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16.09.2015 | Versorgungsnetze

Netzausbau in Kalkar: ein großer Schritt in Richtung Zukunft

Kommunale Investitionen in Breitbandnetze sollten auf einer genauen Analyse von Geschäftsmodell, Umsatzpotential, Kosten und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung fußen. Optimierte Netze und das konsequente Heben von Synergien tragen dazu bei, Kosten zu senken und beeinflussen unmittelbar den Erfolg des Ausbaus. Kalkar ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Stadt ihre Netze effizient und zügig auf Zukunftskurs bringt. Ein Projektrückblick von Andreas Windolph, Teilbereichsleiter Breitband & Intelligente Netze bei TÜV Rheinland.

Andreas Windolph (Foto: TÜV Rheinland)

Herr Windolph, beschreiben Sie doch bitte die Ausgangssituation der Konnektivität in Kalkar.

AW: Kalkar ist eine ländlich geprägte Kommune mit rund 14.000 Einwohnern am unteren Niederrhein im Nordwesten von Nordrhein-Westfalen. Bis 2012 gab es keine flächendeckende Breitbandversorgung der Haushalte. Die Bandbreite wurde partiell über Festnetz-DSL, drahtloses UMTS / HDSPA sowie drahtloses LTE realisiert. Während in größeren Stadtteilen wie Appeldorn oder Altkalkar Bandbreiten von mehr als 2 Mbit/s Standard sind, ist nur etwa ein Prozent der Bevölkerung Kalkars mit schnellen 50 Mbit/s im Netz. Rund 30 Prozent haben Leitungsgeschwindigkeiten von 16 Mbit/s zur Verfügung, allerdings nur per Festnetz. Stadtteile in Randgebieten müssen sich teilweise mit Downloadgeschwindigkeiten von unter 2 Mbit/s zufriedengeben.

Inzwischen läuft der flächendeckende Breitbandausbau auf Hochtouren...
AW: Genau, das ist sehr erfreulich. Anfang 2016 werden in Kalkar flächendeckend bis zu 50 Mbit/s Mbit/s zur Verfügung stehen, im Gewerbegebiet will die Kommune eine Mindestgeschwindigkeit von 25 Mbit/s bereitstellen. Der Ausbau erfolgt unter Verwendung vorhandener Infrastrukturen und Synergien.

Wie hoch war der finanzielle Aufwand?

AW: Die Wirtschaftlichkeitslücke, also die Differenz zwischen den geplanten Investitionen des Netzbetreibers und den tatsächlichen Ausbaukosten, betrug insgesamt 643.000 Euro. 75 Prozent konnte die Stadt über Fördermittel der EU finanzieren. Die verbleibenden 25 Prozent brachte die Stadt selbst auf. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass der Eigenanteil eine wesentliche Voraussetzung ist, um überhaupt Fördermittel beantragen zu können. Allzu häufig werden Fördermittel genau aus diesem Grunde nicht abgerufen, da die Kommunen nicht immer entsprechende Mittel im Haushalt bereitstellen können.

Den Eigenanteil aufbringen zu können, ist auf Kommunalebene nicht selbstverständlich...

AW: Nein, entweder fehlt es am gemeinsamen politischen Willen oder es ist wirklich kein Geld mehr dafür da. In Kalkar hatten wir die erfreuliche Situation, dass alle fraktionsübergreifend an einem Strang zogen und den Beteiligten die Tragweite der Investition für die Zukunft der Stadt bewusst war. Es war vor allem ein politischer Erfolg, dass die Kommune dieses Geld tatsächlich bereitstellen konnte. Einen Beitrag dazu hat auch TÜV Rheinland geleistet. Wir haben das Stakeholder-Management der Stadt aktiv unterstützt, wo wir konnten und zwar mit transparenter Information und proaktiver Kommunikation über alle Planungsphasen hinweg.

Wie hat die Stadt Kalkar das Projekt in Angriff genommen und welche Rolle nahm TÜV Rheinland dabei ein?

