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27.02.2021 | Energie

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Der nationale CO2-Zertifikatehandel beginnt - Stadtwerke müssen jetzt handeln

Mit dem Beginn dieses Jahres werden Abgaben auf jede Tonne emittiertes CO2 nicht nur wie bisher für Energieerzeugung und Kraftwerke fällig, sondern auch bei Wärme und Verkehr. Das bedeutet, dass Stadtwerke als Gaslieferanten für Endverbraucher von den neuen Regelungen betroffen sind:

Sie werden am nationalen Emissionshandelssystem (nEHS) teilnehmen und sollten deshalb zeitnah die erforderlichen Vorbereitungen dafür treffen. Die Maßnahmen sind Teil von Deutschlands Klimazielen und sollen dazu beitragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Mit dem 1. Januar 2021 ist das nationale Emissionshandelssystem nEHS eingeführt worden – es ist an das Energiesteuergesetz angedockt und fällt unter den gesetzlichen Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) vom 20. Dezember 2019. Mit dem nEHS sollen in Deutschland die Klimaziele, die im Rahmen des Pariser Abkommens weltweit beschlossen wurden, umgesetzt werden: Die Bundesrepublik soll bis 2050 klima- und treibhausgasneutral sein und so dazu beitragen, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Da die Wissenschaft CO2 und andere Treibhausgase wie Ammoniak und Methan als Ursache der Erderwärmung ausgemacht hat, soll ihr Ausstoß deutlich reduziert werden.

Bereits seit 2005 gibt es ein europäisches Handelssystem für die Bereiche Energieerzeugung und Kraftwerk. Jeder Betreiber einer Anlage muss pro Tonne emittiertem CO2 ein Zertifikat erwerben, das im Emission Trading System (ETS) gehandelt wird. Die neue nationale Regelung umfasst nun erstmals auch die Bereiche Verkehr und Wärme. Diese machen rund zwei Drittel des Bedarfs an der Gesamtenergie und somit auch der CO2-Emissionen aus – alle CO2 verursachenden Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Heizöl, Kohle oder Erdgas werden mit Abgaben belegt. Durch die Verknüpfung an das Energiebesteuerungssystem ist jeder, der Abgaben zu leisten hat, auch verpflichtet, das Energiehandelssystem nEHS zu bedienen.

Ziel ist es, bis 2030 55 Prozent weniger Treibhausgase im Vergleich zu 1990 auszustoßen, wobei sogar diskutiert wird, eher 65 Prozent anzustreben, da mit den festgelegten 55 Prozent die Pariser Klimaziele wahrscheinlich nicht eingehalten werden können. Mit den Einnahmen aus den Abgaben auf CO2-Zertifikate des Klimaschutzprogrammes der Bundesregierung sollen zukunftsfähige Technologien oder Sanierung von Bestandsgebäuden gefördert und entwickelt werden. Die Mehrbelastung der Bürger durch ansteigende Preise an den Tankstellen oder beim Heizöl sollen über Anreize zum Beispiel beim Kauf von E-Autos, der Gebäudesanierung oder der Nutzung des ÖPNV aufgefangen werden.

Noch kostet die Tonne CO2 25 Euro

Am 17. Januar 2021 lag der CO2-Preis pro Tonne für das europäische Handelssystem bei 25 Euro. An diesem Preisniveau sollte sich das nEHS orientieren. Da für das nationale Energiehandelssystem noch kein Markt existiert, wurde bis 2025 ein Festpreis für die Tonne CO2 vorgegeben, der schrittweise ansteigt: von 25 Euro (2021), 30 Euro (2022), 35 Euro (2023), 45 Euro (2024) bis 55 Euro im Jahr 2025. Ab 2026 soll der Festpreis dann in ein Handelssystem münden, für das die Bundesregierung zunächst noch Leitplanken in Form von Ober- und Untergrenzen setzt: 55 bzw. 65 Euro. Ab 2028 soll dann der Marktmechanismus die Preise frei regeln. Man rechnet dabei mit steigenden Niveaus: Da die maximalen Mengen des CO2-Ausstoßes über die Reduktionsziele bekannt sind, werden die zur Verfügung stehenden Zertifikate immer weniger und in der Folge steigt ihr Preis. Das Ziel für Unternehmen muss folglich sein, möglichst frühzeitig weniger CO2 zu emittieren. Der Handel stellt deswegen einen wichtigen Schritt zu einer klimafreundlicheren Politik dar, auch wenn etliche gesellschaftliche Kosten des Klimawandels dort noch gar nicht eingepreist sind.

Als Gaslieferanten werden Stadtwerke das nEHS bedienen

Die neuen Abgaben für die Mineralölwirtschaft sind leicht zu erfassen: In den Raffinerien werden aus Rohstoffen Brennstoffe gemacht und diese werden gemäß der Menge verzollt oder mit Abgaben belegt. Im Falle von Erdgas stellt sich die Lage anders dar: Dieses wird ohne Handelsbarrieren wie Zoll oder Grenzkontrollen über Pipelines direkt zum Erstabnehmer geliefert. Deswegen ist jeder, der Gas an Endkunden verkauft, verpflichtet, am nationalen Handelssystem teilzunehmen. Das betrifft rund 8000 Unternehmen in Deutschland und vor allem Stadtwerke, die traditionell als Gaslieferanten sogenannte Inverkehrbringer sind.

