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30.03.2017 | Stadtplanung

Ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einem nachhaltigen Quartier“

In Frankfurt-Niederrad zeigt die Nassauische Heimstätte, wie energetische und soziale Quartiersentwicklung funktioniert. Jetzt wurden 25 geförderte Mietwohnungen im Passivhausstandard an die Mieter übergeben. Frankfurts Umweltdezernentin Rosemarie Heilig nahm sich Zeit für einen Besuch in der Adolf-Miersch-Siedlung

Nahmen die erfolgreiche Quartiersentwicklung vor Ort in Augenschein (v.l.n.r.): Dr. Constantin Westphal, Geschäftsführer Nassauische Heimstätte; Umweltdezernentin Rosemarie Heilig; Swantje Quelle, Servicecenter Nassauische Heimstätte; Dr. Christian Hey, Umweltministerium Hessen und Regionalcenterleiter Holger Lack, Nassauische Heimstätte. (Foto: UGNHWS/Jens Duffner)

Pflanzaktion mit Mietern (Foto: Thomas Rohnke)

Die Weiterentwicklung eines Wohnquartiers ist eine planerische und finanzielle Herausforderung ebenso wie eine soziale Aufgabe. In der Adolf-Miersch-Straße / Melibocusstraße in Frankfurt-Niederrad verwirklicht die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt ein ganzheitliches Konzept, um das Quartier fit für die Zukunft zu machen. Neben der energetischen Modernisierung ihrer Bestandsgebäude und der Quartiersergänzung mit 25 geförderten Wohnungen im Passivhausstandard bringt die Nassauische Heimstätte mit der „Essbaren Siedlung“ den urban gardening-Gedanken ins Wohnviertel. Sie setzt zudem auf Car-Sharing und haushaltsnahe Dienstleistungen für ältere Mieter. Mit dem CUBITY weist die Siedlung auch ein innovatives Wohnkonzept für Studenten auf.   

Mitten im Quartier der Nassauischen Heimstätte an der Adolf-Miersch-Straße / Melibocusstraße in Frankfurt-Niederrad sind zwei Gebäude mit 25 Wohnungen fertiggestellt worden. Zur Einweihung und Übergabe der Wohnungen an die neuen Mieter hatte der Bauherr zu einer kleinen Feier in die Siedlung eingeladen. Die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig hatte sich am 29. März Zeit für einen Besuch in Niederrad genommen. Die Mietwohnungen sind alle öffentlich gefördert und entstehen im besonders Energie sparenden Passivhausstandard. Die 15 Drei-Zimmer-Wohnungen und zehn Vierzimmer-Wohnungen in den Größen von 78,1 bis 91,3 m2 sind zudem barrierearm. Baubeginn war im Herbst 2015. Im Keller des einen Gebäudes wird es eine Heizzentrale mit zwei Pelletkesseln geben, die auch noch zwei Bestandsgebäude mit Wärme mitversorgen kann. Die Nassauische Heimstätte investierte rund 7,9 Millionen Euro in den Neubau. Diese neuen günstigen Wohnungen, die am West-Giebel der Wohnhäuser Melibocusstraße 62 und 70 wachsen, fügen sich ein in ein umfangreiches Entwicklungskonzept für das Quartier in Niederrad. Hier wird nicht nur energieeffizient neu gebaut, sondern auch der Bestand nach und nach energetisch modernisiert. Hier werden die Freiflächen – gemeinsam mit den Mietern – mit essbaren Früchten und Kräutern bepflanzt. Gemeinsame Aktivitäten und haushaltsnahe Dienstleistungen stärken die Nachbarschaft einer zunehmend älter werdenden Mieterschaft.

Ein nachhaltiges Quartier mit vielen Facetten

„Die energetische und soziale Quartiersentwicklung ist das Herzstück unserer Nachhaltigkeitsstrategie und mit den eben fertiggestellten Wohnungen im Passivhausstand haben wir einen weiteren Baustein auf dem Weg zu einem nachhaltigen Quartier in Niederrad gesetzt“, erläuterte Dr. Constantin Westphal, Geschäftsführer der Nassauischen Heimstätte, bei der Einweihung der Neubauten. Heilig zeigte sich beeindruckt von der Vielfalt an Aktivitäten und Ansätzen, die in der Adolf-Miersch-Siedlung ineinandergreifen. „Neubauten im Passivhausstandard sind in Frankfurt keine Besonderheit, aber hier wird eine gesamte Siedlung energetisch fit gemacht und auch noch mit einem Energie-Plus-Haus für Studentenwohnen gekrönt. Noch mehr begeistert mich das Konzept der „Essbaren Siedlung“. Die Nassauische Heimstätte zeigt hier beispielhaft, welch großes Naturschutz-Potential in den Grünflächen der Wohnungsgesellschaften schlummert. Gemeinsames Gärtnern oder das Car-Sharing-Angebot sind innovative Ansätze, die man in vielen Frankfurter Siedlungen umsetzen kann.“ Westphal ergänzte, dass das Wohnungsunternehmen bei der Quartiersentwicklung einen anderen Fokus habe als die Gebäudeebene. „Wir möchten für das Gesamtquartier eine gute Energiebilanz statt technischer Höchstleistungen bei Einzelgebäuden. Wir wollen unsere Mieter auf den Weg mitnehmen und dafür sorgen, dass sie möglichst lange in ihren Wohnungen wohnen bleiben, weil wir die Mieten bezahlbar halten und ihnen das Leben leichter machen.“

