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28.05.2018 | Gebäudemanagement, Sicherheit

Anlagensicherheits-Report 2018: So sicher sind Deutschlands Industrieanlagen

Das Sicherheitsniveau von technischen Anlagen ist grundsätzlich in Deutschland hoch. Allerdings gibt es besonders bei Aufzügen und Tankstellen häufig Beanstandungen wegen erheblicher Sicherheitsmängel. Zu diesem Ergebnis kommt der Anlagensicherheits-Report, der heute vom TÜV-Verband veröffentlicht wurde.

Danach mussten im vergangenen Jahr über 3.500 Aufzüge wegen gefährlicher Mängel sofort stillgelegt werden und an fast ein Fünftel aller Tankstellen stellten die Prüfer erhebliche Mängel fest, die sofort beseitigt werden mussten.

Der Anlagensicherheitsreport enthält die Mängelstatistik aller Prüfungen, die von den zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) im Jahr 2017 an Aufzügen, Druckanlagen und bestimmten Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen vorgenommen wurden. Dabei sehen die Experten aber auch eine große Herausforderung: bislang sind Datenschutz und Cybersicherheit noch kaum Bestandteil der regelmäßigen Prüfungen.

„Um das bewährte Sicherheitsniveau in Deutschland halten zu können, ist vor allem die Politik gefragt“, erklärt Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbandes, „Neben Sicherheitsventilen und Kesselwänden müssen künftig auch Algorithmen, digitale Schnittstellen und die Sicherheit von Daten unabhängig geprüft werden.“ Die Voraussetzung dafür ist aber, dass die Prüfer einen diskriminierungsfreien Zugang zu den aktuellen Diagnosedaten und Softwareversionen der sicherheits- und emissionsrelevanten Systeme erhalten. „Hackerangriffe beweisen jetzt schon, dass es neben mechanischen auch digitale Sicherheitsventile braucht“, so Bühler, „Der Gesetzgeber muss hier zügig die Rechtsvorschriften anpassen. Wir brauchen ein Sicherheitsupdate für die Industrie 4.0!“

Aufzüge gehören zu den verbreitetsten technischen Anlagen, die von großen Teilen der Bevölkerung täglich selbstständig genutzt werden. Doch nur 38,8 Prozent waren 2017 bei der Prüfung völlig mängelfrei (2016: 42,49 Prozent). Fast die Hälfte (46,2 Prozent) hatte zumindest geringfügige – und 14,3 Prozent aller Aufzüge sicherheitserhebliche Mängel. „Für die Sicherheit der Bevölkerung ist entscheidend, dass etwa korrodierte Tragseile oder defekte Steuerungsanlagen ausgetauscht werden“, erläutert Bühler, „Ohne die unabhängigen Prüfungen der ZÜS wären Aufzüge mit gefährlichen Mängeln weiterhin in Betrieb.“ An 0,65 Prozent der Aufzüge wurden sogar gefährliche Mängel festgestellt. „In absoluten Zahlen hingen über 3.500 Aufzüge buchstäblich am seidenen Faden und mussten sofort stillgelegt werden“, erklärt Bühler.

Sorgen bereitet den Experten nach wie vor die hohe Zahl an Aufzügen, die von ihren Betreibern nicht zur Prüfung angemeldet werden, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Über etwa 100.000 Aufzugsanlagen, die deswegen nicht geprüft werden konnten, liegen den ZÜS keinerlei Informationen über den technischen Zustand vor. „Wir können hier nur an die Betreiber appellieren, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Aufzüge regelmäßig prüfen zu lassen“, so Bühler. „Die Nutzer können dies auch selbst überprüfen, weil seit der Novelle der Betriebssicherheitsverordnung im Jahr 2015 in allen Aufzügen eine Prüfplakette angebracht sein muss.“

Die explosionsgefährdete Anlage, mit der die Bundesbürger am häufigsten in Berührung kommen, ist die Tankstelle. Die Anforderungen an Sicherheit und Umweltschutz sind hoch, weshalb sie regelmäßig geprüft werden müssen. Allerdings finden die Prüfer nur etwa die Hälfte (49,3 Prozent) aller Tankstellen in einwandfreiem Zustand vor. Über 18 Prozent haben sogar erhebliche Mängel, die für einen sicheren Betrieb beseitigt werden müssen. „Gerade bei Tankstellen, die täglich von Millionen Menschen angefahren werden, zeigt sich, dass regelmäßige Prüfungen für ein hohes Sicherheitsniveau erforderlich sind“, sagt Bühler. Das gilt auch für Explosionsgefahren, die im Industriebereich – z. B. bei Lageranlagen – auftreten können. Hier ist ebenfalls nur die Hälfte komplett mängelfrei.

Auch bei Druckanlagen, die vor allem in Industrieunternehmen eingesetzt werden, zeigt das System der unabhängigen technischen Überwachung in Deutschland seine Wirkung. „Sicherheit, Qualität und Verlässlichkeit stehen sinnbildlich für 'Made in Germany'“, erklärt Bühler. Bei den wiederkehrenden Prüfungen von Druckbehältern und Dampfkesseln liegt die Quote der mängelfreien Anlagen durchweg bei über 70 Prozent – der Anteil erheblicher Mängel bei unter fünf Prozent. „Entscheidend ist aber, dass Probleme, etwa durch feine Risse, frühzeitig erkannt und dadurch gefährliche Entwicklungen von vornherein verhindert werden“, erläutert Bühler.

Der Anlagensicherheits-Report wertet die Prüfungen aus, die 2017 von den zugelassenen Überwachungsstellen auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen wurden. Allerdings sind dadurch nicht alle potentiell gefährlichen Anlagen erfasst. Seit über 20 Jahren sind in Deutschland Windenergieanlagen in Betrieb, die heute einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten. „Trotz erheblicher Gefahren und zahlreicher Unfälle werden bislang nur einzelne Teile dieser Anlagen nach völlig unterschiedlich geregelten Vorgaben geprüft“, kritisiert Bühler. Hier muss die Politik handeln und eine gesetzlich geregelte unabhängige Drittprüfung der Gesamtanlage einführen. Darüber hinaus warnt Bühler vor einer Zersplitterung der gesetzlichen Regulierung in unterschiedlichen Ressorts: „Zum Schutz von Beschäftigten und unbeteiligten Dritten müssen die Prüfungen weiterhin einheitlich in einer bundeseinheitlichen Rechtsvorschrift geregelt werden.“

Der Anlagensicherheits-Report 2018 erscheint in der VdTÜV-Zeitschrift „Technische Überwachung“. Mitgewirkt haben folgende Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS): DEKRA Automobil GmbH, DEKRA EXAM GmbH, GTÜ Anlagensicherheit GmbH, Lloyd´s Register Quality Assurance GmbH, SGS-TÜV GmbH, TÜV Austria Service GmbH, TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG, TÜV Rheinland Industrie Service GmbH, TÜV SÜD Chemie Service GmbH, TÜV SÜD Industrie Service GmbH, TÜV Technische Überwachung Hessen GmbH und TÜV Thüringen e. V.