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06.08.2019 | Beschaffungspraxis

EMI: Industrieproduktion im Juli dramatisch eingebrochen

Der kräftige Rückgang bei den Auftragseingängen, insbesondere im Exportgeschäft, hat das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland im Juli so stark schrumpfen lassen wie seit sieben Jahren nicht mehr. Das zeigen die aktuellen Umfrage-Ergebnisse zum IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI).

Wie in anderen Ländern der Eurozone hat der Abschwung nun auch Deutschland erreicht. Der PMI für die Industrieproduktion ist den siebenten Monat in Folge unter die 50-Punkte-Marke gefallen. (Foto: pixabay.com)

Mit 43,2 Punkten nach 45,0 im Juni rutschte der PMI aktuell noch tiefer in den roten Bereich. Gleichzeitig liegt der wichtige Frühindikator für die Industrieproduktion der größten Volkswirtschaft Europas bereits den siebenten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten, teilte der englische Finanzdienstleister IHS Markit in London mit.  

„Die Lage der deutschen Wirtschaft verschlechtert sich zusehends. Das belegen die aktuellen PMI-Daten“, sagte Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) am Dienstag in Eschborn. Es sei zu hoffen, dass der weiter solide wachsende Servicesektor die anhaltende Talfahrt der Industrie, wenn nicht aufhalten, so zumindest bremsen könne. 

„Die Abwärtsbewegung der deutschen Industrie hat sich laut EMI im Juli fortgesetzt. Es ist zu vermuten, dass neben strukturellen Themen insbesondere der Handelsstreit zwischen den USA und China auch in Deutschland seine Spuren hinterlässt“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Dienstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Sollte sich dieser weiter fortsetzen, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die rezessiven Tendenzen in der Industrie verstärkt werden. „Trump hat uns somit in der Hand“, teilte die Helaba-Bankdirektorin dem BME abschließend mit. 

„Deutschland treffen gerade die Kollateralschäden der globalen Handelsstreitigkeiten mit voller Wucht. Obwohl Europa nicht im Mittelpunkt dieser Streitigkeiten steht, leidet die deutsche Industrie am globalen Fallout“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Dienstag dem BME. Weltweit führen Unternehmen ihre Investitionspläne herunter, und das bekomme die deutsche Industrie massiv zu spüren. Die deutsche Volkswirtschaft sei sehr exportabhängig mit einem Schwerpunkt auf Investitionsgütern sowie einem starken Fokus auf die USA und China. 

„Das außenwirtschaftliche Umfeld wird rauer für die deutschen Unternehmen. Immer mehr Handelshemmnisse, der Brexit oder Sanktionen erhöhen die Unsicherheiten für hiesige Betriebe“, teilte DIHK-Außenwirtschaftsexperte Kevin Heidenreich am Dienstag dem BME mit. Die Exporterwartungen seien so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das habe auch negative Auswirkungen auf die Investitions- und Beschäftigungsabsichten der Unternehmen. Ein Ende der außenwirtschaftlichen Herausforderungen sei derzeit nicht in Sicht. Das drücke auf die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft. Heidenreich weiter: „Die Betriebe benötigen deshalb hierzulande Rückenwind für mehr Investitionen und Innovationen: Dazu gehören Entlastungen bei Bürokratie, ein schnellerer Ausbau bei der Verkehrs- und IT-Infrastruktur und eine Unternehmenssteuerreform.“ 

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise sagte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Dienstag dem BME: „Die aktuelle Ankündigung von Präsident Trump weitere Strafzölle auf chinesische Einfuhren zu erheben, dürfte zusätzlichen Druck auf die Rohstoffpreise ausüben und sie unterschiedlich tangieren. So sehen wir nur begrenztes Potenzial für weiter nachgebende Stahlpreise.“ Seit Jahresbeginn hätten die Eisenerzpreise auf dem Spotmarkt um rund zwei Drittel angezogen, was laut Büchner auch zu entsprechend höheren Kontraktpreisen führen dürfte. „Dies sollte zumindest stabile bis leicht steigende europäische Stahlpreise zur Folge haben. Die weitere Entwicklung der Rohölnotierungen hingegen hängt primär von den Auswirkungen der Marine-Mission der USA und verbündeter Staaten in der Straße von Hormus ab. Das aktuelle Förderniveau sorgt für weitgehend stabile Preise. Ein kräftiger Militärschlag könnte zu Kosten von bis zu 80 US-Dollar je Barrel Brent führen“, so Büchner abschließend. 

