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14.11.2018 | Beschaffungspraxis

BME: Globalisierung und Digitalisierung fordern Einkauf heraus

„Die zahlreichen Risiken und Unsicherheiten im internationalen Umfeld bremsen die Unternehmensaktivitäten spürbar ein. Zunehmender Protektionismus und daraus resultierende Handelskonflikte sowie die ungeklärte Brexit-Frage, sind Sand im Getriebe der globalen Lieferketten"

Künftig gewinnen nicht die besseren Unternehmen, sondern die besseren Netzwerke", so Dr. Silvius Grobosch, BME-Hauptgeschäftsführer auf der BME-Pressekonferenz. (Foto: Tanja Marotzke/Peter-Paul Weiler/BME e.V.)

sagte Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Mittwoch auf der traditionellen Pressekonferenz anlässlich des 53. BME-Symposiums Einkauf und Logistik in Berlin. Die geopolitischen Störfeuer verunsicherten die Märkte und würden immer mehr zu einer Belastung der Weltwirtschaft.  

Neben der voranschreitenden Globalisierung zwinge vor allem die stetig schneller werdende Digitalisierung ganzer Liefer- und Wertschöpfungsketten den Einkauf zum Handeln. Denn, so Grobosch weiter: „Er soll künftig Schrittmacher dieses Prozesses und aktiver Wegbereiter der digitalen Vernetzung zwischen mehreren Unternehmen sein. Seine Erfahrung hilft ihm, die neue Qualität in der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Firmen erfolgreich durchzusetzen.“ Dabei gelte auch für den Einkauf: Nur wer sich die digitalen Möglichkeiten zunutze mache, könne die Potenziale in Risiko- und Lieferantenmanagement, Controlling, Kostenoptimierung und Performance Management optimal ausschöpfen. Deshalb habe der BME seinen diesjährigen Fachkongress unter das Motto „TRANSFORMATION JETZT!“ gestellt. In zahlreichen Plenen, Podiumsdiskussionen und Fachkonferenzen werden rund 100 namhafte Referenten aus Politik und Wirtschaft mit den 2.000 Tagungsteilnehmern an allen drei Veranstaltungstagen über die Einkaufs- und Supply-Management-Organisation der Zukunft diskutieren. 

Vor diesem Hintergrund stellte Grobosch die aktuellen Rahmenbedingungen sowie die neusten Trends in Einkauf und Supply Chain Management aus Sicht des BME näher vor: 

Deutscher Konjunkturmotor verliert an Drehzahl

Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist zwar nicht mehr so kräftig, aber grundsätzlich weiter intakt. So wird beispielsweise die Lage am Arbeitsmarkt von Experten als anhaltend günstig eingestuft. Allerdings büßt die Industrieproduktion zunehmend an Schwung ein, wie der aktuelle IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) bestätigt. Danach ist der deutsche PMI im Oktober mit nur noch 52,2 um 1,5 Punkte gegenüber September auf ein 29-Monatstief gefallen! Einer der Hauptgründe: Erstmals seit Ende 2014 verzeichneten die deutschen Industrieunternehmen im Oktober einen Rückgang der Neuaufträge. 

Handelskonflikte setzen auch den Rohstoffmärkten zu

Angesichts der anhaltenden internationalen Spannungen geraten die Rohstoffpreise zunehmend unter Druck. Währungsturbulenzen und eingetrübte Wachstumsaussichten wichtiger Schwellenländer bergen Ansteckungsgefahren, so dass die Stimmung an den Rohstoffbörsen vorerst gedämpft bleibt.

Die einzelnen Rohstoffmärkte bewegen sich weiter in unterschiedlichen Welten

Während sich die Basismetalle zuletzt schwächer entwickelten, ziehen die Rohölpreise gegen den allgemeinen Trend deutlich an: Ursache ist ein knapp versorgter Markt und ein temporäres Absinken der US-amerikanischen Rohölvorräte unter die Marke von 400 Millionen Barrel. Als echter Preistreiber erweisen sich jedoch die US-Sanktionen der Trump-Regierung gegenüber Iran. Längst geht unter den Marktteilnehmern die Angst vor einer Angebotsverknappung um. Denn die Drohungen aus dem Weißen Haus Richtung Teheran werden mit Sicherheit zu einem deutlichen Rückgang der iranischen Ölexporte führen. Zur Erinnerung: Iran ist drittgrößter OPEC-Produzent.

Im Gegensatz zu den Energierohstoffen notieren die Basismetalle – übrigens sehr zur Freude industrieller Einkäufer – schon längere Zeit schwächer. Vor allem die Sommermonate haben deutschen Verarbeitern von Metallen wie Kupfer und Aluminium deutliche finanzielle Entlastungen gebracht. Wie bei den Energierohstoffen leiden auch die Metallpreise unter dem wachsenden Protektionismus.  

