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15.06.2020 | Energie

Windenergieausbau in Baden-Württemberg stärker vorantreiben – Energiewende beschleunigen

Zum Global Wind Day heute am 15.06.2020, dem internationalen Aktionstag der Windenergiebranche, zieht der BWE-Landesverband Baden-Württemberg Bilanz zur hiesigen Situation und zeigt Chancen der heimischen Windenergienutzung im Südwesten auf.

Die baden-württembergische Landesregierung hat sich beim Ausbau der Windenergie ambitionierte Ziele gesetzt: Bis 2030 soll die installierte Windenergieleistung insgesamt 5,5 Gigawatt betragen. Das entspricht einem jährlichen Zubau von 350 Megawatt durch etwa 100 Windenergieanlagen. Umsetzen lasse sich das jedoch nur durch den Abbau bestehender Hürden, so die baden-württembergische Landesgeschäftsstelle des Bundesverbandes der WindEnergie e.V. (BWE). Sie fordert, bei der Aktualisierung des Integrierten Energie- und Klimaschutzgesetzes (IEKK) die Flächenverfügbarkeit zu erhöhen, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und einen Regionalisierungsbonus bei Ausschreibungsverfahren im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu integrieren. Auch der Artenschutz müsse stärker in Einklang mit der Windenergieplanung gebracht werden.

„Nur klare Rahmenbedingungen ermöglichen einen Ausbau der Windenergie, eine beschleunigte Energiewende und somit die Begrenzung der Klimakrise. Darüber hinaus trägt die heimische Windenergie zu einer nachhaltigen, sicheren und sozialverträglichen Energieversorgung bei und garantiert Kommunen Arbeitsplätze und Wertschöpfung“, sagt Erhard Schulz, stellvertretender Vorsitzender des BWE-Landesverbandes Baden-Württemberg.

Regionalisierungsbonus bei EEG-Ausschreibungsverfahren

Die Bilanz für die Windenergiebranche in Baden-Württemberg fällt aktuell nicht positiv aus: In den ersten EEG-Ausschreibungsrunden 2017 gab es trotz vieler Gebote keine Zuschläge für baden-württembergische Vorhabenträger. Insgesamt gingen bis heute lediglich 2,8 Prozent der deutschlandweiten Zuschläge nach Baden-Württemberg. Der Grund: Im bundesweiten Wettbewerb sind die kostenintensiveren süddeutschen Standorte noch nicht konkurrenzfähig. Die geringen Gebots- und Zuschlagwerte führen auch dazu, dass kaum noch Gebote durch baden-württembergische Vorhabenträger abgegeben werden - so konnten auch die ersten beiden EEG-Ausschreibungsrunden im Jahr 2020 insgesamt nur drei Zuschläge für Windenergieprojekte im Südwesten aufweisen. Das Klimakabinett der Bundesregierung hat im Klimaschutzprogramm 2030 deshalb ein Instrument für die regionale Ausbausteuerung integriert. Dieser sogenannte Regionalisierungsbonus zeigt allerdings nur Wirkung, wenn er nicht nur preis- sondern auch mengenbasiert ausgestaltet wird. „Im EEG-Ausschreibungsverfahren und der Strompreisgestaltung sind zukunftsfähige Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen“, fordert Erhard Schulz, „denn Windstrom in Baden-Württemberg spart beträchtliche Stromtransportkosten.“

Genehmigungsverfahren vereinfachen und Hemmnisse beseitigen

Problematisch gestaltet sich für Vorhabenträger aus der Windbranche vor allem, dass aktuell kaum Genehmigungen ausgesprochen werden oder bereits erteilte Genehmigungen wegen Klage- oder Widerspruchsverfahren nicht bestandskräftig sind. Seit dem Jahreswechsel kommt für baden-württembergische Projektierer hinzu, dass für Waldstandorte die bisherigen Landesvorgaben zur separaten Waldumwandlungsgenehmigung vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) in Mannheim als rechtswidrig erklärt wurden. Diese Entscheidung wirkt sich auf laufende sowie zukünftige Planungen aus und belastet Vorhabenträger finanziell, berichtet Sandra Majer, Leiterin der BWE-Landesgeschäftsstelle Baden-Württemberg: „Unsere Umfrage ergab insgesamt 18 betroffene Vorhaben mit einer Leistung von 275 Megawatt. Wenn wir die Energiewende in Baden-Württemberg nicht ausbremsen wollen und den Klimaschutz ernst nehmen, ist zwingend der Genehmigungsstau in den Behörden aufzulösen, die Verfahren sind zu vereinfachen und bestehende Hemmnisse abzubauen.“

