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11.09.2015 | Messen

NordBau-Diskussion über Qualitätssteigerung von Bauprojekten

Kostenexplosionen, Verzögerungen, Pleiten, Pfusch und Pannen: Die deutsche Baubranche leidet spätestens seit der öffentlichen Debatte um Großprojekte wie dem Berliner Flughafen, der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Stuttgarter Hauptbahnhof unter einem massiven Imageproblem. Auch in Schleswig-Holstein gab und gibt es trotz erheblicher technischer Fortschritte beim Bau und der Planung von öffentlichen Großvorhaben immer wieder Rückschläge. So sorgten Asphaltblasen auf der A 20 im Lübecker Raum monatelang ebenso für Schlagzeilen wie der „Brösel-Beton“ auf der A 1 oder spektakuläre Pleiten von Straßenbaufirmen mit massiven Folgen für den Straßenverkehr im Land.

„Wenn wir das Vertrauen in die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit und Pünktlichkeit nicht weiter aufs Spiel setzen wollen, dann müssen wir dieser Entwicklung dringend etwas entgegensetzen“, sagte Verkehrsminister Reinhard Meyer heute (11. September) vor rund 200 Fachleuten auf der Messe NordBau in Neumünster.
Aus diesem Grund habe er die Fachveranstaltung in Neumünster ins Leben gerufen – gemeinsam mit dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV-SH), der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein (AIK SH), dem Bauindustrieverband Hamburg Schleswig-Holstein e.V. und der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR (GMSH). 

Mit Blick auf zahlreiche Pannen bei öffentlichen Bauvorhaben erinnerte Meyer an eine aktuelle Studie der „Hertie School of Governance“, wonach für 170 ausgewählte Großprojekte in Deutschland eine durchschnittliche Kostensteigerung von 73 Prozent errechnet wurde. „Wenn wir zu Termintreue, Qualität und Kostenstabilität zurückkehren wollen, dann brauchen wir eine neue Projektkultur in Deutschland mit mehr Mut zur Verantwortung“, sagte er. Das bedeute in erster Linie neben einem verbesserten Risikomanagement eine verstärkte und vor allem verbindlich definierte Kooperation aller Projektbeteiligten sowie eine Anpassung des Vergabe- und des Vertragsrechts oder die Einführung von Prämiensystemen für Vorschläge zu Verfahrens- und Kostenoptimierungen. „Auf diese Weise können vielleicht die typischen Domino-Effekte verhindert werden, die entstehen, wenn bereits in einer frühen Bauphase Fehler passieren, die sich dann von Bau-Los zu Bau-Los fortsetzen und aufschaukeln und am Schluss nur noch äußerst kostspielig oder gar nicht mehr repariert werden können.“ 

Harald-Peter Hartmann, Vizepräsident der Architekten-und Ingenieurkammer, betonte in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass Auftraggeber und -nehmer nur erfolgreich sein können, wenn sie partnerschaftlich zusammenarbeiten: „Diese Partnerschaft ist ein wesentlicher Teil unserer Baukultur“, sagte Hartmann. Und mehr denn je gelte der alte Spruch: „Planung ist das halbe Leben; aber durch mangelhafte Planungen werden die Grundlagen für nicht korrigierbare Fehler in der Bauphase gelegt.“

Die vom Bundesverkehrsministerium vor knapp zwei Jahren eingesetzte Reformkommission „Bau von Großprojekten“ hat nach den Worten von Meyer und Hartmann bereits erste gute Vorschläge erarbeitet. Demnach könnten böse Überraschungen unter anderem dadurch minimiert werden, dass qualitativen Wertungskriterien in Zukunft mehr Gewicht beigemessen werde. „Entscheidend dürfte vor allem auch ein verbessertes kooperatives Planen sowie eine Verpflichtung zu partnerschaftlicher Projektzusammenarbeit sein – auch durch die Nutzung von Zielpreissystemen“, sagte Meyer.  

Nach den Worten von Hartmann sollten in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auch konventionelle Beschaffungsmodelle einbezogen und für ÖPP-Modelle zwingend ein Qualitätsniveau festgelegt werden. 

Am Beispiel des geplanten Neubaus der Rader Hochbrücke bei Rendsburg plädierte der Minister für weitere Anstrengungen des Bundes, durch Pilot-Projekte Erfahrungen zu sammeln. So soll an dem geplanten Brücken-Neubau durch die DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) im Rahmen eines Pilotprojekts eine weitaus intensivere Risiko- und Kostenkontrolle vorgenommen werden als bei bisherigen Neubauvorhaben. „Das ist wichtig, um den Zeitplan bis zur Fertigstellung im Jahr 2026 einzuhalten“, so Meyer. Darüber hinaus stehe die Rader Brücke – ebenso wie die A 20 – auf einer Liste von Verkehrsprojekten, bei denen der Klageweg durch den Wegfall einer Instanz verkürzt werde. Klagen gegen diese Bauprojekte werden damit gleich direkt vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt. Meyer: „Das kann bei Streitigkeiten immerhin schon einen Zeitgewinn von bis zu einem Jahr bedeuten.“ 

Wie der Minister abschließend sagte, sollten Planungs- und Baubranche und öffentliche Verwaltung künftig auch einen stärkeren Gedankenaustausch mit Fachleuten aus den Nachbarländern pflegen: „Denn ich bin fest überzeugt, dass wir uns beispielsweise von unseren dänischen Nachbarn beim Brückenbau oder von unseren holländischen Nachbarn beim Bau von Wasserstraßen noch eine Menge abgucken können.“