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01.10.2017 | Energie

PV-Projekt vereint grüne Energiegewinnung und Deponieabdichtung

Die in Detmold realisierte Kombination von gesetzlich vorgeschriebener Deponieabdichtung mit einer Photovoltaikanlage ist modellhaft für Deutschland. Zu Beginn mussten die Behörden davon überzeugt werden, von der in der Technischen Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen (TASi) vorgeschriebenen Abdichtungs-Variante abzubringen, aber sie haben das Vorhaben tatkräftig unterstützt.

Blick aus Süd-West auf den fertiggestellten westlichen Teilbereich, links ist der Recyclinghof zu sehen. (Foto: Abfallbeseitigungs-GmbH Lippe)

Wie man gleich mehrere Fliegen erfolgreich mit einer Klappe schlägt, zeigt das von Goldbeck Solar errichtete Sonnenkraftwerk auf der Deponie Hellsiek in Detmold, das Ende 2016 in Betrieb genommen wurde. Neben der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben eröffnet diese Lösung dem Anlagenbetreiber der Deponie Dörentrup GmbH sowie dem Deponiebetreiber, der Abfallbeseitigungs-GmbH Lippe, attraktive wirtschaftliche Perspektiven. Die 20 Millionen teure Anlage mit 9,8 MWp Leistung versorgt mehr als 1.900 Haushalte mit grünem Strom – und soll sich nach rund 20 Jahren selbst finanziert haben. Das zweite Projekt mit Modellcharakter für Deutschland wurde außerdem mit dem Intersolar-Award 2017 prämiert.

Orientiert haben sich die Betreiber beim Bau an dem Schwesterprojekt auf der stillgelegten Deponie Dörentrup, die keine 20 Kilometer entfernt liegt. Carl-Georg Buquoy, Leiter des Fachbereichs Photovoltaik der EnergieAgentur.NRW, besuchte die erste Anlage bereits 2013 mit dem damaligen Umweltminister Remmel und zeigte sich begeistert über die neue, doppelt so große PV-Abdeckung: „Das ist ein zukunftsweisendes Konzept, weil man sich die Verkapselung des Mülls spart und stattdessen eine Photovoltaikanlage baut.“

Ein Durchbruch in der Genehmigungsgeschichte

Normalerweise wird eine Deponie mit Schichten aus Schotter, Sand und Kunststoffdichtungsbahn belegt, um Sickerwasser zu minimieren. „Eine Sondergenehmigung war nur möglich, weil das mit Solarmodulen belegte Trapezdach außerdem Strom erzeugt“, erläutert Berthold Lockstedt, der ehemalige Geschäftsführer der Photovoltaik Deponie Dörentrup GmbH & Co. KG. Der Projektpartner spricht von einem „Durchbruch in der Genehmigungsgeschichte. Es würde mich sehr freuen, wenn solche Projekte auch in anderen Bundesländern umgesetzt werden.“

Ganz einleuchtend findet er es nicht, dass Solardächer auf Lagerflächen von Siedlungsabfall bislang nicht gängig sind. Denn seine Lösung bringt neben grünem Strom außerdem wirtschaftliche Vorteile. „Eine klassische Deponieabdeckung hätte rund 15 Millionen Euro gekostet. Nun haben wir ein Projekt angestoßen, das sich binnen 20 Jahren selbst finanziert“, freut sich der Umweltschützer. Das gesparte Budget investiert die Abfallbeseitigungs-GmbH Lippe vielleicht in 20 Jahren in den Rückbau des Lagers. Denn hier liegen Tonnen von Wertstoffen, deren Wert in der Zukunft steigen wird. Diese Möglichkeit steht mit einem Dach als Abdeckung nach wie vor offen. „Irgendwann ist ein Schwellenwert erreicht. Da lohnt es sich dann, die Metalle und andere Wertstoffe herauszuholen und den Rest thermisch zu entsorgen“, so Lockstedt. 

