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06.03.2018 | Wasser und Abwasser

Anthropogene Spurenstoffe und pathogene Keime

Belastung der Oberen Sinn durch Medikamente: Interkommunales Konzept für vier Kläranlagen schont Trinkwasserschutzgebiet der Rhönallianz

Das nördliche Einzugsgebiet der Oberen Sinn, eines Nebenflusses der Fränkischen Saale, hat eine große wasserwirtschaftliche Bedeutung, da in vier Kläranlagen das Abwasser der Gemeinden gereinigt und eingeleitet wird. Allerdings ist deren Leistungsfähigkeit aufgrund ihres Alters und der eingesetzten Verfahrenstechnik stark eingeschränkt, denn diese entspricht nicht mehr den notwendigen Anforderungen der zu erneuernden Wasserrechtsbescheide. Zusätzlich gehen die Behörden von einer Verbindung des Grundwassers zum Oberflächengewässer der Sinn aus. Damit besteht die Gefahr besteht, dass Medikamentenrückstände im Trinkwasser auftreten könnten. Diese können durch herkömmliche Filterstufen nicht vollständig entfernt werden. Aufgrund dieser wasserwirtschaftlichen Bedeutung der Sinn als Gewässer beauftragte die Brückenauer Rhönallianz e.V. die GFM Bau- und Umweltingenieure GmbH mit der Erstellung eines interkommunalen Abwasserkonzepts für die umliegenden Kläranlagen. Zentral dabei war es, eine ökologisch optimale Lösung zu finden, die sowohl die Gewässer- und Trinkwasserressourcen schützt, als auch eine minimale finanzielle Belastung für den Bürger erzeugt.

2014 wurde die Brückenauer Rhönallianz als Zusammenschluss von acht Kommunen im nordwestlichen Teil des Landkreises Bad Kissingen, am südlichen Rand des Naturparks Bayerische Rhön und des Biosphärenreservates Rhön gegründet. „Seit Anfang des Jahres 2017 deuten Messungen auf eine erhöhte Konzentration anthropogener Spurenstoffe im Trinkwasserschutzgebiet der Stadt Bad Brückenau hin“, berichtet Dr.-Ing. Ralf Mitsdoerffer, geschäftsführender Gesellschafter bei der GFM Bau- und Umweltingenieure GmbH. „Dies war einer der Gründe, warum wir als beratendes Ingenieurbüro mit der wirtschaftlich-ökologischen Überprüfung des Zusammenschlusses der vier Kläranlagen, die in die Sinn einleiten, beauftragt wurden. Um den vermehrten organischen Mikroverunreinigung zu begegnen, die durch einen gestiegenen Medikamenteneinsatz im Abwasser und damit verbunden auch im Grundwasser bedingt sind, war es eine besondere Herausforderung, die ökonomischen Interessen der Stadtwerke und Kommunen mit den Anforderungen der beteiligten Umwelt- und Gesundheitsbehörden zu verbinden.“

Im Rahmen des Projektes erfolgte zunächst eine Beschreibung der Verhältnisse für die jeweiligen Kläranlagen, eine Aktualisierung der Belastungsdaten sowie die Erstellung nachhaltiger Ausbaukonzepte. Dazu kontaktierte GFM die beteiligten Kommunen sowie das Wasserwirtschaftsamt und begann mit einer Bestandsaufnahme der Kläranlagen und möglichen Kanaltrassen. Als Datenbasis dafür dienten die Betriebstagebücher der Kläranlagen, aktuelle Wasserrechtsbescheide und Fragenkataloge, die GFM den Betreibern zukommen ließ. Dies gab den Ingenieuren einen grundlegenden Überblick über das Einzugsgebiet der Rhönallianz, wodurch eine Bewertung des Bestandes nach Bau-, Maschinen- und Verfahrenstechnik sowie Energetik durchgeführt wurde. Abschließend wurde die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Ausbauvarianten ermittelt und es wurden Möglichkeiten zur zusätzlichen Reduktion der anthropogenen Schadstoffe im Grundwasser ausgearbeitet.

Altersbedingte Verbrauchserscheinungen der Kläranlagen

„Drei der vier Anlagen, die in das Einzugsgebiet der Trinkwasserbrunnen einleiten, zeigten altersbedingte Verbrauchserscheinungen“, berichtet Mitsdoerffer. So besteht beispielsweise ein Risiko für die Betriebssicherheit, da die Elektro-, Mess-, Steuer- und Regel-Technik veraltet ist. Auch in Bezug auf die Arbeitssicherheit entsprechen diese Anlagen nur bedingt den heutigen Standards, so bildet sich bei den vorhandenen Verfahren teilweise auch Abwassernebel, der kritisch zu werten ist. Bei allen Anlagen sind zudem erhöhte Fremdwasseranteile zu finden, weswegen eine Kanalinspektion durchgeführt werden muss, um die massivsten Fremdwasserquellen zu identifizieren.

