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28.11.2017 | Gebäudesanierung

Vom Zwirn zur Zentralbibliothek: Umbau der Aktienspinnerei in Chemnitz

Eines der bedeutendsten historischen Gebäude in Chemnitz wird bis 2019 zur Zentralbibliothek der Technischen Universität umgebaut und erweitert. Die alten Kappendecken mussten aus statischen Gründen mit einer besonders leichten, zementgebundenen Ausgleichsschicht überdeckt werden.

In den Etagen der Aktienspinnerei ist der Ausgleich am tiefsten Punkt der Gewölbedecken insgesamt bis zu 55 Zentimeter hoch. (Bildquelle: HeidelbergCement AG / Andreas Friese)

Mitte des 19. Jahrhunderts entstand in Chemnitz durch Gründung einer Aktiengesellschaft die damals größte Spinnerei Sachsens, die bis 1904 in Betrieb blieb. Wegen der Brandgefahr in derartigen Fabrikgebäuden hatte Architekt Friedrich Theodor Roschig kein Holz verwendet und den Bau stattdessen komplett aus Eisen und Stein ausführen lassen. Vom Baustil des historischen Eklektizismus, der sich bei der Formensprache unterschiedlicher Epochen bedient, war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr viel zu erkennen. Schwer beschädigt, hatte das ehemalige Fabrikgebäude mit Mittelteil und Seitenflügeln sein Dach und sein oberstes Geschoss verloren. Bis 2004 fristeten diverse Zwischennutzungen – von der Essensausgabe, dem Provisorium für das zerstörte Stadttheater, über Kaufhaus, Bürostandort bis schlussendlich zu einer Galerie – ihr Dasein unter einem Notdach. 2011 ging der leerstehende Bau von der Stadt Chemnitz in den Besitz des Freistaats Sachsen über und eröffnete die Chance, die Alte Aktienspinnerei durch Umbau und Erweiterung zur Zentralbibliothek städtebaulich einzubinden. Die Dresdener Architekten Lungwitz, Heine, Mildner sowie Architekt Thomas Rabe aus Berlin, gewannen den ausgeschriebenen Realisierungswettbewerb. Ihr Entwurf der neuen Bibliothek realisiert eine Nutzfläche von über 12.000 Quadratmetern bei Gesamtbaukosten von knapp 50 Mio. Euro unter behutsamer Rückführung in die ehemalige Kubatur. Durch die Nutzung der Alten Aktienspinnerei seitens der Technischen Universität Chemnitz rücke insgesamt der universitäre Campus näher an die Innenstadt heran, so dass studentisches Leben, Forschung und Lehre das Stadtbild künftig noch stärker prägen würden, so der sächsische Finanzminister Unland anlässlich eines Ortstermins.

Für die Umgestaltung musste der Bau zunächst von allen Einbauten befreit und teils in Handarbeit in den Rohbauzustand zurückversetzt werden. So konnte das wertvolle gusseiserne Tragwerk mit den gemauerten Kappengewölben denkmalgerecht konserviert werden. Damit über den Kappendecken ein Bodenaufbau mit Anforderungen an schwere Lasten und die öffentliche Nutzung möglich wurde, mussten zunächst enorme Höhenunterschiede ausgeglichen werden. Bereits sehr früh in der Planungsphase hatte Monika Barth vom Technischen Vertrieb der Heidelberger Beton GmbH Kontakt mit dem Statiker des Bauvorhabens, André Neubert von Mathes Beratende Ingenieure in Chemnitz. Es wurden rund 2.000 Kubikmeter eines „leichten Baustoffs“ für die Verfüllung von Gewölbehohlräumen benötigt. Aus statischen Gründen sollte das Material im eingebauten Zustand nicht mehr als 240 Kilogramm pro Kubikmeter wiegen. Man entschied sich für die Flüssigdämmung Poriment, einen zementgebundenen Porenleichtmörtel, der je nach Anforderung in unterschiedlichen Rohdichte- und Festigkeitsklassen produziert wird.

Nach der Fertigstellung der Zentralbibliothek der TU Chemnitz wird die äußere Anmutung des historischen Baus mit ursprünglicher Dachform, herausragendem zentralem Mittelbau und zwei flankierenden Seitenflügeln wieder erkennbar sein. Es liegt am Gestaltungswillen der Bauherren und am feinen Gespür der Architekten für entscheidende Details, wenn sich moderne Nutzung und denkmalwürdiger Bestand auf wohlproportionierte Weise ineinander fügen.