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08.02.2017 | Gebäude und Grundstücke

Kirchenbau aus Leichtbeton - Skulpturaler Baukörper in Pliezhausen

In exponierter Lage am Rande eines Grünzugs hat die Neuapostolische Kirche ein markantes Gebäude erbaut. Der Neubau setzt sich als skulpturaler Baukörper aus durchgefärbtem Leichtbeton bewusst von der angrenzenden Wohnbebauung ab.

Der bemerkenswerte Kirchenbau sitzt am Rand eines Grünzugs und grenzt an Obstbaumwiesen. (Foto: HeidelbergCement AG / Steffen Fuchs)

Schon verschiedentlich hat die Neuapostolische Kirche ihre Neubauten, mit der sie baufällige Kirchengebäude aus der Nachkriegszeit ersetzt, in Sichtbeton ausgeführt. Für Pliezhausen wählte Bauherrenvertreter Stephan Pfäffle, selbst Architekt, gemeinsam mit Johannes Weiß von den Stuttgarter Architekten Ackermann+Raff einen Leichtbeton, der mit der Beimischung von 1,5 Prozent Farbpigmenten einen zarten, erdigen Beigeton zeigt. Das Büro hatte sich mit seinem Entwurf bei einem eingeladenen Wettbewerb durchgesetzt. Der Zement für den ausgesuchten Beton stammt aus dem Werk Lengfurt der HeidelbergCement AG. „Die Besonderheit des Baus liegt im eingefärbten Leichtbeton mit gewollter Struktur, der farblich je nach Lichteinfall unterschiedlich von beige bis sandfarben leuchtet“, so Gerald Dußler aus der Vertriebsregion Süd-West der HeidelbergCement AG in Schelklingen. Geliefert hat den besonderen Beton der Betonhersteller, die Wenzelburger GmbH & Co. KG Transportbetonwerke aus Neckartailfingen. Er lieferte 550 Kubikmeter Leichtbeton LC 12/13 mit einer Rohdichte 1,2. Der Hochofenzement (CEM III/B 32,5 N-LH/SR/NA) stammt aus dem Werk Lengfurt der HeidelbergCement AG.

Aussagekräftige Architektur

Raus aus der Hektik des Alltags, rein in die Ruhe des Raumes. Wie wohltuend die Atmosphäre einer bewusst schlichten, sakralen Architektur sein kann, ist sofort spürbar. Kaum über den Vorplatz, der sich als einladende Geste Richtung Obstbaumwiesen erstreckt, durch das großzügige und zentrale Foyer in den Kirchenraum eingetreten, fällt die Last des Lebens ab und macht stiller Einkehr Platz. Für diese Wirkung entwickelten die Stuttgarter Architekten Ackermann+Raff Architekten den Baukörper aus der Topografie heraus. Sie ließen die Dachform dem Hangverlauf folgen; zur Straße hin bildet das Volumen einen markanten Hochpunkt aus. Im Kirchenraum ist die äußere Form durch den steil aufsteigenden Deckenverlauf zum Altar hin ablesbar. Ein hoch über dem Altarraum platziertes Fensterband und Oberlichter im Bereich der räumlich und farblich abgestuften Decke lassen eine sakrale Lichtstimmung entstehen. Nach Osten ausgerichtete quadratische Fenster mit tiefen Holzlaibungen sorgen für stimmungsvolle Lichtakzente im gesamten Raum. Der Neubau der Neuapostolischen Kirche bietet künftig 250 Besuchern aus drei Gemeinden Platz für Gottesdienst und Gemeindearbeit. Verschiedene Sanitär- und Mehrzweckräume werden vom zentralen Foyer aus erschlossen, zwei davon lassen sich bei Bedarf zu einer größeren Einheit zusammenschließen. Die Sakristei öffnet sich mit großzügiger Verglasung zum Kirchenraum, so dass hier – akustisch etwas abgeschieden – Familien mit kleinen Kindern den Festlichkeiten folgen könnten.

