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12.08.2018 | Abfallwirtschaft

Plastik vermeiden und richtig entsorgen

Richtig entsorgte Kunststoffe stellen für die Umwelt keine Gefahr dar. Sofern sich der Einsatz von Plastik nicht vermeiden lässt, bietet die Stadtreinigung Hamburg (SRH) verschiedene Möglichkeiten an, damit Kunststoffe getrennt erfasst, optimal recycelt oder thermisch verwertet werden können. Kunststoffe, die von den Kun-den der SRH über die dafür vorgesehenen Sammelsysteme der SRH entsorgt wer-den, gelangen weder in die Flüsse noch ins Meer.

Kunststoffe sind in sehr vielen Einsatzbereichen ein unersetzlicher und daher unverzichtbarer Werkstoff. Ungleich bedeutender und oft mit erheblichen Nachteilen verbunden ist jedoch die Verwendung von Kunststoffen als Verpackung oder für sehr kurzlebige Produkte. Im Jahr 2016 wurden insgesamt circa 335 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit produziert. Die Europäer produzieren jährlich circa 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle. Allein davon entfielen im Jahr 2015 15,8 Millionen Tonnen auf Verpackungen. Das sind etwa 60 Prozent der gesamten Kunststoffmenge. Solange diese Produkte von den Verbrauchern nachgefragt, von der Industrie hergestellt und vom Handel in den Verkehr gebracht werden, ist es von größter Bedeutung, diese Kunststoffe nach Gebrauch vollständig zu erfassen sowie sicher und umweltgerecht zu verwerten. Die Voraussetzungen dafür schafft die Stadtreinigung Hamburg.

SRH-Geschäftsführer Prof. Dr. Rüdiger Siechau mahnt: „Jahr für Jahr gelangen weltweit 12,25 Millionen Tonnen Plastikabfall in die Meere, davon stammen nur 1,75 Millionen Tonnen aus der Schifffahrt. Rund 9,5 Millionen Tonnen Plastik gelangen jährlich von Land aus, meist über die Flüsse, in die Weltmeere. Nur 5 Prozent dieser Plastikabfälle wird an den Stränden angespült und die bekannten schwimmenden Müllteppiche auf den Meeren enthalten nur 1 Prozent der Gesamtmenge. 94 Prozent des in die Meere eingetragenen Plastiks sinkt auf den Meeresboden und häuft sich dort über Jahrhunderte an. Dieses Problem mit noch weitgehend unbekannten Konsequenzen für das Ökosystem und die beim Menschen endende Nahrungskette lösen wir nur durch konsequente Verhinderung weiterer Kunststoffeinträge. Das EU-weite Verbot von Wattestäbchen und Plastiktrinkhalmen ist ein erster Schritt, aber nicht die Lösung. Gäbe es weltweit die differenzierten Erfassungs- und Verwertungseinrichtungen für Plastik wie in Deutschland, wäre das Problem der globalen Plastikverschmutzung wesentlich kleiner. Trotzdem gilt es auch in Hamburg für die Verbraucher mehr denn je, überflüssige Kunststoffe beim Einkauf zu vermeiden und die Mülltrennung weiter zu verstärken. Auch alle, die am Elbstrand und den Hamburger Gewässern nach dem Grillen ihren Plastikmüll am Strand oder Ufer liegen lassen, tragen letztendlich zur Verschmutzung unserer Meere bei.“

Erfassungssysteme der SRH für Kunststoffe
Wichtigstes Erfassungssystem für Kunststoffe aus privaten Haushalten ist in Ham-burg die gelbe Hamburger Wertstofftonne (HWT). Abweichend von der bekannten Gelben Tonne / dem Gelben Sack in anderen Kommunen Deutschlands dürfen und sollen in der gelben Hamburger Wertstofftonne nicht nur Verpackungen aus Kunst-stoffen entsorgt werden. In der HWT sollen auch sogenannte „stoffgleiche Nicht-Verpackungen“ gesammelt werden. Alte Wischeimer, Babybadewannen oder Legosteine gehören in Hamburg in die gelbe Hamburger Wertstofftonne. Nur Kunststoff-textilien (z. B. Teppichboden, Seile, Netze) oder Elektroartikel mit Plastikgehäuse (z. B. Kabel, Föne) dürfen nicht über die HWT entsorgt werden.
Auf den 12 Recyclinghöfen werden auch Kunststoffartikel aus privaten Haushalten angenommen, die aufgrund ihrer Menge oder Größe nicht in die gelbe Hamburger Wertstofftonne passen. Dazu zählen zum Beispiel Schrumpffolien (z. B. für Verpackung großer Elektrogeräte und Hartplastik (z. B. Regentonne).

