutschland, sagt: „Bildung ist nach wie vor zentral für junge Wähler:innen, sicherlich auch, weil die ernüchternden Defizite der Digitalisierung in der Corona-Krise offensichtlich geworden sind. Ein weiteres Jahr auf bildungspolitischer Sparflamme können wir uns nicht leisten.“ Und Dr. Wolfgang Zink, Partner im Bereich Öffentlicher Sektor bei PwC Deutschland, sagt: „Wir können heute die Landung von Marssonden digital und in Echtzeit erleben, Schulunterricht aber vielfach nicht – diesen Missstand gilt es dringend zu beheben.“

Berufliche Orientierung und (bundeseinheitliche) Digitalisierung gewünscht

Nach ihren konkreten Interessen bei Bildung und Weiterbildung befragt, nannten 78 Prozent der jungen Menschen „bessere Angebote zur beruflichen Orientierung in Schule und Hochschule“, 76 Prozent „bestmögliche Schulbildungs-, Berufsausbildungs- und nebenberufliche Fortbildungsmöglichkeiten“ und 75 Prozent „mehr digitale Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten“. 72 Prozent befürworten sogar, dass „der Bund deutschlandweit die Bildung und deren Digitalisierung vorantreibt und vereinheitlicht“ – dass also die Bundesländer bestimmte Befugnisse an den Bund übertragen. „Das Verständnis, dass es in jedem Bundesland eigene Regeln zur Bildung und insbesondere zu ihrer Digitalisierung gibt, hat während der Pandemie stark gelitten“, kommentiert Dr. Wolfgang Zink von PwC.

Drei PwC-Handlungsempfehlungen für die Politik

Ausgehend von den Befragungsergebnissen entwickeln die PwC-Experten drei Handlungsempfehlungen für politische Entscheider:innen, um die Digitalisierung des Bildungsangebots in Deutschland voranzutreiben.

Erstens brauche es eine ganzheitliche Zukunftsstrategie für das deutsche Bildungssystem statt einzelner Digitalisierungsmaßnahmen. Der Bund solle nicht nur als Impulsgeber und Förderinstanz auftreten, sondern im Zuge einer neuen Föderalismus-Kommission Basiskomponenten und Lehr-/Lernangebote zur Verfügung stellen können. In Abstimmung mit der Kultusministerkonferenz sollte, so die Experten, ein ständig weiterzuentwickelndes Rahmenkonzept für Mindestanforderungen an digitale Ausstattung, Angebote und Kompetenzen entwickelt werden.

Zweitens müsse die Politik die Digitalisierung im Bildungssektor auch nach der Coronavirus-Pandemie weiter vorantreiben. Nach wie vor gebe es nicht an allen Schulen digitale Lernsoftware und Plattformen. „Es kann nicht sein, dass es vom individuellen Engagement der Lehrkräfte abhängt, ob Online-Unterricht gelingt oder nicht“, betont Dr. Wolfang Zink von PwC. Denn digitale Angebote blieben wichtig, weil sie helfen könne, soziale Ungleichheit bei der Bildung abzubauen, etwa mit Onlineförderangeboten oder dem Erwerb von Digitalkompetenzen. Auch Investitionen beispielsweise des Digitalpakts bzw. Sofortprogramms müssten verlängert werden, da Endgeräte schon nach wenigen Jahren veralten.

Drittens schließlich sei es politische Pflicht, Bildungsangebote gleichberechtigt zugänglich zu machen. Prof. Dr. Rainer Bernnat von PwC sagt: „Die Coronakrise hat einmal mehr offenbart, dass junge Menschen aus bildungsfernen Schichten und mit Migrationsgeschichte am stärksten benachteiligt sind. Das können wir, auch aus volkswirtschaftlicher Sicht, nicht länger hinnehmen.“