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick: 

Industrieproduktion: Die Produktionssteigerungsrate ist im Juli zum sechsten Mal hintereinander zurückgegangen. Zudem beschleunigte sich der Rückgang gegenüber dem Vormonat noch und war der zweitkräftigste der vergangenen sieben Jahre (knapp hinter dem vom März 2019). Beim Aufschlüsseln der Daten nach Teilsektoren zeigte sich, dass die Produktion im Vorleistungs- sowie Investitionsgüterbereich signifikant geschrumpft ist. Die Hersteller von Konsumgütern widersetzten sich abermals dem Abwärtstrend und verbuchten kräftige Zuwächse.  

Auftragseingang insgesamt/Export: Die deutschen Hersteller verzeichneten im Juli erneut ein Minus im Auftragseingang, was die Umfrageteilnehmer mit verzögerten Entscheidungen, dem härteren Wettbewerb und der grundsätzlich geringeren Nachfrage begründeten. Viele der befragten Manager nannten zudem die Automobilindustrie als besonderen Schwachpunkt. Nachdem sich die Rückgangsrate über das zweite Quartal hinweg verlangsamt hatte, beschleunigte sie sich nun wieder auf den schlechtesten Wert seit April. Bei den Teilsektoren zeigte sich die gleiche Entwicklung wie bei der Produktion.

Die erneute Verschlechterung zu Beginn des dritten Quartals lag zumindest teilweise am starken und beschleunigten Rückgang der Exportaufträge. Der entsprechende saisonbereinigte Teilindex sackte im Vormonatsvergleich deutlich ab und notierte auf dem tiefsten Stand seit über einem Jahrzehnt. Wie einige Umfrageteilnehmer angaben, ging der Absatz in Europa, aber vor allem in China merklich zurück. Und auch hier wurde oft der schwächelnde Automobilsektor zitiert.  

Beschäftigung: Die Abwärtstrends bei Produktion und Neuaufträgen wirkten sich auch auf die Beschäftigung aus, da viele Unternehmen bestrebt waren, Überkapazitäten abzubauen. Deswegen wurde bereits den fünften Monat in Folge ein Rückgang der Mitarbeiterzahl registriert, der sich im Vergleich zum Vormonat sogar noch beschleunigte und so stark ausfiel wie zuletzt vor sieben Jahren. Umfrageteilnehmer, die einen niedrigeren Personalstand meldeten, gaben oft an befristete Verträge nicht verlängert beziehungsweise Stellen von altersbedingt ausgeschiedenen Kollegen nicht nachbesetzt zu haben. 

Einkaufs-/Verkaufspreise: Den Antworten einiger Umfrageteilnehmer zufolge spitzt sich der Wettbewerb zwischen den Lieferanten zu. Zudem wächst die Anzahl der Käufermärkte für Materialien und Teile. Demnach verbilligten sich die durchschnittlichen Einkaufspreise den dritten Monat in Folge und mit der stärksten Rate seit April 2016. Artikel mit niedrigerem Preis waren unter anderem Chemikalien, Kunststoff, Stahl und Stahlprodukte.

Die Kombination aus wachsendem Wettbewerbsdruck und sinkenden Einkaufspreisen veranlasste die deutschen Hersteller im Juli erstmals seit fast drei Jahren dazu, ihre Verkaufspreise zu senken. Damit steht der aktuelle Trend im krassen Gegensatz zu den starken Inflationsraten, die 2018 um diese Zeit registriert wurden. Der leichte Rückgang insgesamt geht größtenteils auf Preisnachlässe bei Produzenten von Vorleistungs- und Investitionsgütern zurück. Im Konsumgüterbereich wurde zwar ein Anstieg verzeichnet, dieser fiel aber deutlich geringer aus als im Juni.  

Jahresausblick: Zu Beginn des dritten Quartals ist der Anflug von Optimismus der Einkaufsmanager aus dem Vormonat wieder verflogen. So stürzte der Teilindex Geschäftsausblick regelrecht ab und signalisierte nach dem Neunmonatshoch vom Juni den größten Grad an Pessimismus seit Oktober 2012. Kommentaren einiger Umfrageteilnehmer zufolge wachsen die Bedenken über eine Abschwächung der Binnenkonjunktur und der Weltwirtschaft. Zudem äußerten sich viele zum wiederholten Male zum besorgniserregenden Zustand der Automobilbranche und deren fehlender Zugkraft.  

Über den EMI: Der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird vom Anbieter von Unternehmens-, Finanz- und Wirtschaftsinformationen IHS Markit mit Hauptsitz in London erstellt und beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern/Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (Markit U.S.-PMI).