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18.11.2015 | Energie

Expertenkommission bewertet Energiewende-Bericht der Bundesregierung

Die Energiewende kommt voran, wenn auch nicht so schnell wie ursprünglich geplant und erforderlich. Während in einzelnen Bereichen wie der erneuerbaren Elektrizitätserzeugung die Ziele für das Jahr 2020 erreicht oder übererfüllt werden dürften, reichen die bisherigen Fortschritte in anderen Bereichen noch nicht aus. Letzteres gilt vor allem für das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. Im Verkehr läuft die Entwicklung sogar in die falsche Richtung.

„Noch nie wurden in Deutschland so viele Kilometer mit dem Auto gefahren und mehr Güter auf der Straße transportiert als im vorigen Jahr. Zudem sind immer leistungsstärkere und schwerere Autos  unterwegs. Dadurch ist der Energieverbrauch im Verkehr deutlich gestiegen. Das Ziel, diesen bis 2020 um 10 Prozent zu senken, rückt damit in weite Ferne“, sagt Prof. Frithjof Staiß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und Mitglied der Energiewende-Kommission.

„Um bei der Energiewende Kurs zu halten, müssen zusätzliche Maßnahmen umgehend Wirkung entfalten“, betont Andreas Löschel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und Vorsitzender der unabhängigen Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“.
Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung einen umfangreichen Katalog von Gesetzesinitiativen und Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die drohende Verfehlung des Treibhausgasminderungsziels zu vermeiden. Schließlich muss das Tempo der Emissionsminderung in den wenigen Jahren bis 2020 gegenüber den bisherigen längerfristig angestrebten Minderungen mindestens verdreifacht werden. Auch beim Primärenergieverbrauch ist zur Zielerreichung mehr als eine Verdoppelung der Reduktionsrate notwendig.
Allerdings ist es bisher nicht gelungen, parlamentarische Mehrheiten gerade für vermutlich besonders wirksame Instrumente zu erzielen wie etwa die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Die Defizite liegen jetzt vor allem in der zeitnahen und wirkungsstarken Umsetzung der Beschlüsse. Dies gilt nicht nur für die Energieeffizienz, sondern beispielsweise auch für den Stromnetzausbau.
Aus Sicht der unabhängigen Expertenkommission sollten mögliche Verfehlungen einzelner Ziele des Energiekonzepts nicht allein der Politik zugeschrieben werden. So erschweren auch exogene Ursachen wie die niedrigen Weltmarktpreise für fossile Energien und CO2-Emissionsrechte das Erreichen der Energiewendeziele. Dies bietet jedoch keinen Grund dafür, die Ziele pauschal als zu ehrgeizig einzustufen.
So sind für die Berichtsperiode erste Erfolge im Hinblick auf die Bezahlbarkeit der Elektrizitätsversorgung erkennbar. Der von der Expertenkommission vorgeschlagene Indikator zur Bezahlbarkeit – der Anteil der aggregierten Letztverbraucherausgaben für Strom am Bruttoinlandsprodukt – ist von 2,5 % im Vorjahr auf 2,4 % leicht gesunken. Andererseits gibt es aber auch Anzeichen dafür, dass sich der Ausgabenanstieg wieder beschleunigen könnte. Die Expertenkommission begrüßt deshalb die Bemühungen der Bundesregierung, den weiteren Anstieg der Letztverbraucherausgaben zu bremsen – gerade angesichts der zahllosen Wünsche und Forderungen, deren Umsetzung mit zusätzlichen Ausgaben verbunden ist.
Für das weitere Energiewende-Monitoring ist es entscheidend, sowohl die Ursachen für mögliche Zielverfehlungen als auch die Maßnahmen und deren Beiträge zur Zielerreichung realistisch zu analysieren, um bei Bedarf mit Blick auf eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung „nachsteuern“ zu können. In ihren Kommentaren zu den jährlichen Monitoring-Berichten der Bundesregierung präsentiert die Expertenkommission dafür Empfehlungen.

Die Expertenkommission wird den konstruktiven und teilweise auch kritischen Dialog mit der Bundesregierung fortsetzen. Dass diese Zusammenarbeit fruchtbar ist, schlägt sich auch darin nieder, dass die Bundesregierung bereits zahlreiche Vorschläge aufgegriffen und umgesetzt hat.

Hintergrund zur Monitoring-Prozess und zur Expertenkommission "Energie der Zukunft":

Die Bundesregierung hat heute den vierten Monitoring-Bericht zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" veröffentlicht. Der Bericht bietet einen Überblick über den Stand der Umsetzung der Energiewende. Er wurde vom Bundeswirtschaftsministerium unter Beteiligung der anderen Ressorts und nachgeordneter Behörden erarbeitet. Zur Begleitung des Monitoring-Prozesses hat die Bundesregierung im Jahr 2011 eine Kommission aus unabhängigen Energieexperten berufen. Die Expertenkommission verfasst Stellungnahmen zum jährlichen Monitoring-Bericht beziehungsweise zum alle drei Jahre erscheinenden Fortschrittsbericht der Bundesregierung. Dabei geht es um die wissenschaftliche Einordnung und Bewertung der Berichte. Der Monitoring-Bericht der Bundesregierung und die Stellungnahme der Expertenkommission sind online verfügbar (siehe Link).

Die Mitglieder der Expertenkommission sind:

Prof. Dr. Andreas Löschel (Vorsitzender), Universität Münster;

Prof. Dr. Georg Erdmann, TU Berlin;

Prof. Dr. Frithjof Staiß, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW);

Dr. Hans-Joachim Ziesing, AG Energiebilanzen e.V. (AGEB)