30 Millionen Euro Bestandsinvestitionen für die Siedlung

Das Quartier der Nassauischen Heimstätte an der Adolf-Miersch-Straße / Melibocusstraße umfasst 486 Wohnungen aus den 1950er Jahren. Insgesamt 11,3 Millionen Euro hat die Nassauische Heimstätte in den letzten drei Jahren dort in die Modernisierung der Gebäude und Freiflächen investiert. Wärmedämmung für die Fassaden, neue Balkone und Leitungssysteme sind zentrale Elemente der umfassenden Sanierung für mehr Wohnkomfort und weniger Energieverbrauch. Bis Ende 2026 sind Gesamtinvestitionen von rund 30 Millionen Euro in das Quartier geplant. Unterstützt wird das Wohnungsunternehmen aus Fördermitteln der Energetischen Stadtsanierung. Fördermittelakquise, Beratung und Begleitung des Prozesses leistet die eigene Stadtentwicklungssparte NH ProjektStadt. Solche baulichen Eingriffe verlangen den Menschen einiges ab. Um die Mieter mit ins Boot zu holen, hat das Servicecenter unter der Leitung von Sandra Gesper einen Mietertreff in einem Container eingerichtet. Bei Kaffee und Kuchen treffen sich die Mieter gemütlich mit Ihren Nachbarn. Außerdem ist regelmäßig ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zur Stelle, die Fragen rund um das Bauvorhaben aufnehmen. Während der Bauphase hat das Café in den wärmeren Monaten jeden Montag von 14 bis 16.30 Uhr geöffnet. „Wir wollen uns mit dem Angebot bei unseren Mietern für ihre Geduld bedanken und eine Möglichkeit schaffen, um Kritik oder Anregungen schnell und persönlich abzuholen“, beschreibt Sandra Gesper die vertrauensbildende Maßnahme. 

Essbare Siedlung: gemeinsam pflegen und ernten

Die Einbindung der Mieter in die Erneuerung ihres Quartiers geht aber noch deutlich weiter. Verknüpft mit Modernisierung und Neubau ist auch die Umgestaltung der Außenanlagen. Statt nur Rasenflächen herzurichten und Ziersträucher zu pflanzen, hatte Michael Mayer-Marczona, Leiter des Freiflächenmanagements im Unternehmen, die Idee der „Essbare Siedlung“. Das in den Stadtzentren beliebte „urban gardening“ wird damit in neuer Form in die Wohnviertel hineingetragen. Gemeinsam mit den Mietern sind in der Melibocusstraße Obst- und Nussbäume, Beerensträucher und Kräuter gepflanzt worden. Nach und nach sollen dort Brombeere, Himbeere, Johannisbeere, Holunder und Heidelbeere Früchte tragen. Schnittlauch, Thymian, Borretsch, Lavendel, Melisse, Pfefferminze, Majoran und Rosmarin, geerntet vor der eigenen Haustüre, sollen die Speisen der Mieter in Zukunft verfeinern. Gemeinsam das Obst ernten, selbst gezüchtete Kräuter oder den frischen Apfelkuchen mit den Nachbarn genießen – das soll das Gemeinschaftsgefühl stärken sowie schlicht und einfach Freude bereiten. Die Nassauische Heimstätte leistet mit ihrem Freiflächenmanagement darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Blühpflanzen bieten Bienen eine wichtige Nahrungsquelle, Insektenhotels und Nisthilfen für Mauersegler und Singvögel bieten bedrohten Arten Lebensraum.

