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30.11.2020 | Gebäudemanagement, Stadtplanung, Weiterbildung

In Hochschulstädten steigen in der Corona-Pandemie die Zimmerpreise

Im jetzt auch mit den Vorlesungen begonnenen Wintersemester 2020/2021 müssen Studierende erneut mehr Geld fürs Wohnen ausgeben. „Nicht trotz, sondern gerade wegen der Corona-Pandemie setzt sich der seit sechs Jahren andauernde Aufwärtstrend fort“, sagt Dr. Stefan Brauckmann, Direktor des Moses Mendelssohn Instituts (MMI).

Die Wissenschaftler haben in Kooperation mit dem Immobilienportal WG-gesucht.de die Preise in allen 97 Hochschul-Standorten mit mindestens 5.000 Studierenden untersucht. Für Dr. Brauckmann ist das Ergebnis überraschend: „Da Seminare und Vorlesungen aktuell fast ausschließlich als digitale Veranstaltungen angeboten werden und zudem viele ausländische Studierende in ihren Heimatländern bleiben, haben wir eigentlich mit einem Rückgang der Nachfrage und Preise gerechnet. Doch mehrere Faktoren überlagern diesen Effekt und sorgen dafür, dass die durchschnittliche Miete für ein WG-Zimmer gestiegen ist, von 389 Euro im vergangenen Jahr auf nun 400 Euro.“  Preis-Spitzenreiter ist laut der Analyse von MMI und WG-gesucht.de München mit 650 Euro. Dort ist der Wohnungsmarkt auch am stärksten angespannt, vor Hamburg, Stuttgart, Frankfurt am Main (trotz diesmal leicht gesunkenem Preis), Köln und Berlin (siehe Anhang). Diese Wohnkosten der Studierenden wurde nun seit 2013 zum achten Mal vorgenommen. Ein Fokus lag diesmal auf den Folgen der Pandemie für das Studentische Wohnen.

MMI-Direktor Dr. Stefan Brauckmann kennt die Gründe für die unerwartete Entwicklung. Der dämpfende Effekt durch Studierende, die wegen Online-Vorlesungen gar keine Wohnung mehr vor Ort suchen, wird durch andere Entwicklungen mehr als aufgehoben. „So nimmt die Zahl der Studierenden zu, weil es den Schulabsolventen wegen der Corona-Pandemie an planbaren Alternativen, wie Auslandsaufenthalten, Praktika oder Ausbildungsstellen mangelt. Viele junge Menschen wollen trotz der Pandemiebeschränkungen das Elternhaus verlassen und Erfahrungen am Hochschulort sammeln.“ Und so steigen die WG-Mieten in diesem Jahr relativ vor allem in Städten, in denen der Anteil der internationalen Studierenden bisher geringer ist. Denn hier ist der Preisdämpfungs-Effekt durch die ausbleibende internationale Wohnungsnachfrage weniger ausgeprägt. Als Beispiele nennt Dr. Brauckmann Lüneburg (von 350 auf 385 Euro), Kempten (von 330 auf 370 Euro) und Koblenz (von 310 auf 350 Euro). „Hier kommt eine solche Entwicklung überraschend“, so Dr. Brauckmann: „Im Schnitt sind in Städten mit geringer Internationalisierung der Hochschulen die Preise um 15 Euro beziehungsweise 4,1% gestiegen. An Hochschulorten mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil ausländischer Studierender hingegen haben sich die Preise zurückhaltender entwickelt. Diese sind jetzt nur 1% beziehungsweise fünf Euro höher als 2019.“

Die Analysten im MMI rechnen jedoch damit, dass sich die gegenwärtige Zurückhaltung bei ausländischen Studierenden wahrscheinlich bald umkehren wird. Denn in Deutschland sind die einschränkenden Maßnahmen noch weit geringer als in manchen anderen Ländern und das Gesundheitssystem relativ stabil.

Dass sich trotz Corona die Lage am studentischen Wohnungsmarkt nicht entspannt hat, zeigt eine weitere Beobachtung. Obwohl der Beginn des Wintersemesters vielerorts in den November verschoben worden ist, waren die typischen Effekte in den Märkten für kleinere Wohnungen und Zimmer in Wohngemeinschaften wie in den Vorjahren erkennbar: „Zu Beginn eines Wintersemesters stößt in einem sehr kurzen Zeitraum eine große Nachfrage auf ein begrenztes Angebot,“ erklärt Annegret Mülbaier, Sprecherin von WG-Gesucht.de, dem führenden Vermittlungsportal von Mietwohnungen und WG-Zimmern. „In der Zeit von März bis April haben wir wie viele andere Immobilienportale auch einen kurzfristigen Einbruch sowohl bei den Angeboten als auch bei der Nachfrage gesehen. Seit Mitte August beobachten wir eine Trendwende. Im September wurde mit 12,2 Millionen Besuchern das Vorjahresniveau auf WG-Gesucht.de sogar übertroffen.“ 

Zimmer in Wohngemeinschaften sind ein aussagekräftiger Indikator für die Entwicklung an den Studentischen Wohnungsmärkten: „WG-Zimmer liegen in der Regel preislich zwischen dem geförderten Wohnheimplatz und einer allein bewohnten Kleinwohnung. Mehr als ein Drittel der Studierenden (rund 37 %), die nicht bei den Eltern wohnen, leben in einer Wohngemeinschaft. Bei den meisten Angeboten finden wir zudem eine faire Verteilung der realen Gesamtkosten (inklusive Strom und Internet) ohne Gewinnerzielungsabsicht der Mitbewohner vor. Die Angebotsdichte in Vergleich zu den Suchanfragen gibt uns darüber hinaus weitere Hinweise auf die Attraktivität bestimmter Lagen und Preisniveaus“, verdeutlicht Dr. Brauckmann: „Diese Ergebnisse lassen sich dann auf andere Teilsegmente des Studentischen Wohnens übertragen. Damit ist unser Modell sehr dicht am realen Marktgeschehen, anders als virtuelle Berechnungen, bei denen nur die allgemeinen Mietpreise von größeren Einheiten durch die Zahl der möglichen WG-Bewohner geteilt werden.“

Der seit der ersten deutschlandweiten Erhebung in 2013 vom MMI beobachtete Preisanstieg betrug insgesamt 23,5% oder 76 Euro. „Diese Werte liegen deutlich über der Teuerungsrate von durchschnittlich 1,4%  im Jahr, und ca. 6,9% über die gesamte Zeitspanne betrachtet. Selbst in einer so extremen Situation wie der Corona-Pandemie setzt sich dieser Trend fort.“

Auffällig ist dabei: An den zehn Hochschulorten mit den angespanntesten Wohnungsmärkten muss mittlerweile mit Wohnkosten von über 500 Euro gerechnet werden. Hier studieren etwa 775.000 Personen. Das ist mehr als jeder vierte Studierende „Für Studierende, die auf BAföG oder einen Nebenverdienst angewiesen sind, wird dieses essenzielle Problem in Pandemie-Zeiten noch verschärft. Denn die Nebenverdienstmöglichkeiten etwa in der Gastronomie oder in Freizeit-Einrichtungen sind stark eingeschränkt. Hier muss dringend Abhilfe durch eine Ausweitung günstigerer Angebote sowie passgenaue Unterstützung der jungen Menschen geschaffen werden. Ansonsten entscheidet noch mehr als schon bisher das Elterneinkommen über den Hochschulort und die späteren Beschäftigungsperspektiven“, so Dr. Brauckmann.