Public Manager
28.03.2018 | Energie, Gebäudemanagement

Vom Mindestwärmeschutz zum Plusenergiehaus

Einige Blicke zurück in die Vergangenheit und viele in die energietechnische und klimapolitische Zukunft – die Referenten aus Wissenschaft und Praxis der Energieeffizienz im Gebäudebereich spannten den thematischen Bogen weit beim gemeinsamen Kongress der Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung e.V. (GRE) und des Deutschen Energieberater-Netzwerks DEN e.V.

Dipl.-Ing. (FH) Hinderk Hillebrands (DEN e.V.), Prof. Dr.-Ing. Andreas Holm (GRE e.V.), Dipl.-Ing. Marita Klempnow (DEN e.V.), Dipl.-Ing. (FH) Hermann Dannecker, Prof. Dr.-Ing. Anton Maas (GRE e.V.), (Fotograf: Paavo Blafield)

Zum 40-jährigen Bestehen der GRE hatten beide Organisationen zu der zweitägigen Veranstaltung in die Orangerie in Kassel geladen. Sie konnten über 140 Teilnehmer begrüßen unter dem Motto der Tagung: "40 Jahre Gebäudeenergieeffizienz - vom Mindestwärmeschutz zum Plusenergiehaus". Das DEN erneuerte bei der Tagung seine Forderung nach einem eigenen Berufsbild für Energieberater. 

„Nur im Austausch von Wissenschaft und Praxis werden Energiewende und Klimaschutz gelingen“ – darin waren sich die beiden Vertreter der Vorstände, Prof. Dr.-Ing. Andreas Holm (GRE) und Dipl.-Ing. Hinderk Hillebrands (DEN), einig. Zwei Jahre lang hatten ihre Organisationen diesen gemeinsamen Kongress vorbereitet, um ihren intensiven Austausch in Fragen der Gebäudeeffizienz auch nach außen sichtbar zu machen.

„Auch erneuerbare Energien sind endlich!  Auch mit Ihnen müssen wir sparsam und verantwortungsbewusst umgehen!“ Darauf wies der 2. Vorsitzende der GREProf. Dr.-Ing. Anton Maas hin. Insofern sei das Thema der GRE, die rationelle Energieverwendung, auch 40 Jahren nach Gründung der Fachgesellschaft aktueller denn je; nie zuvor nämlich hätten die Erneuerbaren für unsere Energieversorgung eine so wichtige Rolle gespielt.  

In seinem „Rückblick auf 40 Jahre Energieeffizienz im Gebäudebereich“ betonte Prof. Dr.-Ing. habil.Dr.hc.mult Dr. E.h.mult. Karl Gertis, emeritierter Lehrstuhlinhaber am Institut für Akustik und Bauphysik der Universität Stuttgart und Mitbegründer der GRE e.V., dass ein Altbau nicht durch sein Baualter determiniert werde, sondern durch seinen Energieverbrauch. Deshalb könne ein nichtoptimierter Neubau auch schon eine „alte Energieschleuder“ sein. Werde der Maßstab so angelegt, betrage der Altbaubestand in Deutschland ca. 95 %. 

Die derzeitige Gebäudesanierungsrate von ca. 1 % reiche bei weitem nicht aus, wenn die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht werden sollen, sagte Gertis. Die Sanierungsrate müsse deutlich auf mindestens 2 bis 3 % pro Jahr angehoben werden, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Wichtig sei gleichzeitig, dass die Qualität der Vorbereitung und Umsetzung der energetischen Baumaßnahmen sichergestellt werde.  

Vor diesem Hintergrund kritisierte der Vertreter des DEN und Landessprecher NRW des Netzwerkes, Dipl.-Ing. Jürgen Lange, dass ein Berufsbild für die Energieberatung nach wie vor fehle. Effiziente Energienutzung sei in vielen unterschiedlichen Sparten notwendig; sie setze sehr unterschiedliches Fachwissen, aber eben auch erhebliche praktische Erfahrungen voraus. Nicht nur im Wohngebäude-, auch im Nichtwohngebäudebereich, in Gewerbe, Industrie und Verkehr sei die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen dringlich. Im Rahmen seines Vortrages stellte er die Ergebnisse und Vorschläge des DEN zur Einführung eines Berufsbildes vor. Damit müsse gleichzeitig auch eine Honorarordnung eingeführt werden, so die Forderung des Netzwerkes. Die Mitglieder des DEN hätten in den vergangenen Monaten intensiv an der Erarbeitung diesbezüglicher Vorschläge teilgenommen, so Lange. 

Als weitere Referentin aus den Reihen des DEN erläuterte die Vorstandssprecherin des Netzwerkes, Dipl.-Ing. Marita Klempnow, Nachhaltigkeit und CO2-Bilanzierung bei der Gebäudesanierung sowie die Bedeutung gesunder Baustoffe. Sie verwies auf historisches und über Generationen gesammeltes Bauwissen: „Unsere Vorfahren haben klimaschonend und -gerecht gebaut, beispielsweise mit Ziegeln an der Küste oder mit Dachüberstand im Schwarzwald. Sie verwandten regionale Baustoffe - da müssen wir wieder hinkommen!“ 

Die DEN-Landessprecherin Sachsen, Dipl.-Ing Stefanie Koepsell, brachte Praxisbeispiele und sprach über die Qualität in der Energieberatung für Nichtwohngebäude. Dipl.-Ing. Peter Ackermann-Rost, DEN-Landessprecher Berlin, erläuterte die Bedeutung optimierter Planung bei Energieeffizienzmaßnahmen. Erst diese führe zur Optimierung von Verbrauch und Kosten; die von der „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ (ARGE) angeführten Baukosten seien nur betriebs-, aber nicht volkswirtschaftlich gerechnet. 

Teilnehmer und Organisatoren lobten die konstruktive Gesprächsatmosphäre und den fachübergreifenden Austausch während des Kongresses. Prof. Dr. Holm freute sich über die Beiträge aus der Praxis, welche die DEN-Referenten beisteuerten; sie seien die „Hauptspeise im Fünf-Gänge-Menü“ gewesen. Der DEN-Vorsitzende Dipl.-Ing. Hermann Dannecker erklärte: „Wir können klimaneutral bauen, wir wollen es und wir haben Spaß daran!“ Dieser erste gemeinsame Kongress von GRE und DEN sei erst der Auftakt gewesen.