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25.01.2019 | Digitalisierung, Nutzfahrzeuge - Elektro-Mobilität

Probleme sind Lösungen - 10 Jahre E-Technologieprogramm iKT EM des Bundeswirtschaftsministeriums

Hohe CO2-Werte, Stickoxide, Feinstaub, Pendler-Ströme, Parkplatz- und Verkehrschaos – die zunehmende Mobilität fordert ihren Tribut, vor allem in den Ballungszentren. An praktischen Lösungen für einige dieser Probleme forscht das Technologieprogramm IKT für Elektromobilität des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) seit 2009

Im Mittelpunkt dabei stehen die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), denn nur sie erlauben die ressourcenschonende Steuerung der künftigen Mobilität. Seit 2016 erproben rund zwei Dutzend Projekte Ansätze für elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge im IKT EM-Programm (III). Einige IKT EM-Projekte haben ihre Praxistauglichkeit schon unter Beweis gestellt. Manche sind auf einem guten Weg, oft unsichtbar für ihre Anwender, etwa bei Fragen der Ladesäuleninfrastruktur, der Netzstabilität oder beim Flottenmanagement. In der vorläufig letzten Phase des IKT EM-Programms bis Ende 2020 kommen ab Januar drei weitere Projekte hinzu: ABSOLUT, FRESH und ERIKA.

„eMobility-Scout”, „Hub Chain”, „LokSmart! Jetzt2“ – nur die wenigsten Projekte des  IKT EM-Technologieprogramms tragen selbsterklärende Namen. „LokSmart! Jetzt2“ beispielsweise testet die dezentrale Stromversorgung bei gewerblichen Fahrzeugen. Kürzlich hat in diesem Pilotprojekt die Bäckerei Schüren aus Haan (Rheinland) einen VW-Bulli aus dem Jahr 1975 umgerüstet. Der Elektro-Bulli liefert aus seiner Fahrbatterie Strom für Beleuchtung, Kasse, Kaffee- und Brotschneidemaschine und dient nun als mobiler Verkaufsstand für entferntere Stadtteile. Der Elektro-Bulli bezieht seinen Strom aus überwiegend regenerativen Stromquellen, den so genannten „Smart Grids“.  Smart Grids sind lokale, teils autarke Energieerzeuger, die ihren Strom beispielsweise aus Sonnenenergie oder Blockheizkraftwerken beziehen. In den Feldversuchen sind insgesamt zwölf Elektrofahrzeuge beteiligt, an denen auch bidirektionales DC/DC-Schnellladen erprobt wird. Neben der Bäckerei Schüren sind Autos eines Ingenieurbüros und eines Eventveranstalters beteiligt. Das Projektteam will herausfinden, wie ein effizienter Betrieb kleiner gewerblicher Elektroflotten in lokalen Energienetzen (Smart Grids) funktioniert, aus denen Strom bezogen aber – und das wäre ein deutschlandweiter Meilenstein – auch wieder zurückgespeist werden kann. Und zwar, ohne dass das lokale Verteilernetz zusammenbricht. 

Doch was in der Theorie bestechend einfach klingt, stößt in der Praxis auf zahlreiche technische und rechtliche Schwierigkeiten. Welchen Spielraum zum Beispiel lassen gegenwärtige rechtliche Bestimmungen beim Laden von Elektrofahrzeugen? Wer darf wann und wie abrechnen? Wie lassen sich Ladegeräte verlässlich und rechtskonform eichen?   

IKT EM: Ein Technologieprogramm des Bundes mit Begleitforschung 

Dies sind nur einige der zentralen Fragen, die sich bei der Planung und Einführung neuer Technologien und innovativer Antriebe stellen. Das IKT EM-Programm des Bundes ist bereits 2009 angetreten, um Hürden und Fallstricke der Elektromobilität in der Praxis zu eruieren und zu überwinden. IKT für Elektromobilität ist angewandte Forschung in der Praxis, die von wissenschaftlicher Begleitforschung immer wieder reflektiert und vorangetrieben wird. Im Rahmen der Begleitforschung unterstützen der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) und das Deutsche Dialoginstitut (DDI) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums die Pilotprojekte beim Technologie- und Wissenstransfer. Ziel ist es aber nicht, fertige Produkte oder Dienstleistungen zu generieren – vielmehr geht es darum, Vorstufen zum „Markthochlauf“ konkreter Anwendungen zu definieren und die Forschungsergebnisse den Projektteams zur Verfügung zu stellen. Projektpartner dürfen natürlich das erworbene Know-how nach Projektschluss als Geschäftsmodell in die wirtschaftliche Praxis überführen. Schließlich ist die wirtschaftliche Marktgängigkeit und Rentabilität der begleiteten Projekte oberstes Ziel des Programms. 

