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23.03.2018 | Energie

Regierungspräsidium Freiburg genehmigt Power-to-Gas-Leuchtturmprojekt am Hochrhein

Wasserstoff aus Ökostrom bietet große Chancen für die Energiewende im Verkehr. Seine Nutzung in Brennstoffzellenfahrzeugen ist schadstoff- und kohlendioxidfrei. Das könnte die dicke Luft in Deutschlands Städten vertreiben.

Ein Leuchtturmprojekt will die regenerative Herstellung des Gases jetzt in die industrielle Praxis umsetzen: Im südbadischen Grenzach-Wyhlen entsteht derzeit eine Power-to-Gas-Anlage, die den Energieträger im Megawattmaßstab produzieren soll. Der Ökostrom für den Wasserstoff stammt aus einem benachbarten Wasserkraftwerk am Rhein. Mitte März 2018 hat das Regierungspräsidium Freiburg die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt. Der Weg ist nun frei für das vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) koordinierte Vorhaben. Im Herbst 2018 soll die vom Energieversorger Energiedienst AG betriebene Anlage in den kommerziellen Betrieb gehen. Partner aus Forschung und Wirtschaft sind mit an Bord.

Wird Wasserstoff in großem Maßstab erneuerbar erzeugt, hat er das Potenzial, die Mobilität klimafreundlicher zu machen. Busse, Züge und Autos mit Brennstoffzellen können mit dem Gas kohlendioxidfrei unterwegs sein und das auch auf Langstrecken. Ein weiterer Vorteil: Es entstehen keine gesundheitsschädlichen Stickstoffoxide (NOx), aus dem Auspuff kommt außerdem kein Feinstaub. Doch kommerziell betrieben werden bislang nur wenige Power-to-Gas-Anlagen zur Erzeugung des chemischen Energieträgers. Das soll sich mit dem Projekt jetzt ändern. Ziel der Forscher ist es, die Technologie fit für den Mobilitätsmarkt zu machen.

Die geplante Power-to-Gas-Anlage der Energiedienst AG hat eine elektrische Anschlussleistung von einem Megawatt und kann täglich rund 500 Kilogramm Wasserstoff erzeugen. Damit können mehr als 1.000 Brennstoffzellen-Pkw klimaneutral mobil sein. Neben der 1-Megawatt-Anlage betreiben die Partner auch eine weiterentwickelte Elektrolyse-Forschungsanlage des ZSW. Das Land Baden-Württemberg fördert das Leuchtturmprojekt mit 4,5 Millionen Euro.


Elektrolyseblöcke im realen Einsatz weiterentwickeln


Die Forscher und Ingenieure werden im Laufe des Projekts beide Anlagen unter die Lupe nehmen. In der kleineren Forschungsanlage kommen effizienz- und kostenoptimierte Elektrolyseblöcke bis zu 300 Kilowatt Leistung unter realen Bedingungen zum Einsatz. Die aus dem Betrieb der Megawatt-Anlage gewonnenen Daten sowie eine detaillierte Analyse aller wesentlichen Bauteile wie Elektrolyseblock, Verdichter und Gleichrichter sollen die Komponenten künftig weiter optimieren.

Zu den Aktivitäten gehört auch die Erstellung eines Technologieleitfadens für Power-to-Gas-Anlagen. Der Leitfaden soll Verbesserungspotenziale aufzeigen, um Wasserstoff noch effizienter und wirtschaftlicher produzieren zu können. Thema sind außerdem Geschäftsmodelle für die Ausgestaltung zukünftiger Produkte und Dienstleistungen im Kontext Power-to-Gas.

Derzeit laufen die Vorbereitungen an der Forschungsanlage des ZSW auf Hochtouren. Die Anlage wird bis zu ihrer Überführung an die deutsch-schweizerische Grenze im Sommer 2018 am Stuttgarter ZSW-Standort intensiv vorerprobt und für den Betrieb in industrieller Einsatzumgebung vorbereitet.

Ökostrom in den Tank

„Mit dem Power-to-Gas-Verfahren wandeln wir Ökostrom in den abrufbaren, nahezu kohlendioxidneutralen Energieträger Wasserstoff um“, sagt Dr. Michael Specht, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. „Am Standort Wyhlen können wir diese Technologie im Industriemaßstab optimal testen.“ Strom aus Wasserkraft wird stetig erzeugt, das ermöglicht einen dauerhaften Betrieb der Power-to-Gas-Anlage. Auch das industrielle Umfeld am Energiedienst-Standort spricht für einen erfolgreichen Betrieb. „Mit dem Projekt wollen wir die Energiewende im Verkehr voranbringen und der baden-württembergischen Wirtschaft ein tragfähiges Konzept für saubere, innovative Mobilität bieten“, so Specht weiter.

Ein weiterer Vorteil: Power-to-Gas trägt dazu bei, die Teilnahme von Wasserkraftwerken am Regelenergiemarkt attraktiver zu machen. Im Fall einer negativen Sekundärregelleistung geht kein Strom verloren, da das Kraftwerk nicht gedrosselt werden muss; der Betreiber lässt die Turbinen laufen und wandelt den Strom einfach in Wasserstoff um.

Von den Ergebnissen sollen Energieversorger, Automobilhersteller und Unternehmen aus dem Maschinen-, Komponenten- und Anlagenbau profitieren. Mehrere Partner beteiligen sich an dem Vorhaben. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und die DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sind mit dabei. Hinzu kommen als assoziierte Industriepartner die Energiedienst AG, die Daimler-Tochter NuCellSys, der Zweckverband RBB Böblingen, die Stadtwerke Sindelfingen, der Fernleitungsnetzbetreiber terranets bw und der Elektrolysehersteller McPhy Deutschland sowie die Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie Baden-Württemberg (e-mobil BW).

Auch die Abwärme ist nutzbar

Die bei der Erzeugung des Wasserstoffs anfallende Wärme könnte zukünftig in ein Wärmenetz eingespeist werden und ein geplantes Wohngebiet in der Nähe des Kraftwerks versorgen. Dadurch ließe sich der Nutzungsgrad des Verfahrens noch weiter steigern.