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27.04.2016 | Gebäudemanagement

Findorff meets Europe: Ein Wohnhaus für Klimapioniere

An der Kissinger Straße 5 legten Bau- und Umweltsenator Joachim Lohse und GEWOBA-Vorstand Peter Stubbe heute am Mittwoch den Grundstein für einen besonderen Neubau in Findorff: Hier baut die GEWOBA bis Sommer 2017 ein Passivhaus für 16 Mietparteien, in dem das Heizen fast überflüssig wird. Der barrierefreie Neubau verfügt über Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen, sowohl kompakte Singlewohnungen als auch großzügige Familienwohnungen sind geplant. Aufzuganlage, bodentiefe Fenster, Holzböden und Einbauküchen, Balkone und Loggien in den oberen Etagen sowie Terrassen im Erdgeschoss sorgen für hohen Wohnkomfort. Mit seinem klassischen Satteldach fügt sich der Neubau harmonisch in die vorhandene Bebauungsstruktur ein. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf rund 4,5 Millionen Euro.

Südansicht des Passivhauses im Bremer Stadtteil Findorff (Bild: GEWOBA).

Passivhäuser verbrauchen extrem wenig Heizenergie: Während eine unsanierte 1970er-Jahre-Wohnung durchschnittlich auf einen jährlichen Heizwärmebedarf von 200 Kilowattstunden je Quadratmeter kommt, sind es im Findorffer Passivhaus lediglich 15 Kilowattstunden. Für niedrige Heizkosten und gutes Raumklima sorgt innovative Bautechnik. Die Gebäudehülle ist hochwirksam gedämmt, eine Solaranlage produziert Strom, die automatische Lüftungsanlage sorgt mit Abwärme für Wohlfühltemperaturen und beste Raumluft. Die restliche Heizwärme stammt aus einem modernen Blockheizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung.

„Die heutige Grundsteinlegung freut mich als Bausenator ebenso wie als Umweltsenator“, sagte Senator Lohse bei der Grundsteinlegung. „Mit dem Passivhaus vereint die GEWOBA ambitionierten Klimaschutz am Bau mit ansprechender Architektur und schafft gleichzeitig neuen Wohnraum in einem stark nachgefragten Stadtteil.“

Bauen im europäischen Kontext

Das Bauprojekt ist gleichzeitig der norddeutsche Beitrag zum europäischen Forschungsprojekt „BuildTog“ (Building Together) des europäischen Netzwerks der Wohnungswirtschaft EURHONET (European Housing Network). Gemeinsam wurde ein Mehrfamilienhaus-Typus im Passivhausstandard entwickelt, der länderspezifisch und standortabhängig angepasst wird. Anspruch der beteiligten Wohnungsunternehmen aus fünf Ländern ist es, im Mehrfamilienhaussektor höchste Energieeffizienz mit wirtschaftlicher Bauausführung und hoher Architekturqualität zusammenzubringen. „Ich wünsche der Initiative, dass sie in Europa die verdiente Strahlkraft entwickelt. Idee und Entwurf haben das Potenzial, europaweit Referenzpunkt für das klimafreundliche Bauen zu werden“, so der Bau- und Umweltsenator. „Deswegen freut es mich umso mehr, dass die GEWOBA für Bremen vorangeht.“

Der Neubau ist für die GEWOBA gleichzeitig Vorbereitung auf die EU-Gebäuderichtlinie. Diese legt fest, dass ab 2020 alle Neubauten im Niedrigstenergiestandard gebaut werden sollen. „Schon heute stellen wir in jedem Neubauprojekt einen besseren Energiestandard her als es die aktuellen Vorschriften verlangen“, sagt GEWOBA-Vorstand Peter Stubbe. „Mit Blick auf die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz muss die Wohnungswirtschaft allerdings Wege entwickeln, auch im Null-Energie-Standard bezahlbar und wohnlich zu bauen.“ Deswegen engagiere sich das Unternehmen in dem Forschungs- und Bauprojekt und tausche sich mit internationalen Partnern aus.

E-Car-Sharing schließt die Mobilitätskette

„Beim Bauen kann es nicht nur um Baustoffe, Technik und Messdaten gehen. Es geht uns auch darum, dass aus einem Gebäude ein Zuhause wird“, so Stubbe. In Sachen Klimaschutz sei ganzheitliche Bauplanung gefragt. Daher richtet das Unternehmen am Standort zusätzlich eine öffentliche Car-Sharing-Station für Elektroautos und -räder (Pedelecs) ein. Die Grundgebühr übernimmt die GEWOBA zwölf Jahre lang für die künftigen Mieter. „Wir denken die Mobilität unserer Mieter mit. Damit eröffnen wir ihnen die Chance, ihren ökologischen Fußabdruck auf ein Minimum zu reduzieren, ohne auf Komfort zu verzichten“, so Stubbe.

Die 16 Neubau-Wohnungen im Passivhaus sind nicht die einzigen, mit der die GEWOBA Wohnraum in dem beliebten, citynahen Familienquartier schafft. In einem zweiten Bauabschnitt wird die GEWOBA auf demselben Grundstück ein weiteres Gebäude mit 28 öffentlich geförderten Mietwohnungen in energetisch hervorragender Qualität errichten. 

Hintergrund: EU-Gebäuderichtlinie und das Forschungsprojekt BuildTog

Die EU-Gebäuderichtlinie sieht vor, dass ab dem Jahr 2020 alle Neubauten dem Niedrigstenergiestandard entsprechen müssen (nearly zero-energy buildings). Der Energiebedarf neuer Gebäude soll demnach gegen Null gehen und der Verbrauch wesentlich aus erneuerbaren Quellen möglichst standortnah produziert und gedeckt werden. Schon heute hat sich die
GEWOBA für alle Neubauten zur Auflage gemacht, über die jeweils aktuelle Gebäudeeffizienzrichtlinie EnEV nach Möglichkeit hinauszugehen.

Um sich frühzeitig auf die verschärften Vorschriften vorzubereiten, beteiligt sich die GEWOBA als Mitglied im European Housing Network (EURHONET) im europäischen Projekt „Building Together“ (BuildTog). Beteiligt sind Wohnungsbauunternehmen aus Schweden, Italien, Belgien, Frankreich und Deutschland sowie ein renommiertes französisches Architekturbüro, eine auf Passivhäuser spezialisierte Beratungsgesellschaft und der Industriepartner BASF.

Die Eurhonet-Forschungsgruppe hat einen Mehrfamilien-Passivhaus-Typus entwickelt, der von den europäischen Wohnungsunternehmen umgesetzt und an die unterschiedlichen, nationalen Standortanforderungen angepasst wird. Zu beachten sind dabei sowohl landesspezifische, klimatische und rechtliche Besonderheiten als auch Nutzergewohnheiten und die regionale Bautradition. Über die Erfahrungen und technische Fragen tauschen sich die Projektbeteiligten in drei jährlichen Arbeitstreffen aus. Das Knowhow zum nachhaltigen Bauen wird öffentlich gemacht und weitergegeben – und findet hoffentlich zahlreiche Nachahmer.