„Lediglich eine Kläranlage wies eine gute Qualität auf“, so Mitsdoerffer. „Die Belebungs- und Nachklärbecken diese Anlage sind in einem baulich einwandfreien Zustand. Gleiches gilt auch für die gesamte mechanische Vorreinigung und die Gebäude. Nur ein Teil der Technik ist nicht mehr zeitgemäß und sollte erneuert werden.“ Ebenso ist der nicht genutzte Faulbehälter hinsichtlich Umwälzaggregaten, Wärmetauscher und Gasraum veraltet. Durch die Einträge in den Betriebstagebüchern konnte GFM außerdem einen ungewöhnlich hohen Energieverbrauch erkennen, weswegen die Ingenieure zu einer Energieanalyse rieten. Eine Ertüchtigung ist trotzdem nicht notwendig, wie die Überwachungswerte im Betriebsjahr 2015 zeigten.

Wirtschaftlichkeitsprüfung des Anlagenausbaus

„Durch den ertüchtigungsbedürftigen Zustand von drei Kläranlagen im Einzugsgebiet war eine zentrale Fragestellung des Projekts, welcher Ausbau am ökonomischsten ist“, so Mitsdoerffer. „Dafür wurden drei Varianten für ein Belebtschlammverfahren mit intermittierender Denitrifikation überprüft.“ GFM erkannte dabei, dass es sinnvoll ist, die Schlämme zu bündeln und an einem Ort zu behandeln und für die Energiegewinnung wiederzuverwenden, statt sie dezentral über verschiedene Pfade wie Landwirtschaft, Landbau und thermische Verwertung zu entsorgen. Durch den Verzicht auf die dezentrale Stabilisierung der Schlämme können die Kläranlagen kostengünstiger und energieeffizienter betrieben werden. Es ergab sich zudem, dass die ökonomischste Lösung für zwei der Kläranlagen das sogenannte Belebtschlammverfahren ist, bei dem auf die aerobe Schlammstabilisierung verzichtet wird. Daher können die Beckenvolumina klein gehalten werden, während gleichzeitig der entstehende Überschussschlamm immer noch energiereich ist.

In Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde auch ein vom Auftraggeber gewünschter Anschluss dieser Kläranlagen über den Kanaleinleitungspunkt Römershag erwogen. Allerdings ist dieser auf Grund der langen Strecke im Verhältnis zur Zahl der angeschlossenen Einwohner unverhältnismäßig kostenintensiv. Für eine andere Kläranlage hingegen erweist er sich als wirtschaftlich. Deswegen wurden für die jeweiligen Kanaltrassen die einzelnen Abschnitte der Druckleitung unter Berücksichtigung der erforderlichen Pumpstationen sowie eines Schachtabstandes von 200 Metern berechnet und in einem Konzept vorgestellt. Eine Vermischung mit den Trinkwasserressourcen der Oberen Sinn kann aber selbst nach diesen Maßnahmen nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Filtration anthropogener Spurenstoffe durch granulierte Aktivkohle

Um Medikamentenrückstände im Grundwasser dauerhaft zu reduzieren, überprüfte GFM daher eine weitergehende semizentrale Behandlung der Abwässer und die vollständige Ableitung aus den Trinkwasser-Erfassungsgebieten. Dabei ist eine Behandlung der Abwässer durch granulierte Aktivkohle zwar die wirtschaftlichste Lösung, befreit die Obere Sinn jedoch nicht von den Abwassereinleitungen. Dahingegen stellt die vollständige Ableitung aus den Trinkwasser-Erfassungsgebieten die Abwasserfreiheit sicher, reduziert aber nicht die Spurenstoffmenge insgesamt, da sie trotzdem in die Untere Sinn gelangen. „Wir rieten zum Ausbau mit einer sogenannten vierten Reinigungsstufe“, berichtet Mitsdoerffer. „Dieses Verfahren ist notwendig, da Medikamentenrückstände die Trinkwasserqualität beeinflussen. So können durch eine Behandlung mit Aktivkohle die Medikamentenrückstände eliminiert werden.“

Der Ausbau mit einer vierten Reinigungsstufe wäre deutlich kosteneffizienter als eine Zusammenfassung aller Kläranlagen, weswegen ermittelt werden muss, wie wichtig eine völlige Abwasserfreiheit ist. „Daher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ohnehin eine entsprechende Reinigungsstufe nachgerüstet werden müsste“, resümiert Mitsdoerffer. Das von GFM ausgearbeitete Konzept liegt jetzt dem zuständigen Gremium der Rhönallianz, dem Wasserwirtschaftsamt und den Vertretern der zugehörigen Gemeinden vor, die über die konkrete Umsetzung entscheiden.

Die GFM Bau- und Umweltingenieure GmbH wurde vor etwa 90 Jahren für Tragwerksplanung in München gegründet. Vor circa 30 Jahren kam die Sparte Abwassertechnik hinzu. Heute ist das Unternehmen ein unabhängiges Ingenieurbüro mit rund 50 Mitarbeitern, das in den Bereichen Infrastruktur, Gebäude und Energie komplette Ingenieurdienstleistungen aus einer Hand anbietet. GFM ist seit 2005 nach ISO 9001 und ISO 14001 sowie seit 2015 nach ISO 50.0001 "Energiemanagement" zertifiziert.