AW: Die Stadt Kalkar ist sehr systematisch vorgegangen. Klar war, dass man das Projekt nicht ohne externe Unterstützung starten wollte. Deshalb hat die Stadt zunächst Angebote für Beratungsleistungen eingeholt. Das ist empfehlenswert, denn fachliche Begleitung von außen wirkt sich erfahrungsgemäß immer kostensenkend auf das Gesamtprojekt aus.

Welche Voraussetzungen sollte der externe Partner erfüllen?

AW: Die Stadt Kalkar suchte ein qualifiziertes Beratungsunternehmen mit technischer Expertise und Erfahrung in der Vorbereitung von Fördermittelanträgen für den kommunalen Breitbandausbau. Das Ziel war, ein Konzept zu entwickeln, das Kalkar so schnell wie möglich mit schnellerem Breitband erschließt. TÜV Rheinland hat schließlich den Zuschlag erhalten. Wir haben mehrere Jahre Erfahrung darin, Behörden und Ministerien von auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mit Leistungen rund um Planung und Umsetzung von Telekommunikationsnetzen zu unterstützen.

Wie genau sah der Projektverlauf aus?

AW: Unsere Spezialisten für Breitband und intelligente Netze haben die Kommune durch alle relevanten Phasen des Prozesses begleitet. In einer ersten Stufe ging es darum, eine Bedarfs- und Verfügbarkeitsanalyse durchzuführen, also herauszufinden: Wo ist Kalkar wie versorgt, wo gibt es Versorgungslücken und wo müssen wir etwas tun, damit die Stadt nicht irgendwann den Anschluss verpasst. Dazu hat TÜV Rheinland alle relevanten Telekommunikationsinfrastrukturen in der Stadt Kalkar erfasst und gemeinsam mit der Stadt wichtige Standorte definiert, die sich an Parametern wie Stadtteilen und Stadtgrenzen, bedeutenden Infrastruktur-Knotenpunkten wie Schulen und Verwaltung sowie Straßen und Hausnummern orientierten. Im Falle von Kalkar sprechen wir von sprechen wir von 13 Stadtteilen auf rd. 8800 Hektar Fläche, in denen rund 5600 Haushalte und mehr als 730 Unternehmen zu versorgen sind.

Die Machbarkeitsanalyse bildet nicht nur den Ist-Zustand der Breitband-Versorgung ab, daraus ableiten lässt sich auch der Bedarf privater Haushalte und der von gewerblichen Nutzern. Anschließend haben wir der Stadt dabei geholfen, eine Ausschreibung durchzuführen. Die eingehenden Angebote der Netzbetreiber haben wir sowohl fachlich als auch betriebswirtschaftlich bewertet und für die finale Vergabe des Breitbandausbaus eine Empfehlung formuliert.

Woher stammten die erforderlichen Informationen?

AW: Die Grundlagen wie Geo- sowie technische Daten hat unser Team u.a. bei der Stadt, den Netzbetreibern und der Bundesnetzagentur recherchiert. In einem nächsten Schritt haben wir die Informationen mit den in eigenen Datenbanken und weiteren verfügbaren Informationen abgeglichen. wie z.B. der Infrastrukturatlas der Bundesnetzagentur. Für die DSL-Versorgung haben wir ein Routing veranlasst, bei dem jeder Kabelverzweiger den entsprechenden Haushalten zugeordnet wurde. So konnten wir eine genaue Aussage zur leitungsgebundenen Versorgung in Kalkar treffen. Die Breitbandversorgung auf Grundlage drahtloser Technologien haben wir auf Basis von Datenlieferungen der Netzbetreiber für den Breitbandatlas ermittelt. Die Kunst ist, am Ende alle Daten zusammenzuführen, sie in verschiedenen Kartenwerken und Tabellen aufzubereiten, um den kommunalen Entscheidern so einen schnellen Gesamtüberblick über die IST-Versorgungssituation und den detaillierten Bedarf zu ermöglichen. Mögliche Netzlücken können wir toolgestützt und mit modernster Software realitätsnah simulieren.

Welche Rolle spielen vorhandene Infrastrukturen?

