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29.02.2016 | Gebäudemanagement

Klinikbau just in time – trotz Flüchtlingskrise - Interview mit Michael Schäffler (Cadolto)

Der enorme Bedarf an Unterkünften für Zigtausende Flüchtlinge sorgt bei vielen Bauunternehmen für so gut gefüllte Auftragsbücher, dass andere Projekte hinten anstehen müssen. Schulen, Kindergärten, medizinische Einrichtungen – bleiben die Bauvorhaben anderer wichtiger Bereiche nun auf der Strecke? Michael Schäffler, Vertriebsleiter des mittelfränkischen Modulbauspezialisten Cadolto Fertiggebäude GmbH & Co. KG., über den Raum für Anderes mitten in der Flüchtlingskrise:

Dipl.-Ing. (FH) Michael Schäffler

Cadolto-Modulbau_Infektions-und-Leberzentrum-Duesseldorf (Fotos: Cadolto)

Frage: Herr Schäffler, Cadolto hat zuletzt wieder durch ein spektakuläres Projekt aufhorchen lassen. Den Neubau eines hochmodernen Krankenhauses in Norwegen, nördlich des Polarkreises im Dreiländereck mit Finnland und Russland.

Michael Schäffler: Das stimmt, die Fachpresse hat ja auch im Vorfeld bereits ausgiebig darüber berichtet. Wir können schon ein bisschen stolz darauf sein, ein international derart prestigeträchtiges Projekt ausführen zu dürfen. Zumal es auch für das Land Norwegen ein Imageprojekt ist, wenn man die exponierte Lage, die extremen Bedingungen für den Bau und den multikulturellen Hintergrund der Region bedenkt. Interessanterweise war das Projekt ursprünglich gar nicht in Modulbauweise ausgeschrieben. Aber hier kommen natürlich die Vorteile unserer Bauweise zum Tragen: Die enorme Zeitersparnis durch die nahezu komplett im Werk vorgefertigten Raummodule.

Frage: Cadolto gilt international als Marktführer im Modulbau für den medizinischen Bereich. Bleiben denn für diese Kernkompetenz überhaupt genug Kapazitäten angesichts des aktuell riesigen Bedarfs an Flüchtlingsunterkünften?

Michael Schäffler: In der Tat erleben wir in diesem Bereich eine noch nie dagewesene Anfragenflut. Dieser Herausforderung stellen wir uns, da sehen wir uns in der Pflicht und haben anlässlich der Flüchtlingskrise sogar ein sehr erfolgreiches neues Gebäudekonzept – „Social Homes“ entwickelt. Unser strategischer Focus ist und bleibt aber der medizinische Bereich, insbesondere der Bau von Kliniken, Laboren, Operationssälen etc. In diesem Geschäftsfeld sind wir zuhause, vor allem hier haben wir uns international einen glänzenden Ruf erarbeitet. Wir legen größten Wert darauf, hier auch in der jetzigen Situation, die von uns gewohnte Schnelligkeit und Termintreue gewährleisten zu können. Das „Polarkrankenhaus“ in Norwegen beispielsweise wird bereits ein gutes halbes Jahr nach Anlieferung bezugsfertig sein.  

Frage: Wie wollen Sie das gewährleisten? Häufig ist von Überlastung der Unternehmen die Rede, die keinen Raum für anderes lässt.

Michael Schäffler: Die „Social Homes“ werden am Standort in Thüringen produziert, die Kapazitäten im Stammwerk in Cadolzburg sind dagegen uneingeschränkt weiterhin unserem Kerngeschäft, dem Medizinbereich, vorbehalten. So sind wir auch in der jetzigen Situation in der Lage, Projekte innerhalb von acht Wochen zu liefern. Wir legen großen Wert auf Planung. Containerbau ist nicht unser Metier, denn wir erstellen Hightech-Gebäude in Modulbauweise, die auf Wertigkeit und Langfristigkeit ausgelegt sind. Die „Social Homes“ beispielsweise sind Gemeinschafts- bzw. Familienunterkünfte für den längerfristigen Verbleib und der Möglichkeit einer anderweitigen Nachnutzung, z.B. als Hotels, Jugendherbergen oder – stark im Kommen – Hostels. Sie müssen sich einmal vorstellen, dass wir als einziges Unternehmen sogar eine Rücknahme anbieten. Das beinhaltet Rückbau und Wiederverwendung. Nachhaltiger geht es doch gar nicht.

Frage: Wie kann man sich dieses Gebäudekonzept vorstellen?

Michael Schäffler: Es handelt sich um Stahlkonstruktionen, die mit Gipsfaserplatten verkleidet und nach den aktuellen Energieeinsparverordnungen mineralisch gedämmt werden. Die Module entsprechen den geltenden Brandschutzanforderungen und sind komplett aus nicht brennbaren Materialien gefertigt. Die Gemeinschaftsunterkünfte verfügen über Schlafräume für zwei bis vier Personen mit Aufenthaltsgelegenheit und einem zentralen Sanitärkern. In die Appartements der Familienunterkünfte sind eine Küche und ein dezentraler Sanitärkern integriert. Darin können bis zu 70 Personen untergebracht werden. Übrigens empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlingsfragen und Integration eine Wohn- und Schlaffläche von mindestens sieben Quadratmetern pro Person, die „Social Homes“ bieten knapp zehn.

Frage: Vielerorts hört man auch Klagen über explodierende Preise in der Baubranche?

Michael Schäffler: Solche Gerüchte geistern umher, aber dem muss ich ganz klar widersprechen. Was uns betrifft: Wir liefern weiterhin zum garantierten Festpreis. Das ermöglicht unsere Philosophie der weitestgehenden Vorfertigung und die damit verbundene Kalkulierbarkeit. 90% der Arbeiten werden bereits im Werk unabhängig von äußeren Einflüssen erbracht, kein anderes vergleichbares Unternehmen weltweit erreicht einen derart weitgehenden Vorfertigungsgrad. 

Frage: Welche Projekte haben Sie denn in Ihrer „Paradedisziplin“ gerade in Arbeit?

Michael Schäffler: Derzeit bauen wir zum Beispiel zwei Hybrid-OPs, einen in Düsseldorf und einen in Lugano (Schweiz). Das stellt momentan den höchsten Anspruch im OP-Bau dar. Für viele ist das der OP-Saal der Zukunft. Dafür komplette Hybrid-OP-Module zu entwickeln, ist unsere vielleicht bemerkenswerteste Innovation der letzten Jahre. Darüber hinaus bauen wir derzeit ein 11.000 Quadratmeter großes Interimsgebäude für das Wiener Wilhelminenspital. Neben der Pathologie und acht OP-Sälen umfasst das Gebäude auch 1.400 Quadratmeter Laborbereich. So flexibel wie unsere Projekte sind wir auch bei der Finanzierung, denn das Gebäude ist gemietet und wird von uns am Ende der Laufzeit ganz unkompliziert wieder abgebaut und zurückgenommen.

Frage: Die Betreiber von Kliniken oder anderen medizinischen Einrichtungen müssen sich also keine Sorgen um ihre Bauvorhaben machen?

Michael Schäffler: Ganz im Gegenteil. Das ist und bleibt sprichwörtlich eine Herzensangelegenheit und wir sind uns auch hier unserer Verantwortung durchaus bewusst.