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03.09.2016 | Abfallwirtschaft

NABU: Zu wenig Biotonnen in Deutschland

Noch immer prangen zu viele weiße Flächen auf der Deutschlandkarte, wenn es um die bundesweit flächendeckende Getrenntsammlung von Bioabfällen geht. Diese ist zwar bereits seit dem 01. Januar 2015 Pflicht, jedoch wehren sich immer noch viele Landkreise und kreisfreie Städte gegen die Umsetzung geltenden Rechts, während viele übergeordnete Landesbehörden untätig mit den Händen im Schoß verweilen. Aus NABU-Sicht gehen damit große Mengen an Bioenergie und Ressourcen für Nährstoffe und Humus (Kompost) unnötig verloren, gleichzeitig werden umweltpolitische und gesetzliche Vorgaben schlichtweg ignoriert.

Vor sechs Monaten hat der NABU säumige Kommunen und die aufsichtspflichtigen Abfallbehörden angeschrieben, sie auf diesen Missstand hingewiesen und sie zum Handeln aufgefordert. Doch noch immer tut sich wenig in Sachen Getrenntsammlung. Einzig Baden-Württembergs Umweltministerium hat jüngst angekündigt, die Einführung der Biotonne in allen Landkreisen voranzutreiben und dazu Gespräche mit den Verantwortlichen aufzunehmen.

Der NABU begrüßt den Vorstoß aus dem Südwesten als ersten Schritt in die richtige Richtung, fordert aber Konsequenzen bei andauerndem Nichtstun. „Verhandeln alleine reicht nicht, um die wertvollen Bioabfälle vor der Müllverbrennung zu bewahren. Wenn entsorgungspflichtige Gebietskörperschaften mit dem Thema überfordert sind, müssen die Landesministerien Ordnungsrecht anwenden und den Verantwortlichen aus Landkreisen und kreisfreien Städten Beine machen – zur Not auch mit einer Ersatzvornahme“, so Miller. Selbst wenn zahlreiche Kreistage die Einführung einer Biotonne ablehnen, können Landesumweltminister und deren untergeordnete Behörden diese Beschlüsse aufheben und die Getrenntsammlung auf Kosten der Landkreise einführen. 

Neben den baden-württembergischen Landkreisen verweigern sich viele Kommunen in  den neuen Bundesländern, Bayern und Niedersachsen einer umweltfreundlichen und effizienten Getrenntsammlung.

Die bayerischen Haushalte mit Biotonne sammeln pro Kopf jährlich 71 Kilogramm Küchenabfälle und Grünschnitt. Der bayerische Gesamtdurchschnitt liegt aber nur bei 55 Kilogramm. Kein Wunder, denn über ein Fünftel der bayerischen Körperschaften  sind nicht an eine Biotonne angeschlossen.  

Am schlimmsten sieht es in Brandenburg aus: Hier werden nur drei Kilogramm Bioabfall pro Einwohner und Jahr über die Biotonne gesammelt, im Bundesdurchschnitt sind es 57 Kilogramm. Während die Landkreise in Untätigkeit verharren, verzichten auch hier die Aufsichtsbehörden auf stärkere Kontrollen, wie aus der Recherche des  NABU bei den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städte hervorgeht. Ein Verweis des brandenburgischen Umweltministeriums auf die Mengensteigerungen bei der Grünschnittsammlung kann nicht überzeugen. Denn es sind vor allem die hochkalorischen Speiseabfälle, aus denen erst Energie und anschließend wertvoller Kompost gewonnen werden kann. Und die werden nachgewiesenermaßen am effizientesten über die haushaltsnahe Biotonne gesammelt. 

Auch das niedersächsische Umweltministerium regt sich nicht, wenn im Nordwesten die wertvollen Bioabfälle die Müllöfen füllen, anstatt hochwertig verwertet zu werden. In einigen Landkreisen wird weder die Biotonne noch ein Bringsystem angeboten. Bringsysteme für Bioabfälle, also die Möglichkeit der Abgabe an einer kommunalen Sammelstelle, sind wegen des höheren Aufwands zwar höchst ineffizient und bürgerunfreundlich, gar keine Getrenntsammlung anzubieten ist aber rechtswidrig bzw. nur in sehr wenigen Ausnahmefällen zulässig. Dass einzelne niedersächsische Landkreise händeringend nach schwer nachvollziehbaren Ausnahmegründen suchen, während die Mehrheit der deutschen Kreise und kreisfreien Städte ohne Probleme eine Biotonne einführen, ist empörend. Statt endlich durchzugreifen, wartet das niedersächsische Ministerium anscheinend lieber mit Engelsgeduld darauf, dass Entsorgungsverträge der Landkreise mit Müllverbrennungsanlagen auslaufen. Das kann bis zum Jahr 2020 dauern.  

Die Einführung der umweltfreundlichen Biotonne hängt zumeist vom politischen Willen der Landkreise und dem Durchsetzungswillen der Landesministerien ab. Der NABU fordert die Landesregierungen auf, mehr Druck auf ihre Gebietskörperschaften auszuüben, schließlich können sie neben dem positiven Umwelteffekt von der Regelung profitieren. „Wer mit gezielter Abfallberatung den Bürgern erklärt, was sich aus Bioabfällen machen lässt, nämlich Energie und die Nährstoff- und Humus-Ressource Kompost, wird weniger Restmüll sammeln und kann entsprechend Kosten bei der Restmüllabfuhr reduzieren. Im gleichen Moment fallen wertvolle Abfälle zur nachhaltigen und klimaschonenden Energieerzeugung und Kompostherstellung an, die vermarktet werden können. Dass die Ministerien in Anbetracht dessen nicht durchgreifen, ist genauso untragbar wie die mangelnde Weitsicht der Kommunen“, so NABU-Umweltexperte Sascha Roth. 

Hintergrund:

Seit dem 01. Januar 2015 schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz die flächendeckende Getrenntsammlung von Bioabfällen in ganz Deutschland vor. 2015 war aber immer noch nur gut die Hälfte aller Haushalte an die Biotonne angeschlossen. Da das Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht die Art der Sammlung – also ob im Rahmen eines Holsystems der Abfall beim Bürger abgeholt, oder dieser seine Abfälle im Rahmen eines Bringsystems an eine zentrale Sammelstelle anliefern muss - haben rund zehn Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte lediglich Bringsysteme eingerichtet, um Kosten zu sparen. Knapp zehn Prozent ignorieren die Vorgaben sogar vollständig. Infolge dessen müssen immer noch viele Bürgerinnen und Bürger ihre Speise- und Grünabfälle in der Restmülltonne entsorgen oder an zentrale Sammelstellen bringen. Jährlich gehen dabei mehrere Millionen Tonnen wertvoller Rohstoffe für die Energieerzeugung und Kompostherstellung verloren.