Flächenverfügbarkeit erhöhen

Neben den fehlenden Genehmigungen ist die ungenügende Flächenausweisung für Windenergiestandorte ein großes Hemmnis für den weiteren Ausbau. Die BWE-Landesgeschäftsstelle Baden-Württemberg verweist dabei auf die jüngste Windpotenzialstudie des Landes: Sie zeige, dass das flächenreiche Land Baden-Württemberg über ein großes Potenzial an windhöffigen Standorten verfügt. Diese würden jedoch bislang nicht ausreichend durch die regionale oder kommunale Planung bereitgestellt. „Mindestens zwei Prozent der Fläche sind auf Bauleitplanebene für Neuanlagen zu verankern“, meint Erhard Schulz. Zusätzlich seien Lösungen für Repowering-Projekte, also für den Ersatz von Altanlagen durch neuere und effizientere Technik, in der Flächenbereitstellung zu berücksichtigen. „Pauschale Abstandregelungen, wie sie aktuell auf Bundesebene diskutiert werden, reduzieren die landesweite Flächenverfügbarkeit um weit mehr als 40 Prozent und verhindern den Ausbau der Windenergie“, mahnt Sandra Majer.

Natur- und Artenschutz und Windenergienutzung in Einklang bringen


Ein weiteres entscheidendes Hindernis des Windenergieausbaus sieht der BWE-Landesverband Baden-Württemberg in den behördlichen Auslegungen des Natur- und Artenschutzes. Die Anforderungen nehmen immer weiter zu und erschweren die Planung: Das betrifft nicht nur die Vorgaben für Gutachten und Genehmigungsunterlagen, sondern auch die Vorsorge- und Kompensationsmaßnahmen. „Dabei sind die Maßstäbe beispielsweise zur Bestandserfassung und Risikobewertung von Tierarten gar fehlend oder uneinheitlich geregelt und berücksichtigen nicht die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die höchstrichterliche Rechtsprechung oder die Erfahrungen aus der Praxis“, sagt Sandra Majer.
Vor allem im derzeitigen Aktualisierungsprozess der Planungshinweise der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) bestehe die Chance durch fundierte Grundlagenarbeit eine Verbesserung für den Artenschutz im Einklang mit Windenergieplanungen zu erreichen. „Hierbei muss gelten: Arten- vor Individuenschutz. Nur mithilfe einer einfacheren und sichereren Auslegung der LUBW-Planungshinweise kann der weitere Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg ermöglicht werden und einen bedeutenden Beitrag zum überlebenswichtigen Klimaschutz für die heimischen Vogel- und Tierarten leisten“, so Sandra Majer weiter.

Auch in der Corona-Krise: Windenergiebranche ist Motor der heimischen Wirtschaft


Während der Corona-Krise haben sich Windenergieanlagen als zuverlässige Stromproduzenten erwiesen und neben beträchtlichen Stromsteuerzahlungen an den Bundesfiskus insbesondere örtliche Gemeinden mit fortlaufenden Gewerbesteuerzahlungen gestützt. „Glücklich können sich in der Corona-Krise die Kommunen mit Windenergieanlagen schätzen, die keinen Shutdown verzeichneten“, weiß Erhard Schulz. Neben steuerlichen und finanziellen Vorteilen für Kommunen und deren Bürger ist die Windenergiebranche in Baden-Württemberg ein wichtiger Motor der heimischen Industrie. „Dies muss die Wirtschaftspolitik mehr wertschätzen: Die über 4.500 Arbeitsplätze wichtiger Zulieferer aus Baden-Württemberg sind auch wichtige Zulieferer der wachsenden Offshore-Windenergie“, appelliert Erhard Schulz.