Public Manager
20.08.2021 | Stadtplanung

Stadt, Land, Frust? Wie nachhaltige Regionalentwicklung in St. Wendel gelingt

Landflucht und Leerstand auf der einen, steigende Mieten und Wohnungsmangel auf der anderen Seite. Klingt wie eine Binsenweisheit? Fest steht: In der breiten Wahrnehmung gelten Metropolen als zukunftsorientierter, attraktiver Lebensraum. Ländliche Räume haben hingegen mit Vorurteilen zu kämpfen: Verödende Infrastruktur oder fehlender Digitalisierungswillen sind dabei nur einige der negativ besetzten Stichworte.

Uwe Luther, Dezernent für Bildung, Infrastruktur und Sicherheit (Foto: Uwe Luther)

Andreas Köninger, Geschäftsführer der SinkaCom AG (Foto: SinkaCom AG)

Dass es aber durchaus anders geht und periphere Regionen mit den Großstädten der Nation konkurrieren können, zeigt der Landkreis St. Wendel. „Als eine vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ausgewählte Modellregion entwickeln und erproben wir auf Landkreisebene sogenannte strategische und integrierte Smart-Region-Ansätze“, sagt Uwe Luther, Dezernent für Bildung, Infrastruktur und Sicherheit des Landkreises St. Wendel. Ein viel beachtetes Projekt ist dabei „Smart Village – Gut versorgt im Sankt Wendeler Land“. „Mit der SinkaCom AG, einem Digitalisierungsspezialisten, und der regional ansässigen CEMA UG wissen wir für dieses Projekt zwei starke Partner an unserer Seite.“

Menschen im Mittelpunkt Gemeinnützige Bürgerdienste, digitale Nahversorgung, aktive Mitgestaltung des Dorflebens und agile Mobilität: Um die Zukunft von St. Wendel und damit das Leben in ländlichen Regionen lebenswert zu gestalten, setzt der Landkreis auf ebendiese vier Schwerpunkte. Ziel ist es dabei, die Lebensverhältnisse auf dem Land denen in der Stadt anzupassen und so insbesondere Angebotsverschiebungen in den Bereichen Infrastruktur, Arbeit, Freizeit und Kultur und damit dem Wegzug von jungen, gut ausgebildeten Menschen entgegenzuwirken. „Um hier Anreize für einen attraktiven Lebensraum zu schaffen, haben wir auf Basis der KeepFresh-Plattform unsere Lösung entwickelt“, erzählt Uwe Luther. „Dabei stehen Aspekte wie eine nachhaltigere Regionalentwicklung und zukunftsfähige Dienstleistungen im Fokus.“ Mit dem digitalen Marktplatz, der als regionale Nahversorgungsplattform fungiert, versuchen die Beteiligten ausgehend von der Landkreisebene Strukturen bedarfsgerecht zu revolutionieren, sich ortsübergreifend zu vernetzen und bestehende Versorgungslücken im Ökosystem der ländlichen Gemeinschaft zu schließen. Grundgedanke des Projekts ist es, im ersten Schritt insbesondere Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs online bestellen zu können. Ob Fleisch vom Metzger oder frische Milch vom Bauern – das Konzept trägt mit der Onlineshop-Funktion seinen Anteil zur Nahversorgung bei und stärkt lokale Erzeuger und den lokalen Handel nachhaltig. Möglich macht dies die integrierte Bestell- und Bezahlplattform. „Um für die Nutzer ein reibungsloses Einkaufserlebnis zu gewährleisten, optimieren wir die Prozesse von der Bestellung über die Zusammenstellung der Warenkörbe, das Umpacken in den Verteilzentren, die Transporte in die Dörfer bis hin zur Rücknahme der Verpackungseinheiten“, erklärt Andreas Köninger, Geschäftsführer der SinkaCom AG. Anschließend können die gewünschten Produkte einfach dem Warenkorb hinzugefügt werden. Jetzt gilt es nur noch die ortsabhängigen Bestellfristen zu beachten, anschließend holen die Anwohner ihre Lieferung an einem konkret vorgegebenen Tag am definierten Treffpunkt ab – schon ist der Wocheneinkauf erledigt, ganz ohne Schlangestehen.

In Richtung Zukunft Die benutzerfreundlich strukturierte Plattform schafft eine digitale Schnittstelle zwischen Händlern sowie Verbrauchern und steht aktuell zehn Dörfern zur Verfügung. Um einer zukunftsfähigen Dienstleistung gerecht zu werden, ist das gesamte Projekt CSR-zertifiziert. „Ziel ist ein fertiges, funktionierendes Konzept, das sich auf ganz Deutschland übertragen lässt“, unterstreicht Uwe Luther. „Als Zukunftsvision gilt es das Projekt in einer Smart-Wendeler-Plattform zu etablieren. Denkbar wäre unter anderem das bereitstellen von digitalen Pflegediensten, Telemedizin oder Altersassistenzsystemen.“ Doch bereits jetzt profitieren die Einwohner von den sich bietenden Möglichkeiten: Mit ihrem OnlineGroßeinkauf sparen sie nicht nur Zeit oder erhalten ihre Lebensmittel, sondern können vor Ort soziale Kontakte knüpfen. Auch für die Händler ergeben die Optionen der Hybridvermarktung neue Chancen. Sie sind nicht mehr allein auf Laufkundschaft angewiesen, vielmehr bauen sie sich mit dem Onlinehandel ein zweites Standbein auf.