AW: Eine sehr große, denn damit kann eine Kommune beim Ausbau viel Geld sparen. Anhand einer umfassenden Datenbasis ermitteln wir, mit welchen Technologien und Netzstrukturen vorhandene Lücken in Kombination mit vorhandenen Infrastrukturen zügig zu schließen sind. Hier geht es um Sorgfalt im Detail und vor allem um umfassende technische Expertise. Wo kann z.B. die FTTC-Technologie (Fiber to curb – Glasfaser bis zur Bordkante) eine Möglichkeit bieten die gewünschte Bandbreite bereitzustellen? Wo muss Glasfaser neu verlegt werden? Wo gibt es Glasfasernetze, wo befinden sich Kabelverzweiger, Leerrohre und Trassen, kurz: bereits vorhandene Strukturen, die geeignet sind, Ausbaukosten zu senken? Dass in Kalkar vorhandene Leerrohre und Glasfasertrassen vorhanden waren, hat sich positiv auf die Kosten- und Wirtschaftlichkeitsberechnung eines möglichen Netzausbaus ausgewirkt. Die so genannte Verfügbarkeitsanalyse ist übrigens auch ein wesentlicher Bestandteil für einen späteren Förderantrag.

Im Rahmen einer Breitband-Beratung erstellen Sie auch eine Kosten- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung?

AW: Genau, und auch diese wird bei einem späteren Förderantrag benötigt. Sobald die Netzplanung steht, treten unsere Ökonomen auf den Plan. Sie ermitteln, was der Ausbau kostet und prüfen in der Kosten- und Wirtschaftlichkeitsberechnung, ob sich der Breitband-Ausbau finanziell trägt und der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen steht. In der Regel können ländliche Kommunen solche Projekte nicht aus eigener Kraft stemmen. Das war in Kalkar nicht anders. Deshalb war es notwendig, mehrere Finanzierungsmodelle durchzuspielen und potenzielle Fördermöglichkeiten auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zu prüfen. Bereits bei der Auswahl des Programms bzw. der Vorbereitung des Förderantrags kommt es darauf an, zu berücksichtigen, welchen rechtlichen und regulatorischen Bedingungen die Vergabe unterliegt, damit die Förderung später überhaupt greifen kann.

Förder- und Finanzierungsmodelle, damit der Ausbau auch in die Tat umgesetzt

Welchen Zweck hat eine Markterkundung bzw. Ausschreibung?
AW: Hier geht es darum, das Unternehmen zu ermitteln, das den späteren Ausbau realisiert. Dazu sind entsprechende Ausschreibungsunterlagen zu erstellen. Um seine Ziele wirklich zu erreichen, ist es wichtig, Anforderungen an den Netzbetreiber zu formulieren: In Kalkar mussten Netzbetreiber neben dem Befähigungsnachweis bzw. vergleichbaren Referenzen einreichen und angeben, welche Breitbandtechnologie sie einsetzen und welche Bandbreite sie anstreben. Mindestanforderungen waren 2 Mbit/s im Downstream und ein Versorgungsgrad von mindestens 95 Prozent im Ausbaugebiet. Darüber hinaus war eine Diensteverfügbarkeit von mehr als 97 Prozent im Jahresmittel sicherzustellen. Liegen die Angebote vor, sind Kommunen gut beraten, diese von Experten auf technologische und wirtschaftliche Plausibilität prüfen zu lassen, sprich: Ist der Anbieter mit dem günstigsten Preis-Leistungsverhältnis tatsächlich in der Lage, sein Angebot und genannten Bandbreiten auch genauso einzulösen? Sind die Ausbaustrategien und Lastszenarien schlüssig?

Welche Unterlagen hat die Stadt Kalkar mit dem Förderantrag eingereicht?

AW: Neben der Vorbereitung der Anlagen zur Ist-Analyse waren unter anderem die Unterversorgung nachzuweisen sowie die Kosten für den Ausbau. Um die Stadt Kalkar zu entlasten, hat TÜV Rheinland die Abstimmungsgespräche mit der Förderstelle des Landes geführt und die Vergabeentscheidung dokumentiert. Der Antrag wurde erfolgreich beschieden. Ende 2014 fiel in Kalkar der Startschuss für den Ausbau des schnellen Internets.