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02.11.2015 | Energie

Photovoltaik: Land darf den Anschluss nicht verpassen

Solar Cluster Baden-Württemberg legt „Thesenpapier zur Solarenergie in Baden-Württemberg 2020“ vor.

Die Photovoltaik ist ein weltweiter Megatrend mit zweistelligen Wachstumsraten und entwickelt sich zu einem zentralen Element der globalen Energieversorgung. Um Arbeitsplätze und Wertschöpfung der noch gut aufgestellten baden-württembergischen Solarbranche zu erhalten und auszubauen, muss der politische Rahmen vernünftig weiterentwickelt werden und darf nicht länger dazu dienen, die klimafreundliche Technologie hierzulande zu behindern. Das ist das Fazit eines aktuellen Thesenpapiers des Solar Clusters Baden-Württemberg. Geschähe in den nächsten Jahren nichts dergleichen, drohe der Anschluss an die weltweite Entwicklung verloren zu gehen, warnt die Branchenvereinigung. Damit sei der Standort im Südwesten gefährdet. Um der Gefahr entgegenzuwirken, müssten unter anderem das Ausschreibungsverfahren auf Bundesebene reformiert und die Flächennutzungsverordnung im Land flexibler gestaltet werden. Das „Thesenpapier zur Solarenergie in Baden-Württemberg 2020“ wurde am 2. November 2015 auf dem Solarbranchentag Baden-Württemberg erstmals vorgestellt.

Das globale Marktwachstum in der Photovoltaik (PV) betrug zwischen 1994 und 2014 durchschnittlich 50 Prozent pro Jahr. Im Jahr 2014 wurden PV-Anlagen mit einer Leistung von rund 45 Gigawatt (GW) weltweit neu installiert, für 2015 rechnen Marktforscher mit 55 GW. Bis zum Jahr 2020 erwarten Experten ein weiteres Wachstum von mehr als 15 Prozent pro Jahr, was zu einem Weltmarkt von mindestens 100 GW führen wird. Dies entspricht einem Umsatz von rund 200 Milliarden Euro für PV-Module und Zubehör wie Wechselrichter, Unterkonstruktion, Kabel und Installation.

Davon könnte auch Deutschland und insbesondere der Südwesten profitieren. Denn die Substanz der Branche ist trotz des schrumpfenden Inlandsmarktes noch vorhanden: Die baden-württembergische Solarbranche bietet Produkte und Dienstleistungen aus allen Bereichen der solaren Wertschöpfungskette an. Rund 1.000 Unternehmen mit insgesamt 10.000 Beschäftigten arbeiten in der Solartechnologie. „Diese regionale Wertschöpfung muss erhalten und ausgebaut werden“, fordert Dr. Carsten Tschamber vom Solar Cluster Baden-Württemberg. „Fehlen einzelne Elemente der Wertschöpfungskette, so kann sich dies negativ auf die gesamte Branche auswirken und zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen.“ So seien beispielsweise zahlreiche Forschungsinstitute auf den Maschinenbau als Partner in Förderprojekten angewiesen. Und Neuentwicklungen der Hersteller benötigten immer wieder Know-how aus der Forschung und von Zulieferern.

Hürden und Hindernisse beseitigen
Angesichts der restriktiven Rahmenbedingungen in Deutschland und des schwächelnden Heimatmarktes steht die globale Wettbewerbsfähigkeit jedoch auf der Kippe. Die deutschen Unternehmen brauchen einen starken Markt in Europa als Basis: Sie müssen zeigen können, dass ihre Produkte und Dienstleistungen unter den heimischen Bedingungen wettbewerbsfähig sind. Ein Markt, der aufgrund politischer Entscheidungen trotz drastisch sinkender Gestehungskosten des Photovoltaik-Stroms bestenfalls stagniert, ist kontraproduktiv für die internationale Wahrnehmung deutscher Unternehmen.
Was sich in den nächsten fünf Jahren ändern muss, damit baden-württembergische Solarunternehmen international den Anschluss nicht verlieren, haben die Autoren des Solar Clusters detailliert aufgeschrieben. Dazu gehören Maßnahmen des Landes zur Ankurbelung der Nachfrage wie die Erstellung eines Leitfadens für Städte und Gemeinden zu Freiflächenanlagen, um der Verunsicherung unter den Kommunen zu begegnen. In Bayern ist dies bereits erfolgreich umgesetzt worden. Auch müsse die öffentliche Hand stärker Vorbild sein und mehr Photovoltaik auf Landesliegenschaften oder öffentlichen Parkplätzen installieren.

Eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sollte allerhöchste Priorität genießen. Die Flächennutzungsverordnung des Landes etwa müsse flexibler gestaltet werden, auch Neubaugebiete müssten künftig so ausgewiesen sein, dass die Dachneigungen die Installation von Photovoltaik-Anlagen problemlos ermöglichen. Den größten Reformbedarf sehen die Autoren jedoch in der Bundespolitik: Die Freiflächenausschreibungsverordnung für Solarparks beispielsweise müsse deutlich mehr als durchschnittlich 400 Megawatt pro Jahr umfassen, die Hürden zur Teilnahme an einer Ausschreibung senken und die zur Verfügung stehenden Freiflächen um landwirtschaftlich genutzte Flächen ausweiten. Nur so könne die Energiewende vorangetrieben werden. Auch die Reform des EEG ab 2016 müsse die Hürden beseitigen, die einem weiteren dynamischen Ausbau der Solarstromtechnologie entgegenstehen. Zu diesen Hürden gehörten unter anderem die finanzielle Belastung des Eigenverbrauchs und der zu enge Ausbaukorridor.

„Die Photovoltaik ist eine Technologie, die zum industriellen Kern Baden-Württembergs und Deutschlands gehört“, so Tschamber. „Ziel jeglicher Reform sollte sein, diese klimaschonende, kostengünstige und umsatzträchtige Zukunftstechnologie nach Kräften zu fördern.“