Ausgesuchte Materialien

Die einladende Wirkung verdankt der Kirchenbau auch der Reduktion auf wenige, ausgesuchte Materialien. Bauherr und Architekten ergänzten den Baukörper aus sandfarben eingefärbtem Leichtbeton mit heimischer, teils unbehandelter Eiche aus dem Schwäbischen, die eine regionale Schreinerei für die geschmackvollen Kirchenbänke und die quadratischen Fenster verarbeitete. Über der 25 Zentimeter dicken Bodenplatte aus Beton und dem Bodenaufbau mit Fußbodenheizung bildet ein Belag aus geräucherter Eiche im Sakralraum und ein polierter Beton im Foyer einen gelungenen Kontrast zu den hohen, hellen Sichtbetonwänden und der dezenten Akustikdecke mit zartem Farbverlauf.

Wärmedämmender Leichtbeton

Bei ihren Kirchenbauten, die als Sonderbauten nicht an die Energieeinsparverordnung (EnEV) gebunden sind, hat sich die Neuapostolische Kirche grundsätzlich auf die Einhaltung der EnEV 2014 verpflichtet. Diese ist mit Leichtbeton bei diesem Bauwerk aufgrund der 61,5 Zentimeter dicken Außenwände ohne Dämmung sehr gut zu erreichen; die EnEV 2016 würde damit nicht mehr eingehalten werden können. Bei Wohnhäusern macht die Verschärfung der EnEV eine moderne und ökologisch sinnvolle Bauweise mit Leichtbeton, bei der die Sichtbetonflächen ohne innere oder äußere Dämmung gestaltet werden können, fast unmöglich. Kosten und Materialaufwand stehen mit der späteren Energieeinsparung in keinem sinnvollen Verhältnis mehr. Daher wird die EnEV 2016 von vielen Architekten und Bauunternehmen in Hinblick auf ökologisches und wirtschaftliches Bauen als kontraproduktiv angesehen. Abhilfe könnte das neue vereinfachte Nachweisverfahren (inoffiziell als „EnEV-easy“ bekannt) schaffen, das 2015 angekündigt wurde und davon ausgeht, dass bestimmte ungekühlte neue Wohnhäuser ihre Kriterien erfüllen, wenn sie eine bauliche und anlagentechnische Standard-Ausstattung aufweisen.

Sichtbetonteam im Einsatz

Das Bauunternehmen Adolf List aus Reutlingen führte die Baumaßnahmen durch. Mit sieben versierten Betonbauern gelang Bauleiter Klaus Schäfer mit einer Rahmenschalung von 2,40 auf 2,70 Metern die von Architekt und Bauherren gewünschte Oberfläche der Leichtbetonwände. Durch die Rahmenschalung lassen sich die einzelnen Bauabschnitte als fast quadratische Bereiche ablesen, farblich angepasste Betonkonen zeichnen sich dezent ab. Struktur und Porosität der Flächen ebenso wie Farbe und Farbverlauf sollten gleichmäßig sein. Um die an großen Musterwänden besprochene Qualität zu erreichen, musste im heißen Sommer 2015 Aufwand betrieben werden. „Gegen die Hitze haben wir die Schalung abgehängt und die Mischer runtergekühlt“, so Schäfer. „Betoniert wurde ab dem frühen Morgen und angeliefert haben wir im Stundentakt.“ Auch die Verdichtung der bis zu acht Meter hohen Wände durch gezieltes Rütteln erforderte Fingerspitzengefühl, erinnert sich Karl-Heinz Baur vom nahe gelegenen Transportbetonunternehmen Wenzelburger, das den Beton produzierte. „Bei einem solch speziellen, besonderen Projekt muss die Zusammenarbeit stimmen“, meint Bauleiter Schäfer. Alle Baubeteiligten loben ausdrücklich den koordinierten Austausch. Das für solche Herausforderungen unerlässliche „Sichtbeton-Team“ hat sich hier auf beste Weise bewährt.