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08.07.2016 | Ausschreibungen

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Bereichsausnahme: Im Rettungsdienst muss weiterhin ausgeschrieben werden

Seit dem 18. April 2016 gilt in Deutschland ein umfassend novelliertes Vergaberecht, von dem auch der Rettungsdienst betroffen ist. Die auf EU-Ebene definierte, sogenannte „Bereichsausnahme“ wurde in das überarbeitete Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufgenommen, inhaltlich allerdings erweitert. Sowohl im Zuge der Novelle als auch nach Inkrafttreten des neuen Vergaberechts sind die Diskussionen über eine korrekte Auslegung und Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien nach wie vor im vollen Gange. Für den Regel-Rettungsdienst hat sich bei genauer Betrachtung der Vorschrift allerdings kaum etwas geändert. Dennoch droht die vermeintliche Vereinfachung des Vergabeverfahrens in der Praxis allerdings das Gegenteil zu bewirken. Kommunen sind einem höheren Klagerisiko ausgesetzt.

Das neue Vergaberecht enthält in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB eine Ausnahmevorschrift: die sogenannte Bereichsausnahme für den Rettungsdienst. Danach besteht in sehr engen Grenzen die Möglichkeit, das Vergaberecht bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen nicht anzuwenden. Aus dieser Ausnahmevorschrift ergibt sich jedoch gerade keine generelle Erlaubnis, Leistungen des alltäglichen Rettungsdienstes direkt, also ohne ein vorheriges wettbewerbliches Verfahren, zu vergeben.

§ 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB gestattet zwar eine Direktvergabe an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen – jedoch nur für Rettungsdienstleistungen, die im Rahmen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes oder der Gefahrenabwehr erbracht werden, d. h. gerade nicht für Leistungen des alltäglichen Rettungsdienstes.

Unabhängig davon erfordern das EU-Primärrecht, das Preisrecht und das Haushaltsrecht ohnehin, dass öffentliche Aufträge im Wettbewerb vergeben werden, da im Wettbewerb der Marktpreis ermittelt und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gewährleistet wird. Weiter droht bei jeder Vergabe ohne vorherigen Wettbewerb ein Verstoß gegen EU-Beihilferecht.

Städte und Kreise müssen daher klar abgrenzen, ob die von ihnen zu vergebenden Leistungen wirklich unter die neue Bereichsausnahme für Rettungsdienste des Katastrophenschutzes etc. fallen, sonst drohen juristische Folgen. Bei Vergaben im Rahmen der Bereichsausnahme besteht aktuell ein erhöhtes Klagerisiko nicht berücksichtigter Organisationen / Leistungserbringer. Die Durchführung eines Wetbewerbs erscheint daher auch in Zukunft die sicherste Form, um Leistungen des Rettungsdienstes zu vergeben. 

Zur Autorin
Dr. Ute Jasper ist eine der bekanntesten Anwältinnen für Vergabe- und Infrastrukturprojekte der öffentlichen Hand. Sie berät Bundes- und Landesministerien, Kommunen und Unternehmen. Ute Jasper leitet das Dezernat „Öffentlicher Sektor und Vergabe“ von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Vor kurzem wurde Jasper von Who´s Who Legal als „eine der allerbesten in Deutschland“ für Projekte der öffentlichen Hand bewertet.