Deponiedach erzeugt Strom für fast 2.000 Haushalte im Jahr

„Eine landschafts- und naturverträgliche Variante zur Versorgung des Kreises Lippe mit regenerativ erzeugtem Strom“, urteilt Björn Lamprecht, Geschäftsführer des Errichters Goldbeck Solar. Die erwartete eingespeiste Strommenge berechneten seine Ingenieure auf jährlich 8.000 MWh, wodurch rechnerisch fast 2.000 Vier-Personen-Haushalte mit regenerativ erzeugtem Strom versorgt werden. Ebenfalls besonders ist, dass mit der Abdeckung 100 Prozent der Niederschläge, die auf das Dach treffen, als sauberes Regenwasser abgeleitet werden können. So muss dieses nicht mehr aufwändig und kostenintensiv als Deponiesickerwasser gereinigt werden. Beim bereits seit 2011 bestehenden Schwesterprojekt Dörentrup halbierten sich durch das Solardach die Klärkosten. „Das schont die Umwelt und spart Geld“, fasst Lamprecht zusammen. Für die neun Millionen Euro Investitionssumme legten die Stadtwerke Detmold GmbH die Photovoltaik Deponie Dörentrup GmbH & Co. KG in mehreren Bau- und Auftragsabschnitten zusammen. Die Lippe Energie Verwaltungs-GmbH, eine Gesellschaft, bestehend aus dem Kreis Lippe und den drei lokalen Energieversorger Stadtwerke Bad Salzuflen GmbH, Stadtwerke Detmold GmbH und Stadtwerke Lemgo GmbH, betreut das Konzept. Insgesamt konnte man 15 der 16 lippischen Kommunen sowie den Kreis Lippe als Gesellschafter für die Photovoltaik Deponie Dörentrup GmbH & Co. KG gewinnen. Somit verbleibt die Wertschöpfung vollständig in der Region. 

Enger Zeitrahmen: Anlage auf den letzten Drücker fertig gestellt

Mit 37.004 Solarpanelen, 111 Wechselrichtern und 66.000 Quadratmetern Trapezblech auf vier Hektar Fläche, war diese Anlage für die Solar-Firma Goldbeck eine technische Herausforderung. Denn die verbaute Unterkonstruktion muss in den nächsten Jahren noch Setzungen des Deponiekörpers auffangen. Gleichzeitig war es beim Rammen der Stützen wichtig, die Basisabdeckung, die den Untergrund vor Kontaminierung schützt, nicht zu durchdringen. Bautechnisch entschied sich der Errichter für ein mit PV-Modulen belegtes Trapezdach. Die Unterkonstruktion passt sich der Topographie und der Wölbung des Deponieköpers an und fällt zu den Rändern hin ab. Durch das Gefälle wird Regenwasser einfach nach außen abgelenkt. Die Querverteilung des Gewichts fand nicht über zusätzliche Streben, sondern Gummistreifen statt. Die Reduzierung des Sickerwassers bewirkt zudem eine Stabilisierung des Deponiekörpers. 

Als größte Herausforderung in den neun Monaten Bauzeit betrachten die Beteiligten den zeitlich sehr engen Rahmen. Weil die EEG-Förderung, mit der die Anlage preislich kalkuliert worden war, Ende des vergangenen Jahres auslaufen sollte, musste das Kraftwerk in Hellsiek noch im Dezember 2016 ans Netz. „Wir haben die Übergangsfrist für Konversionsflächen ausgenutzt und sind auf den letzten Drücker fertig geworden“, freut sich Solarexperte Lamprecht. Sein Unternehmen greift auf langjährige Erfahrung in Sachen Freiflächenanlagen zurück. Auch auf Deponien realisierte das Unternehmen aus Hirschberg bereits einige Projekte. Darunter in der Gemeinde Helbedündorf (Thüringen) und Friesenheimer Insel (bei Mannheim). „Hellsiek ist ein zukunftsweisendes Projekt. Das war eine Möglichkeit unser technisches Know-how und das auf jahrelanger Erfahrung basierende Projektmanagement zu benchmarken“, sagt Lamprecht. Der Erfolg des Projektes sei allerdings nur möglich gewesen, weil alle Beteiligten an einem Strang gezogen haben.

Projekt einzigartig: Geschäftsführer hofft auf Vorbildfunktion

Warum passiert das nicht überall?“, fragt sich Lockstedt, der viele Jahre beim Kreis Lippe tätig war. Im Grunde spräche nichts dagegen, dass dieses Projekt als Vorbild für andere Kommunen wirkt. Nie zuvor ist außerhalb von Lippe eine Freiflächen-PV-Anlage in Deutschland auf einer nicht endabgedeckten Deponie errichtet worden. Entsprechend intensiv waren die Vorgespräche mit der Genehmigungsbehörde, die das Vorhaben zwar von Beginn an befürworteten, jedoch eine tiefgreifende Prüfung durchführen mussten. Für die endgültige Zielerreichung waren zudem Gespräche mit dem Ministerium in Düsseldorf erforderlich, das die Realisierung letztendlich absegnete. Grundsätzlich können alle Deponie-Standorte, die sich in der Stilllegungsphase befinden, darüber nachdenken. Denn jede Halde muss sich früher oder später mit der Endabdeckung befassen. „Auch nach Auslaufen der garantierten EEG-Vergütung können PV-Anlagen wirtschaftlich sein“, weiß Lamprecht. Auf Konversionsflächen muss seit 2017 öffentlich ausgeschrieben werden. Je nachdem welche Bedingungen vorliegen, müsse im Einzelfall berechnet werden, wie schnell sich ein Solarkraftwerk bezahlt macht. Angenehmer Nebeneffekt für die Bürger im Kreis Lippe: Die Abfallgebühren für die Region können nun, entgegen dem Bundestrend, stabil gehalten werden.