Günstiges Car-Sharing

Einen ökologischen Aspekt hat auch eine weitere Neuerung in der Siedlung. Die Nassauische Heimstätte stellt dem Car-Sharing-Anbieter stadtmobil.de zwei Parkplätze an der Melibocusstraße zur Verfügung. Im Gegenzug genießen die Mieter der Nassauischen Heimstätte Sonderkonditionen beim Car-Sharing. Dazu zählt unter anderem der Verzicht auf die übliche Aktivierungsgebühr von 30 Euro. Gezahlt wird nur für die Nutzungszeit und die gefahrenen Kilometer, Benzin und Vollkaskoversicherung sind inklusive. Die Mieter können ein Fahrzeug stunden-, tage-, oder wochenweise mieten. Bei Bedarf sind auch Kleinbusse für den Gruppenausflug oder Transporter für den Umzug zu haben. Und die Mieter der Nassauischen Heimstätte können nicht nur den stadtmobil-Service in Frankfurt nutzen, sondern auch in allen weiteren 100 Städten in Deutschland. Eine Car-Sharing-Kooperation hat die Nassauische Heimstätte bereits an einer Reihe von Standorten, unter anderem im Preungesheimer Apfelcarré sowie im EnergieHaus PLUS auf dem Riedberg. Angesichts der angespannten Verkehrs- und Parkplatzsituation in Frankfurt ist Car-Sharing eine sinnvolle Alternative und zudem für Wenig-Fahrer beeindruckend günstig. Mit diesem Baustein ihres Mobilitätskonzeptes trage die Nassauische Heimstätte zur Verkehrsentlastung der Stadt und zum Klimaschutz bei und erhöhe gleichzeitig den Mobilitäts-Komfort für ihre Mieter, so Westphal.

Alltagshilfen für die Älteren

Die besonderen Wünsche und Bedürfnisse der Mieter hat das Unternehmen auch mit dem Angebot „WIN3“ im Blick. Der gemeinsam von den Wohnungsunternehmen Nassauischer Heimstätte und ABG Frankfurt Holding ins Leben gerufene Mieter-Service „Wir in Niederrad WiN3“ bietet haushaltsnahe Dienstleistungen für ein kleines Entgelt; für ältere und kranke Mieter sind sie sogar teilweise kostenfrei. Einkaufen, Hausputz, Gardinen aufhängen, Botengänge, kleinere Reparaturen – ältere Menschen sind bei vielen Dingen des Alltags bisweilen auf Hilfe angewiesen. Im Frankfurter Stadtteil Niederrad, in dem beide Wohnungsunternehmen insgesamt etwa 3.000 Wohnungen bewirtschaften, sind immerhin rund 50 Prozent der Bewohner über 65 Jahre alt. Dritte im Bunde ist die Beschäftigungsgesellschaft BIWAG, die den Service im Auftrag der Wohnungsunternehmen betreibt. Die Einsatzzentrale des Mieter-Services ist in einem Bürocontainer auf dem Grundstück der Nassauischen Heimstätte in der Melibocusstraße/Ecke Adolf-Miersch-Straße untergebracht. Das Projekt bietet vor allem Bewohnern aus dem Quartier auch beruflich eine neue Perspektive und hilft, längerfristig auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Sie sind bei BIWAG angestellt und werden für ihre neue Tätigkeit umfassend geschult. Bei der Personalbeschaffung kooperiert BIWAG mit dem Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt sowie mit dem Jobcenter Frankfurt am Main, die beide die Beschäftigung fördern. Die Wohnungsunternehmen investieren insgesamt rund 50.000 Euro im Jahr in den Service.

Engagiert, kreativ, innovativ

Ein weithin sichtbares Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit setzt im Quartier ein überlebensgroßes Wandbild am Haus Melibocusstraße 86, das den ehemaligen Eintracht Frankfurt-Spieler Anthony Yeboah zeigt: „Wir schämen uns für alle, die gegen uns schreien“, ist darauf zu lesen. In unmittelbarer Nähe entstand mit dem Cubity ein innovatives Wohnkonzept für Studenten von Studenten. Architekturstudenten der TU Darmstadt haben es mit Prof. Annett Maud-Joppien im Rahmen des Solar Decathlon entwickelt. Realisiert hat es nun die Deutsche Fertighaus Holding auf dem Grundstück der Nassauischen Heimstätte. Diese übernimmt auch die Bewirtschaftung des Gebäudes, Generalmieter ist das Frankfurter Studentenwerk. Das 250 m2 große Gebäude aus nachwachsenden Rohstoffen und einer Polycarbonat-Fassade ist nach dem Haus-im-Haus-Prinzip konstruiert. In einer großräumigen Halle sind sechs zweigeschossige Wohn-Cubes angeordnet. In jedem Wohnwürfel von 8 m² befindet sich ein Bett, Tisch, Stuhl, Schrank und zusätzlicher Stauraum sowie ein eigenes Bad. Der großzügige Gemeinschaftsbereich, mit gemeinsamer Küche, dem zentralen Marktplatz, einer Galerie und Terrasse, bietet Raum für ein vielgestaltiges Zusammenleben. Als Plus-Energie-Haus erzeugt der „Cubity“ mit Hilfe einer Photovoltaikanlage auf dem Dach mehr Energie als er verbrauchen kann. Heizung sowie Kühlung des Wohnhauses werden über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe geregelt. Ein Heizwasser-Wärmespeicher regelt die Warmwasserversorgung.