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20.05.2016 | Energie

Modellregion Unterallgäu Nordwest will Strom und Wärme im Jahr 2021 zu 60% erneuerbar erzeugen

Von heute knapp 40 auf 60 Prozent erneuerbarer Endenergie bei Strom und Wärme in nur fünf Jahren – das ist das ambitionierte Ziel der Modellregion Unterallgäu Nordwest. Dazu will ein Netzwerk unter Koordination des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (EZA) diverse Projekte zur Energiegewinnung anstoßen und den gesamten Prozess mit Öffentlichkeitsarbeit, Beratung, Standortentwicklung und Evaluierung begleiten. Für diese Arbeiten erhalten die Projektpartner eine Förderung von knapp 870.000 Euro aus dem Energie- und Klimafonds der Bundesregierung über das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dessen Projektträger, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR). Informationen stehen auf fnr.de unter dem Förderkennzeichen 22407314 bereit.

(Foto: „eza!")

Die Modellregion soll als Reallabor zeigen, ob und wie eine überwiegend auf erneuerbaren Energien beruhende Versorgung machbar ist. Bioenergie kommt dabei eine tragende Rolle zu, denn sie ist steuerbar und kann wahlweise Strom, Wärme oder Mobilität erzeugen. Sind Bioenergieanlagen dank dieser Vorzüge im erneuerbaren Verbund der Zukunft wirtschaftlich? Auch auf diese Frage soll das Projekt Antworten geben.

In einem einzigartigen Feldversuch will die Modellregion, die 27 Gemeinden im Nordwesten des Landkreises Unterallgäu umfasst, die erneuerbaren Energien massiv und schnell ausbauen. Dabei sollen verschiedene innovative Bioenergie-Ansätze insbesondere zur Wärmeversorgung auf den Prüfstand kommen. Paralleles Ziel ist die Verbesserung der Energieeffizienz. Die einzelnen technischen Ansätze sind innovativ, wurden aber auch schon andernorts realisiert. Das Neue an dem Projekt ist vor allem ihre systematische Erprobung auf mengenmäßig hohem Niveau in einem definierten Gebiet, ihre Kombination und vergleichende Bewertung.

Der deutliche Ausbau der Erzeugungskapazitäten erfordert große Investitionen trotz der sich kontinuierlich verschlechternden Rahmenbedingungen für Bioenergie. Vor diesem Hintergrund wäre das Vorhaben in vielen Regionen utopisch. Die Region Unterallgäu Nordwest bringt jedoch hervorragende Voraussetzungen mit: Sie ist Bestandteil eines regionalen Energiekonzeptes, das für alle vier Landkreise und die drei kreisfreien Städte im bayerischen Allgäu erstellt wurde. Der Landrat des Landkreises Unterallgäu, Hans-Joachim Weirather, begrüßt die Auswahl der Modellregion: „Die Energiewende stellt uns vor viele Herausforderungen, wir wollen in unserer Modellregion neue Wege gehen, um diese gemeinsam zu bewältigen.“ Neben dem Landkreis stehen auch die Kommunen und viele öffentliche und private Institutionen hinter der Energiewende-Modellregion. Mit dem Stromversorger und Verteilnetzbetreiber Lechwerke AG konnte für das Projekt ein Premiumpartner gewonnen werden, der sich inhaltlich und finanziell in seinem Bereich stark einbringt. So ist als wichtiger Baustein der Systemintegration ein virtuelles Regionalwerk geplant, das der Abstimmung und Steuerung der Stromerzeugung aus vielen Solarstromanlagen, Biogasanlagen und Wasserkraftwerken auf der einen Seite und den stromverbrauchenden Unternehmen und Haushalten auf der anderen Seite dienen soll.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Nutzung der großen Ausbaupotenziale im Wärmebereich: Die meisten der etwa 60 stromerzeugenden Biomasseanlagen in der Region nutzen die bei der Verstromung entstehende Abwärme noch nicht.

Generell sind viele Betreiber regenerativer Kraftwerke in der Region bereit, in die Weiterentwicklung ihrer Anlagen zu investieren. Außerdem möchten viele, zum Teil auch große Unternehmen, die Nutzung erneuerbarer Energien ausbauen. Alle in der Modellregion geplanten Bioenergie-Bausteine basieren auf konkreten Ideen der verschiedenen Akteure. Diese haben über die Jahre ein erfolgreiches, engmaschiges Energiewende-Netzwerk gebildet, in dem das EZA als gemeinnützige GmbH die Rolle des zentralen Koordinators spielt. Träger des EZA sind die vier Allgäuer Landkreise und drei kreisfreien Städte, die Allgäu Energie GbR als Zusammenschluss vieler regionaler Strom und Gasversorger sowie weitere Kommunen und Initiativen.

„Wenn die Energiewende mit Bioenergie momentan irgendwo in Deutschland gelingen kann, dann hier“, ist sich der EZA-Geschäftsführer und Projektleiter Martin Sambale sicher.

Hintergrund
Die EKF-Fördermittel, die das EZA und seine Netzwerkpartner im Rahmen des Projektes „Energiewende Unterallgäu Nordwest – Modellregion für eine beschleunigte Energiewende im ländlichen Raum“ (Förderkennzeichen 22407414) erhalten, sollen vor allem in Öffentlichkeitsarbeit und Beratung, Standortentwicklung und Begleitforschung fließen. Eine direkte Förderung von Anlagen-Investitionen ist mit den Fördermitteln nicht möglich.
Gerade bei den geplanten Wärme-Bausteinen und Gebäudesanierungen gilt es, viele Endverbraucher zu informieren. Die Öffentlichkeitsarbeit soll aber auch generell über die Vorteile der Energiewende aufklären, zum Beispiel über die größere Wertschöpfung und die Chancen für Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum, um so nicht zuletzt auch die Akzeptanz für die Bioenergie wieder zu steigern. Die Standortentwicklung wird die Bioenergie-Projekte in der Vorbereitungs- und Initialphase unterstützen, zum Beispiel durch Machbarkeitsstudien. Die Begleitforschung hat schließlich die Aufgabe, die einzelnen Bausteine und deren Kombination unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten zu analysieren und zu bewerten.

Im Rahmen des  Projektes soll auch getestet werden, ob Bioenergie-Anlagen künftig mit innovativen Konzepten in einer überwiegend regenerativen Versorgungslandschaft rentabel zu betreiben sind. Nicht nur für die Modellregion, sondern auch für rund 8.350 Biogasanlagen und Holzheizkraftwerke, die derzeit noch vom Erneuerbare-Energien-Gesetz abhängen, ist diese Frage zukunftsentscheidend. Die Antwort hat aber auch Auswirkungen auf die Energiewende insgesamt: Bioenergie ist heute mit Abstand die mengenmäßig bedeutsamste erneuerbare Quelle, die vor allem in den Bereichen Wärme und Kraftstoffe dominiert und aufgrund ihrer Steuerbarkeit Systemdienstleistungen erbringen kann. Sollte sie sich trotz dieser Vorteile als langfristig zu teuer erweisen, müsste die Energiewende neu gedacht werden.