Public Manager
28.06.2017 | Gebäudemanagement

Sensible Architektur – Neubau des Krematoriums St. Gallen

Krematorien empfangen Besucher oft in einem Zustand emotionaler Anspannung, weshalb der Architektur dieser Gebäude eine schwierige Aufgabe zuteil wird. So sollte sie Sicherheit und Schutz vermitteln und dazu beitragen, dass sich die Hinterbliebenen gut aufgehoben fühlen.

Sowohl das Gebäude als auch das Flachdach und der in die Höhe ragende Kamin erhielten ein Kleid aus Klinker. (Foto: Martin Duckek)

In der Schweiz ist es dem St. Galler Architekten Andy Senn mit dem Neubau des Krematoriums im Friedhof Feldli gelungen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Neben zeitgemäßen und modernen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter wurde eine würdevolle Atmosphäre geschaffen, in der Angehörige von den Verstorbenen Abschied nehmen können. Zu dieser Atmosphäre tragen sicherlich auch die dunkelbraunen, in ihrer Farbigkeit variierenden Klinker bei, die sowohl das Gebäude als auch das Flachdach und den in die Höhe ragenden Kamin vollständig bekleiden. Entwickelt und produziert wurde der Wasserstrich-Klinker eigens für den Neubau von Deppe Backstein aus Uelsen.

Klinker als prägender Baustein

Der Neubau des Krematoriums ist nordwestlich der bestehenden Anlage in St. Gallen entstanden. In dieses teilweise von steilen Böschungen geprägte Gelände fügt er sich entlang des Verlaufs der nördlichen Böschungskante optimal ein. Auf einem L-förmigen Grundriss wurde das geforderte Raumprogramm organisiert. Hier im Friedhof Feldli mit seiner weitläufigen Grünanlage tritt das Gebäude nicht nur durch seine monolithische Form, sondern vor allem auch mit seiner Haut aus dunkelbraunen, teilweise changierenden Klinkersteinen deutlich in Erscheinung.

Interessante Licht- und Schattenspiele statt Monotonie und Einförmigkeit

Das Mauerwerk ist charakterisiert durch den flämischen Verband, bei dem jeweils ein Läuferziegel und ein Binderziegel miteinander abwechseln. Durch die zusätzliche wechselseitige Verarbeitung des Klinkers, die auch die Fußseiten der Steine sichtbar werden lässt, entsteht ein harmonisches, gleichzeitig aber auch sehr belebtes Fassadenbild.

Im oberen Bereich des Gebäudes wird der flämische Verband durch einen Zierverband aufgelöst, so dass einzelne Klinker stark hervortreten und eine zusätzliche Struktur erzeugen. Mit dem partiell ausgebildeten Lochmauerwerk entsteht schließlich eine Kombination von Perforation, Ornament und Textur, die eine Ziegeloberfläche mit interessanten Licht- und Schattenspielen hervorruft. Der Neubau, der in großen Teilen auf Fenster verzichtet, kommt auf diese Weise keineswegs monoton oder einförmig daher.

Dialog zwischen Transparenz, Semitransparenz und Geschlossenheit

Über einen offenen Kolonnadengang werden Besucher geschützt zum Eingang des Krematoriums geleitet. Zwischen den aus Mauersteinen errichteten Säulen öffnet sich dieser Raum jeweils zur Landschaft und bietet die Möglichkeit, den Blick nochmals schweifen zu lassen und in Ruhe anzukommen. Schließlich lenkt eine Wandscheibe aus Lochmauerwerk den Blick und die Bewegung vollends Richtung Eingang. Trotz der klaren Begrenzung des hellen Empfangsraumes kann die Natur des begrünten Innenhofes durch die dünne Trennlinie der raumhohen Fenster präsent nachwirken und eine positive Atmosphäre gewährleisten.

In den öffentlich zugänglichen Räumen herrscht Sichtmauerwerk vor. Während sich dieses im Andachts- und Kultraum noch partiell durch das vorgelagerte Lochmauerwerk auflöst und im Innenraum so die erforderliche ruhige Stimmung entsteht, präsentieren sich die Aufbahrungsräume rundum geschlossen. Die umgrenzenden Mauern bilden hier einen einheitlichen, monolithischen Raum mit einer fassbaren und ablesbaren Oberfläche. Materialien wie Terrazzo, Holz und Lehm ergänzen das Sichtmauerwerk in einer unaufdringlichen und zeitlosen Ausgestaltung.