Um am nEHS teilzunehmen, müssen Stadtwerke zunächst ein Registerkonto bei der Deutschen Emissionshandelsstelle DEHSt einrichten. Es stellt die Kommunikationsverbindung zum Handelssystem dar. Die Handelsstelle ist beim Umweltbundesamt (UBA) angesiedelt, das bereits den nationalen Teil des europäischen Handelssystems ETS abwickelt.

In jeder Handelsperiode wird ein Überwachungsplan für das UBA erstellt, wie viel Brennstoff von den Stadtwerken in Verkehr gebracht wurde und wie viel CO2 darüber entstanden ist. Zum 31. Juli jedes Jahres wird auf Basis des Plans der Emissionsbericht erstellt, der von einem zertifizierten Prüfer abgenommen werden muss. Dieser vollzieht Stoff- und Warenströme nach und verifiziert sie. Bis zum 30. September müssen dann auf Basis des Berichts die notwendigen CO2-Zertifikate gekauft und anschließend an die deutsche Emissionshandelsstelle übergeben werden.

Handlungsempfehlung für Stadtwerke

Jedes Stadtwerk, das Kunden mit Gas beliefert, sollte deswegen zeitnah einen Status Check vornehmen und seine Verträge und Mengen durchgehen. Viele Stadtwerke liefern auch Gas an Heizkraftwerke, die jedoch bereits im europäischen Handelssystem erfasst sind. Deswegen ist es wichtig zu analysieren, welche Gasmengen wo erfasst werden und welche für den nationalen Emissionshandel relevant sind. Zwar gilt die Rechenschaftspflicht für die Menge CO2, die 2021 ausgestoßen wurde, erst im Jahr 2023. Dennoch ist ein Monitoring schon jetzt notwendig, da Stadtwerke sonst keine Nachweise vorhalten können – und im Worst Case mit Schätzungen übergeordneter Behörden samt Versäumniszuschlag rechnen müssen. Da auf Basis des Monitorings auch die Liquiditätsplanung erstellt wird, sollten Unternehmen Rückstellungen für den Kauf der Zertifikate bilden, da diese sich sofort auf die Liquidität auswirken können.

Stadtwerke sollten zudem jetzt die notwendige Kommunikationsstruktur aufbauen und ihre Schnittstellen mit dem UBA und der Emissionshandelsstelle verbinden. Außerdem ist die Einrichtung des Formularmanagementsystems der DEHSt, einer Art virtueller Poststelle notwendig. Für das Kontenmanagement schreibt der Gesetzgeber die Benennung von verantwortlichen Kontobevollmächtigten vor. Es ist zumindest ein streng reguliertes Compliance-Konto einzurichten, auf dem die Zertifikate aufbewahrt und fristgerecht an die DEHSt abgegeben werden. Zusätzlich können Handelskonten für den Austausch der Zertifikate mit anderen Emittenten beantragt werden. Alle Konten können ab März 2021 eröffnet werden, der Einkauf von Zertifikaten wird dann ab dem Spätsommer möglich sein.

Um die Fristen einzuhalten, sollten Stadtwerke jetzt entsprechend Personal und Kompetenzen aufbauen oder einen Dienstleister beauftragen.

Es kann sinnvoll sein, sich für die Anforderungen des nEHS einen Partner an die Seite zu holen. Die Energiewende Consult ew-con zum Beispiel unterstützt Stadtwerke mit einem Initial-Workshop, um erste Handlungsbedarfe individuell festzustellen. Darauf setzt eine Prozessberatung auf, um wirtschaftliche und prozessuale Auswirkungen zu identifizieren, bestimmte Teile des nationalen Handels gegebenenfalls in das europäische ETS zu überführen oder allgemein Liquidität anders zu gestalten. Auch der Kommunikationsaufbau mit dem UBA, die Konteneinbindung und das Aufsetzen der Prozesse werden geklärt. Stadtwerke brauchen früh Klarheit, um keine Fehler im Liquiditätsmanagement zu machen.

Die Chancen des nEHS

Das nEHS bietet für Unternehmen einen Korridor und Zielanreiz, um an der Aufgabe der CO2-Reduktion teilzuhaben. Denn, während der Preis für CO2 planbar ansteigt, werden erneuerbare und regenerative Energieträger immer günstiger. Stadtwerke haben so die Chance, sich auf den Weg in die CO2-Neutralität zu machen und ihre Planung langfristig auszurichten. Welcher Wärmebedarf muss gedeckt werden, wieviel CO2 setzt er frei, kann Gas durch Wasserstoff oder Biogas ersetzt werden? Wie können Wärmenetze effizienter gestaltet werden, welche Potenziale haben Kraftwärmekopplung und Brennstoffzellen? So lauten mögliche Fragen und zukunftsträchtige Investitionsfelder. Wichtig: Auch Stadtwerke können auf den Fördertopf der Bundesregierung zugreifen, der von dem Erlös der Zertifikate gespeist wird und auf diese Weise ihren Gestaltungsspielraum erweitern.

Fazit

Mit dem nEHS geht Deutschland einen weiteren Schritt in Richtung Erfüllung der Klimaziele. Der nationale Zertifikatehandel umfasst nun auch die Emissionen im Bereich Wärme und Mobilität. Stadtwerke sollten sich jetzt mit diesem Thema befassen und die nötigen Weichenstellungen vornehmen, um rechtzeitig am Handelssystem teilnehmen zu können.