Mit aktivem Risikomanagement den Wertbeitrag des Einkaufs steigern

Big Data, Digitalisierung, Globalisierung: Die Lieferkette hat sich zur Hauptschlagader für die Produktion entwickelt. Mit der hohen Abhängigkeit von der Supply Chain steigt allerdings auch die Gefahr von massiven Störungen im Geschäftsablauf. Spätestens jetzt ist ein zukunftsgerichtetes Risikomanagement gefragt, das in den vergangenen Jahren neben der Realisierung von Einsparungen einen prominenten Platz auf der Agenda der Einkaufsmanager eingenommen hat. Einer Umfrage von riskmethods und BME zufolge haben 81 Prozent der befragten Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten Störungen in der Lieferkette registriert, die eine Unterbrechung in der Versorgung auslösten. Jedes dritte Ereignis schlug mit mindestens einer Million Euro Schaden zu Buche. Der Ausfall eines kleinen Zulieferers kann heute Großkonzerne ins Wanken bringen. Ein reaktives Risikomanagement, wie es oftmals immer noch betrieben wird, ist nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr trägt eine pro-aktive und vorausschauende Risikoüberwachung dazu bei, die zur reibungslosen Produktion erforderliche Versorgung des Unternehmens mit Rohstoffen und Materialien sicherzustellen, die eigene Reputation zu schützen, Umsätze zu sichern und dabei gleichzeitig Kosten einzusparen. Genau hier kann der Einkauf ansetzen und erfolgreich als Werttreiber und Innovator für sein Unternehmen agieren. 

Digitale Transformation im Zeichen globaler Netzwerke

Der Prozess der digitalen Transformation lässt bereits heute deutlich erkennen: Globale Netzwerke werden die Zukunft bestimmen. Die Onventis GmbH, Hochschule Niederrhein und BME haben in einer gemeinsamen Studie ausgewählte Unternehmen zur Relevanz digitaler Netzwerke im Einkauf befragt. Ergebnis: Eine große Mehrheit erhofft sich davon klare Marktchancen und will verstärkt in diesen Bereich investieren. Ohne Vernetzung keine Zukunft, ohne Kollaborations-Plattformen keine Vernetzung.

Die Automatisierung von Beschaffungsprozessen sowie die durchgängige Vernetzung von Einkäufern und Lieferanten sind vor allem für KMU wettbewerbsentscheidend. Ziel der digitalen Transformation ist es, Innovationen im Sinne eines Wertschöpfungsnetzwerkes gemeinsam voranzutreiben. Dieser Ansatz geht weit über bisher schon realisierbare innerbetriebliche Optimierungsmaßnahmen hinaus. Netzwerke im Einkauf ermöglichen zudem neue Allianzen und Partnerschaften zur Realisierung kundenspezifischer Lösungen.  

SCM ist der Garant für den Erfolg von Industrie 4.0

In vielen Unternehmen wird derzeit das Supply Chain Management (SCM) neu gedacht. Disruptive Technologien wie zum Beispiel 3-D-Druck, das Internet der Dinge, Automatisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Cloud Computing oder Blockchain – um nur einige wenige Game Changer zu nennen – versprechen Verbesserungspotenziale und Chancen. Gleichzeitig aber trifft man häufig noch auf Unternehmen, die ohne eine klare Definition der Tätigkeit und des Aufgabengebiets eines Supply Chain Managers arbeiten. Eine Struktur beziehungsweise eine eindeutige Supply-Chain-Organisation ist meist nicht vorhanden. Folglich können so auch die Chancen der neuen Technologien nicht mit maximalem Erfolg eingesetzt und genutzt werden.

Die verantwortlichen Supply Chain Manager stehen in den nächsten Jahren vor der Herkules-Aufgabe, die Digitalisierung ganzer Liefer- und Wertschöpfungsketten voranzutreiben. Es geht um nichts Geringeres als die noch stärkere Vernetzung aller Glieder der Supply Chain. Kommunikation in Echtzeit ist dabei das A und O, effiziente Software, KI und kompatible Schnittstellen der digitale Schlüssel zum geschäftlichen Erfolg. Nur so lassen sich die im Internet der Dinge schlummernden Effizienz- und Kostenvorteile nutzen. Leider ist noch nicht allen Supply Chain Managern bewusst, welchen konkreten Nutzen eine umfassende Digitalisierung ihrer Lieferketten mit sich bringt. Der BME wird seine Mitglieder deshalb auch im kommenden Jahr in zahlreichen Veranstaltungen über die bestehenden Chancen und Herausforderungen eines modernen SCM informieren. 

