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14.02.2016 | Gebäudesanierung

„Nasser Winter – grünes Wunder“:

Dieser verregnete Winter ist mit seiner feuchten Luft eine Wohltat: für die Algen. Man sieht sie nun überall etwas kräftiger hervortreten als noch im letzten Jahr. Auf Dächern sind vielerorts grüne und schwarze Beläge zu sehen, Verkehrsschilder haben auf ihrer Wetterseite fast alle einen grünen Überzug oder sind bereits teilweise bewachsen. Auch ohne Laub sind alle Bäume und Sträucher grün, an Stämmen und Ästen hat sich die Alge ausgebreitet. Gehwege begrünen, Hausfassaden werden grün – auch die ungedämmten. Selbst Dachflächenfenster grünen auf, Plexiglasdächer von Wetterhäuschen begrünen. Die Alge breitet sich im Siedlungsraum immer weiter aus.

(Foto: Hessische Energiespar-Aktion)

Algen brauchen Wasser zum Leben, das gab es in den letzten Monaten reichlich. Aber warum sehen wir sie erst jetzt so häufig? Das hängt mit der Luftreinhaltung zusammen. Seit der Industrialisierung wirkte das reichlich erzeugte Schwefeldioxid aus der Kohleverbrennung als Algengift und hielt unseren Siedlungsraum weitgehend algenfrei. Seit der Rauchgasentschwefelung unserer Kraftwerke und der Umstellung des Hausbrandes auf Erdgas und Öl hat es die Alge leichter. Immer weniger SO2 in der Außenluft lässt sie ungehindert wachsen. Mit jedem zukünftig abgeschalteten Kohlekraftwerk wird das Algenwachstum weiter zunehmen. An Hauswänden wurde Algenbewuchs schon vor 30 Jahren zuerst wahrgenommen, denn die liegen in unserem Blickfeld. Gedämmte Fassaden waren besonders schnell betroffen, denn sie bleiben nach Regen länger nass. Die abtrocknende Heizwärme fehlt hier, was der Geldbeutel indes wohltuend bemerkt. Weil die Veralgung zuerst die gedämmten Fassaden betraf, wurde gleich ein Argument gegen die Wärmedämmung von Fassaden daraus gemacht.

„Heute zeigt sich: Alle dem Wetter ausgesetzten Bauteile im Siedungsraum sind mehr und mehr betroffen, gedämmt oder ungedämmt“, sagt Werner Eicke-Hennig, Programmleiter der „Hessischen Energiespar-Aktion“.

Noch einen Regelkreis gibt es. Die verstärkte Belastung der Luft mit dem „Treibhausgas“ Kohlendioxid fördert das Algenwachstum. In Frankfurt/Main bei der „mainova“ leitet man in einem Projekt das CO2 aus einem Kraftwerk über Algen. Das CO2 wird abgebaut, die Algen wachsen und können weiterverarbeitet werden (z.B. zu Arzneien, Kosmetika usw.).

„Wärmedämmung reduziert den CO2-Ausstoß aus Hausheizungen und begrenzt damit mittelfristig das Algenwachstum. Da ist es ein schlechtes Argument, Algen auf Fassaden dazu zu benutzen, gegen die Wärmedämmung zu argumentieren“, so der Energieexperte weiter.

Für Hauseigentümer gibt es aber eine beruhigende Botschaft. Algen zerstören an Fassaden, Dächern und Fenstern nichts und können mit etwas Wasserdruck leicht abgewaschen werden. Es sind auch nie alle Fassaden betroffen, sondern nur die Wetterseite und die Ost- oder Nordseite des Gebäudes. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern hilft ein großer Dachüberstand. Auch die Farbgebung des Putzes kann man anpassen, dunkle Farben und Muster wählen. Auch Fassadenbegrünungen kaschieren den Algenbewuchs. In ganz harten Fällen werden Algizide eingesetzt. Die sind nicht beliebt, aber es geht an Gebäuden nicht darum die Mengen zu verdoppeln, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Wären alle 2,5 Milliarden qm Fassade in Deutschland mit Algiziden ausgestattet, was nicht nötig sein wird, würden pro Jahr rund 20 Tonnen Algizide durch den Regen ausgewaschen, wohlgemerkt in ganz Deutschland. In der Landwirtschaft werden Jahr für Jahr rund 10.000 Tonnen eingesetzt. Aber das ist nicht der Bezugspunkt. Denn wenn wir uns wieder einen algenfreien Siedlungsraum wünschen, müssten wir wieder jene Mengen an Schwefeldioxid freisetzen, die in der Industrialisierung Deutschlands Fassaden und Dächer algenfrei hielten. Allein auf eine Stadt wie Berlin ging damals jedes Jahr ein Schwefelsäureregen von 150.000 Tonnen nieder. Die Folgen waren nicht nur das Abtöten von Algen, sondern auch Atemwegserkrankungen, tote Kinder durch Pseudokrupp und Schäden an Fassaden und Steinskulpturen. Man wird einen Kompromiss finden oder die Alge tolerieren müssen. Zumindest unter dem Mikroskop sieht sie wunderschön aus.