Verarbeitung, Verwertung und Vermarktung von gesammelten Kunststoffen
Die Hamburger Haushalte sammeln jährlich rund 37.000 t Verpackungsabfälle in der gelben Hamburger Wertstofftonne (HWT) und im gelben Hamburger Wertstoffsack. Rund 6.000 Tonnen davon sind stoffgleiche Nichtverpackungen. Die SRH lässt knapp 80 Prozent ihres Mengenanteils von 16,4 Prozent stofflich verwerten (recyceln).
Die Kunststoffe, die als stoffgleiche Nichtverpackungen von den Hamburgerinnen und Hamburgern in der gelben Hamburger Wertstofftonne oder im gelben Hamburger Wertstoffsack vom Restmüll getrennt werden, lässt die SRH zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil stofflich verwerten, da die hochwertige Verwertung eines der Ziele der SRH ist. Nicht stofflich verwertbare Plastikverpackungen werden von den Unternehmen der Dualen Systeme in der Regel zu Ersatzbrennstoff z. B. für Zement-werke aufbereitet, wo sie fossile Brennstoffe ersetzen.
Ob getrennt erfasste Kunststoffe stofflich verwertet werden, ist von mehreren Faktoren abhängig:

  • Verbundfolien: Diese oft sehr dünnen, besonders in der Lebensmittelindustrie verwendeten (Frischhalte)Folien, bestehen aus vielen dünnen Lagen unterschiedlicher Kunststoffarten. Jede Schicht erfüllt eine besondere Aufgabe (UV-Undurchlässigkeit, Sauerstoffdurchlässigkeit usw.). So bietet die sogenannte Trägerfolie die notwendige Stabilität. Kaschierkleber und Haftvermittler sorgen für eine ausreichende Haftung. Polyethylen(PE)-Schichten bieten un-terschiedliche Siegel- und Barriereeigenschaften. Die einzelnen Folienschichten werden üblicherweise untrennbar miteinander verbunden, bevor daraus flexible Abdichtungen und „Deckel“ für Einzel- und Mehrfachverpackungen gemacht werden können.

        Verbundfolien können nicht sinnvoll stofflich verwertet werden.

  • Marktpreise: Ob ein getrennt erfasster Kunststoff stofflich verwertet wird, hängt entscheidend auch davon ab, ob es eine Nachfrage für diese Recyc-lingkunststoffe gibt. Für sortenreines Polyethylenterephthalat (PET), das z. B. für die Herstellung von Getränkeflaschen und Textilfasern (Polyester oder „Fleece“) verwendet wird, gibt es eine weltweite Nachfrage. Andererseits ist eine stoffliche Verwertung von (Verbund)Folien aufgrund kaum vorhandener Nachfrage zurzeit nicht wirtschaftlich und bei schlechten Qualitäten (wie z. B. aus der HWT) nur bei Zuzahlung möglich. Dabei werden die Verwendungs-möglichkeiten dieser Recyclate nicht ausreichend ausgeschöpft. Besonders in der Automobilindustrie gibt es noch Potenzial z. B. für Stoßfänger, Innen-verkleidungen und Radkästen.
    Ob sich erste erfolgversprechende Initiativen auch PE-Verpackungen aus-schließlich aus PE-Recyclat herzustellen, am Markt durchsetzen, entscheidet die Nachfrage der Verbraucher nach diesen Verpackungen.

        Fehlende Nachfrage nach Recycling-Kunststoffen fördert die thermische Verwertung.

  • Falsche Mülltrennung: Der Inhalt der gelben Hamburger Wertstofftonne wird weitgehend automatisiert in einer Hamburger Sortieranlage in verschiede Wertstofffraktionen getrennt. Ziel dieser Sortierung ist die Gewinnung sortenreiner Ausgangsmaterialien für die stoffliche Verwertung. Dabei analysieren Sensoren an den Förderbändern die Materialeigenschaften. Ein leerer Yoghurt-Becher aus Plastik mit einer Stützmanschette aus Pappe und einem nicht vollständig abgelösten Deckel aus Aluminium kann von den Sensoren keiner Rohstofffraktion zugeordnet werden. Dieser Abfall wird dem Restmüll zugeordnet und daher nicht stofflich, sondern nur thermisch verwertet. Hätte der Abfallerzeuger den Alu-Deckel vollständig abgetrennt und die Pappman-schette aus Papier in der blauen Papiertonne entsorgt, hätte der Plastikbecher stofflich verwertet werden können. Ähnliche Probleme entstehen durch nicht entleerte Lebensmittelverpackungen oder Konservendosen, in die andere Verpackungsabfälle gestopft werden.

        Durch Aufklärung muss die Qualität der Wertstofftrennung verbessert werden.

  • Produkt- und Verpackungsdesign: Die Kombination verschiedener Materialien erschwert und verhindert (sh. Verbundfolien) das Recycling. So ist ein Sichtfenster aus Plastik ein vermeidbarer Störstoff beim Recycling der Ver-packung aus Pappe. Eine benutzte Kaffeekapsel aus Aluminium, einem Plastikdeckel und organischen Kaffeeresten kann nur in Spezialanlagen und nur als Monocharge stofflich recycelt werden.

        Der Hinweis „recyclebar“ auf einer Verpackung sagt nicht, dass diese Verpackung tatsächlich recycelt wird.