Internationalisierung des BME

Der BME hat die im Verband organisierten Einkäufer, Logistiker und Supply Chain Manager auch 2018 bei ihren Auslandsaktivitäten unterstützt. So organisierte der Einkäuferverband beispielsweise mit der AHK Mailand im Frühjahr erstmals B2B-Gespräche zwischen deutschen Industrieunternehmen und italienischen Lieferanten. Der „1st Meet Italy’s Best Sourcing Day“ soll nach seiner erfolgreichen Premiere am 19. März nächsten Jahres fortgesetzt werden. Veranstaltungsort ist erneut Mailand.

Die Beschaffungsregion Osteuropa bleibt ein Schwerpunkt der BME-Auslandsaktivitäten. So erhielt beispielsweise das Mitte Oktober in Prag durchgeführte 5th CEE Procurement & Supply Forum erneut regen Zuspruch. Sehr erfolgreich war auch die 4. Einkaufsinitiative Westbalkan. Mitte Juni konnten die Organisatoren der eintägigen Fachveranstaltung in der IHK Frankfurt nicht nur erstmals Lieferanten aus allen Ländern des Westbalkans begrüßen, sondern auch einen Rekord vermelden: Mit mehr als 500 B2B-Gesprächen zwischen deutschen Einkäufern und potenziellen Lieferanten wurde die größte Anzahl von B2B-Meetings erzielt, die der BME und das deutsche Kammernetzwerk jemals auf dem Westbalkan organisiert haben.

Ein weiterer Meilenstein ist die vom Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft (OAOEV), dem BME und der AHK in Moskau initiierte Einkaufsinitiative Russland. Ziel der Aktion ist es, russische Lieferanten für Waren und Dienstleistungen mit deutscher Hilfe fit zu machen und sie in die internationalen Lieferketten zu integrieren.

Ein weiteres Highlight im Rahmen der BME-Auslandsaktivitäten ist mit dem Namen „Procure2Innovate“ verbunden. 2017 hatte der Einkäuferverband den Zuschlag für das ambitionierte EU-Förderprojekt erhalten, der Kick-off fand Mitte Februar dieses Jahres in Brüssel statt. Ziel der von der EU-Kommission begleiteten und auf vier Jahre befristeten Initiative ist die Vernetzung neuer und bereits bestehender Kompetenzzentren für die öffentliche Beschaffung in Europa. Hierbei geht es vor allem um mehr Innovationen. Der BME übernimmt dabei die Koordinations- und Kommunikationsfunktion.  

Weiterhin große Aufmerksamkeit widmet der BME seinen China-Aktivitäten. Ziel war es auch in diesem Jahr, die bestehenden Serviceangebote für deutsche Einkäufer und Supply Chain Manager auszubauen. So wurde die Industrial Procurement Week des BME (06.11–09.11.2018 in Shanghai) erstmals in die chinesischen Leitmessen Industrial Supply ASIA und PTC ASIA der Deutsche Messe AG in Shanghai integriert. Das Konzept ist Bestandteil einer neuen Kooperationsvereinbarung zwischen dem BME und der Deutsche Messe AG in China.

Mit dem 2. Sino-German Procurement 4.0 Summit in Chengdu Ende Juli dieses Jahres hat der BME eine weitere Brücke zum Beschaffungsmarkt China gebaut. Dort wurde das zentrale Gipfel-Thema „Neue Seidenstraße“ intensiv diskutiert. Die One-Belt-One-Road-Initiative ist ein von der Zentralregierung in Beijing koordiniertes Projekt der Superlative: China tätigt Investitionen im Milliardenbereich, um mehrere Wirtschafts- und Handelskorridore zu Land und zur See zwischen China und Europa, Afrika, dem Nahen Osten, Südasien, Zentralasien und Südostasien zu etablieren. Dadurch soll vor allem die wirtschaftliche Entwicklung des chinesischen Westens vorangetrieben werden.

In Chengdu sorgten rund 250 deutsche/europäische Einkäufer, Logistiker und Supply Chain Manager sowie 150 chinesische Firmenvertreter für eine Rekordbeteiligung. Nach dem großen Auftakterfolg findet der 3. Sino-German Procurement 4.0 Summit voraussichtlich im September 2019 erneut in Chengdu statt.

Last but not least baut der BME auch seine Kontakte zu Ländern Nordafrikas aus. Im Vorfeld des 53. BME-Symposiums Einkauf und Logistik organisierten BME und Euro-Mediterran-Arabischer Länderverein EMA gemeinsam mit ihren marokkanischen Partnerverbänden AMCA, AMICA und ASMEX das Deutsch-Marokkanische Wirtschaftsforum. Die Stärkung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ist auch Anliegen des vom BME unterstützten und über drei Jahre laufenden Projekts „connectAchat“.