Neue Untersuchung: Kommunalverwaltungen - Personalpolitik droht Überalterung
Arbeitsbedingungen und Entlohnung im öffentlichen Dienst von Städten und Gemeinden sind alles andere als rosig. Wenn die Arbeit in Kommunalverwaltungen nicht attraktiver wird und sich an den Rahmenbedingungen der Anstellungspolitik nichts ändert, werden Mitarbeiter jenseits von 55 in wenigen Jahren die mit Abstand größte Altersgruppe unter den Beschäftigten stellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie.
„Die kommunale Verwaltung ist nicht mehr per se ein attraktiver Arbeitgeber“, konstatieren die Ökonomen Katrin Schmid und Dr. Peter Wilke in ihrer von der Hans-Böckler-Stiftung und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geförderten Untersuchung. Fehlende systematische Personalentwicklung, Entgeltrückstände gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen und die Befristung von Stellen „rächen“ sich, so die Wirtschaftsexperten. Sie haben zahlreiche Statistiken ausgewertet sowie Interviews mit Vertretern von Kommunalverwaltungen und Personalräten geführt. Ihre Lagebeschreibung, die auch detaillierte Daten für die einzelnen Bundesländer bietet, zeigt, dass die Sparpolitik an eine Grenze gestoßen ist: Weitere Einsparungen beim Personal seien nur noch „auf Kosten der Funktionsfähigkeit der Verwaltung“ zu realisieren.
Nach zwei von Stellenabbau und Privatisierung geprägten Jahrzehnten arbeiten heute noch gut vier Millionen Beamte und Angestellte im gesamten öffentlichen Dienst in Deutschland – zweieinhalb Millionen weniger als 1991. In der Kommunalverwaltung im engeren Sinn, das heißt ohne Kitas, Sozialarbeiter, Feuerwehr oder Stadtwerke, ist derzeit rund eine halbe Million Menschen beschäftigt. Recht attraktiv sind deren Arbeitsbedingungen eigentlich nur in einer Hinsicht, zeigt die Studie: Dank sehr flexibler Arbeitszeiten lassen sich Familie und Beruf besser vereinbaren als in anderen Branchen. Diesem Vorzug stehen jedoch diverse Nachteile gegenüber.
Arbeitsbelastung: Viele Städte und Gemeinden haben in der jüngeren Vergangenheit zusätzliche Aufgaben von Bund oder Ländern übernommen. Sei es beim Umweltschutz, Straßenbau oder der Forstverwaltung. Möglichst viele Vorgänge sollten kostengünstig und bürgernah auf die unterste Verwaltungsebene verlagert werden. Das Problem: Häufig bekamen die Kommunen zwar neue Aufgaben, der Personalbestand nahm aber nicht im selben Umfang zu wie das Aufgabenvolumen. Entsprechend berichten Personalräte, dass die Themen Stress, Zeitdruck und Überlastung immer größere Bedeutung gewinnen. Selbst wenn die Behördenspitze trotz aller Sparverordnungen und Haushaltssperren die Einstellung einer neuen Kollegin oder eines neuen Kollegen zugesichert hat, dauert es oft Monate, bis die Stelle dann tatsächlich besetzt ist. Und in dieser Zeit machen die anderen die Arbeit mit. Zudem ist das Arbeitstempo gestiegen, nicht zuletzt durch den Einsatz von Computertechnik. Gleichzeitig erhöhten flache Hierarchien den „Verantwortungsdruck“ auf den unteren Ebenen, konstatieren die Experten.
Überalterung: Ein Viertel der Beschäftigten in der Kommunalverwaltung ist 55 Jahre oder älter; im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt liegt der Anteil dieser „rentennahen“ Jahrgänge lediglich bei 17 Prozent. Dahinter verberge sich jedoch kein demografisches Problem, schreiben Schmid und Wilke, sondern ein hausgemachtes. Es gebe nicht zu viele Ältere, sondern zu wenige Junge. „Es hat eine Ausdünnung der Altersklassen unter 45 Jahren stattgefunden durch eine restriktive Personalpolitik mit jahrelangen und anhaltenden Einstellungs- und Wiederbesetzungssperren, einem deutlich reduzierten Ausbildungsangebot und der Anwendung von befristeten Arbeitsverträgen.“ In den Kommunalverwaltungen habe die Zahl befristeter Jobs, mit denen sich vor allem junge Beschäftigte begnügen müssen, von 2003 bis 2013 um 17 Prozent zugenommen, konstatieren die Experten. Wenn sich an der Einstellungspolitik der Städte und Gemeinden nichts ändere, werden im Jahr 2023 die 55- bis 65-Jährigen die mit Abstand größte Altersgruppe unter den Beschäftigten in Ämtern und Rathäusern bilden (siehe auch Abbildung 14 auf Seite 50 der Studie; Link unten).
Hoher Krankenstand: Sorgen machen Personalverantwortlichen wie Personalräten auch die hohen Krankenstände von bis zu zehn Prozent. Zwar gelinge es häufig, etwa durch betriebliches Eingliederungsmanagement, verträgliche Lösungen für den Einzelfall zu finden. Für ein umfassendes Gesundheitsmanagement und die Beseitigung der Überlastungsursachen fehlten jedoch meist die Mittel. Angesichts der Altersstruktur seien viele Ausfälle nicht überraschend. Irgendwann schlage sich der Dauerstress in psychischen Erkrankungen nieder. Wo körperliche Belastungen eine Rolle spielen, wie in Tiefbau- und Grünflächenämtern oder auf Bauhöfen, macht sich das Fehlen der Jüngeren bemerkbar.
Nachwuchssorgen: Die Zeiten, in denen Gemeindeverwaltungen „über Bedarf“ ausgebildet haben, sind laut der Studie lange vorbei. Hinzu komme, dass die öffentliche Verwaltung zumindest in ländlichen Regionen inzwischen Schwierigkeiten hat, geeignete junge Leute zu finden, konstatieren die Forscher. Insbesondere Fachkräfte fehlen, zum Beispiel Lebensmittelkontrolleure, Gesundheits- oder Computerspezialisten. Finanziell seien Jobs in der Gemeindeverwaltung für gut Ausgebildete nicht interessant genug. Zumal neu eingestellte Beschäftigte häufig in niedrigere Entgeltgruppen eingestuft würden als ihre Vorgänger.
Das Fazit der Experten: Notwendig sei „eine ausreichende Ausfinanzierung der Kommunen für einen qualitativ hochwertigen Aufgabenvollzug, zu guten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten“. Mögliche Rationalisierungsgewinne durch weiteren Technikeinsatz dürften dazu kaum ausreichen. Denn auch wenn die Termine online vergeben werden, werde der Kundenverkehr nicht weniger, und Onlineformulare müssten im Zweifel rascher bearbeitet werden.