Für Querschnittsfragen hat die Begleitforschung von VDE und DDI Fachgruppen eingerichtet, die sich regelmäßig mit sehr speziellen technischen, juristischen oder ökonomischen Fragen befassen. Dort erworbene Kenntnisse stehen allen Projekten und auch der externen Öffentlichkeit zur Verfügung – und machen das Projekt zur lernenden Organisation. Auch Gesetze und Verordnungen stehen im Visier des IKT EM-Technologieprogramms. Dort, wo alte Gesetze den elektromobilen Fortschritt behindern, formulieren Juristen Vorschläge für zeitgemäße Gesetze. 

„IKT für Elektromobilität“, so Peter Wüstnienhaus vom Projektträger DLR, „unterstützt mit seinen Ergebnissen maßgeblich den Markthochlauf der Elektromobilität in Deutschland. Besonders wichtig sind die Fachgruppen des Programms, die noch in der vorwettbewerblichen Phase etwa Fragen zum Eichrecht an Ladesäulen oder zum Lastmanagement abstimmen. Das schafft Planungssicherheit für die notwendigen Investitionen“, so Wüstnienhaus. 

Traktor am Elektrokabel – Landwirte fahren mit selbst erzeugtem Strom 

Zu den Vorzeigeprojekten des IKT EM-Programms zählt der Vorgänger des aktuellen Projekts „FRESH“, das die Logistik im Hamburger Containerhafen Altenwerder von diesel- auf elektrisch betriebene Container-Fahrzeuge umgestellt hat. Dieses Modell wird inzwischen international nachgefragt. Erfolgreich beispielsweise war auch „Adaptive City Mobility”, das einen neuen CITYeTaxi-Prototypen hervorgebracht hat oder „GridCON“, das große Landmaschinen mit einem Elektrokabel ausstattet – als Alternative zum Diesel-Verbrenner und mit landwirtschaftlich erzeugtem, regenerativem Treibstoff. 

Das Investitionsvolumen des aktuellen IKT EM-Technologieprogramms, das im Regierungsprogramm „Elektromobilität“ eingebettet ist, beträgt im Zeitraum zwischen 2015 und 2021 bei 148 Projektpartnern 152 Millionen Euro, darin enthalten sind 72 Millionen Euro Eigenanteil der Projektpartner. 

Rückblick – von IKT EM I bis IKT EM III 

Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit seinen Technologieprogrammen „IKT für Elektromobilität I und II“ die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) als Schlüssel für den Erfolg der Elektro­mobilität definiert. So startete 2009 das erste Förderprogramm, das bis Ende 2011 prototypische und wirtschaftliche Lösungen in der Elektromobilität in umfassenden Feldver­suchen erforscht hat. Sieben Modellprojekte haben Beiträge zur Entwicklung und Erprobung offener Systemansätze geliefert, bei denen Elektromobilität mit Informations- und Kommunikationstechnologien optimal in Verkehrs- und Energie­netze eingebunden wurde. Die damaligen Projektteams untersuchten IKT-basierte Lade-, Steuerungs- und Abrechnungsinfrastrukturen und darauf aufbauende Geschäftsmodelle, Dienste, Normen und Stan­dards in Theorie und Praxis. 

Die Ergebnisse zeigten schon damals, dass die Erfolgschancen der Elektromobilität in Deutschland steigen, wenn die bis dahin weitgehend autonomen Bereiche Fahrzeug, Verkehr und Energie systemisch durch Informations- und Kommunikationstechnologien zusammengeführt werden. Deshalb setzte das BMWi den Schwerpunkt des folgenden Technologieprogramms „IKT für EM II“ auf Smart Car, Smart Grid und Smart Traffic. Mit einem Fördervolumen von rund 80 Millionen Euro erzielte das Programm bereits damals mit 18 Projekten wegweisende Ergebnisse, die auch fürs aktuelle IKT EM-Programm mit Gewerbefahrzeugen relevant sind.