  • Bioplastik: Sogenanntes Bioplastik ist keine Alternative. Bioplastik ist ein Störstoff beim Recycling von Kunststoffen. Auch in der grünen Biotonne hat Bioplastik nichts verloren, da Bioplastik innerhalb des schnellen Verarbei-tungsprozesses im Biogas- und Kompostwerk Bützberg nicht vollständig ab-gebaut wird. Die Überreste von Bioplastik und konventionellem Plastik verun-reinigen das Qualitätsprodukt Kompost und gelangen über den Boden letzt-endlich in der Nahrungskette. Haushalte, die den Bioabfall in der Küche nicht in den von der SRH kostenlos angebotenen Papiertüten, sondern in (Bio)Plastiktüten sammeln, müssen den Inhalt der (Bio)Plastiktüten in die Bio-tonne entleeren und die geleerte (Bio)Plastiktüte unbedingt in die schwarze Restmülltonne geben.

        Bioplastik gehört ausschließlich in die schwarze Restmülltonne.

Flächenreinigung und Kunststoffe
Vor dem Hintergrund der notwenigen Debatte um die Meeresverschmutzung durch Kunststoffe darf die Verschmutzung des Bodens und des Grundwassers durch Kunststoff nicht vernachlässigt werden.
Wenn die Stadtreinigung Hamburg Plastiktüten und andere Abfälle aus Kunststoffen mit erheblichem Aufwand auf den Rasenflächen von Grünanlagen beseitigt, wird ver-hindert, dass Plastik beim Mähen der Wiesen und des Straßenbegleitgrüns gehäckselt und so als Kleinteile in den Boden eingetragen werden.
Mit einer seit Anfang 2018 deutlich intensivierten Fahrbahnreinigung reduziert die SRH auch die Menge von Reifenabrieb, der Boden und Grundwasser verschmutzt. Allein in Hamburg fallen auf den Straßen jährlich rund 850 t Reifenabrieb (Elastomere) an, der letztlich in der Nahrungskette enden kann. Auch die rund 18.000 Papierkörbe der SRH garantieren, wenn sie zur Entsorgung von Plastikabfällen genutzt werden, eine sichere Entsorgung von Kunststoffen durch thermische Verwertung.
Ordnungsrechtliche Maßnahmen wie die verstärkte Ahndung von Littering durch die WasteWatcher+ der SRH sanktionieren auch den Eintrag von Plastik in die Umwelt z. B. durch Einwegverpackungen aus Kunststoffen.

Umweltpädagogik, Beteiligung an Forschungsprojekten und internationale Zusammenarbeit
Eine zielgruppengerechte Informations- und Aufklärungsarbeit auch über die Folgen der Umweltverschmutzung durch nicht ordnungsgemäß entsorgte Kunststoffe ist integraler Bestandteil der umweltpädagogischen Arbeit der SRH in Kindergärten und Schulen.
Die SRH engagiert sich beim „Runden Tisch Meeresmüll“ unter Federführung des Bundesumweltamtes und unterstützt Abfallsammelaktionen von Naturschutzverbänden auf den Hamburger Nordseeinseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn sowie am Ufer der Elbe.
Durch internationalen Wissenstransfer unterstützt die SRH die Aufklärung zum Thema Getrennterfassung, Wiederverwendung und Recycling von Kunststoffen in afrikanischen, asiatischen und mittel- und südamerikanischen Ländern. Gleichzeitig plant die SRH im Rahmen ihrer regelmäßigen Fachsymposien das Thema der Umweltverschmutzung durch Kunststoffe unter Beteiligung lokaler, nationaler und internationaler Akteure stärker zu fokussieren.

Fazit
Prof. Dr. Siechau fordert von Industrie, Handel und Verbraucher eine intensivere Auseinandersetzung im Umgang mit Kunststoffen: „Kunststoffe sollten wenn möglich vermieden werden. Unverpackt-Läden sind eine gute Alternative. Auch zu flüssigen Kosmetika in Plastikflaschen gibt es inzwischen brauchbare Alternativen. Die direkte Wiederverwendung von Gegenständen aus Kunststoff ist praktizierte Abfallvermeidung. In unseren Gebrauchtwarenkaufhäusern STILBRUCH bringen wir auch vermeintliche „Abfälle“ aus Plastik wieder als Gebrauchsgegenstände in den Verkehr. Wenn Hamburger Verbraucher, wenn immer möglich, Waren mit überflüssigen Verpackung in den Regalen der Supermärkte und Geschäften liegen lassen, weniger aufwändig verpackte Waren online bestellen und nur so viel Lebensmittel einkaufen, wie verbraucht werden, wird weniger Kunststoff eingesetzt. Kunststoffe, die nicht vermieden werden, müssen über die Sammelsysteme der SRH entsorgt werden. Nur dann, gelangen sie nicht in die Umwelt. Alles, was nicht recycelt werden kann, wird in Müllverbrennungsanlagen mit den strengsten Schadstoffgrenzwerten für industrielle Anlagen thermisch verwertet, sodass das schädliche Umweltpotenzial von Kunststoffen minimiert und gleichzeitig Fernwärme für Hamburger Haushalte erzeugt wird.“