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09.11.2015 | Stadtplanung

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Artenreiche Städte: Bepflanzung schafft Lebensraum

Der Artenschutz-Report 2015 des Bundesamts für Naturschutz stellt fest, dass ein Drittel der auf Roten Listen erfassten Arten in Deutschland in ihrem Bestand gefährdet sind. Einen zentralen Verursacher sieht die Fachbehörde in der Intensivierung der Nutzung von Natur und Landschaft. Sowohl bei Tieren wie bei Pflanzen hängt der Artenreichtum eines Lebensraums direkt von seiner Fläche ab. Wird ein Lebensraum verkleinert oder maßgeblich verändert, verliert er einen Teil seines Artenbestandes. So erklärt sich beispielsweise, dass moderne Agrarlandschaften, die überwiegend auf maschinelle Bearbeitung optimiert sind und in Monokultur bewirtschaftet werden, für andere Pflanzenarten keine Lebensräume mehr bieten. In solchen ausgeräumten Landschaften fehlen zum Beispiel Hecken, Raine und Böschungen, Baumgruppen oder natürliche Wasserflächen, die vielen Tieren, Pflanzen und Insekten Lebensraum und Nahrung liefern. Auch die Klimaveränderung trägt dazu bei, dass sich Lebensräume verändern. Ökologen beklagen, dass beispielsweise manche Zugvögel ihre Routen verändert haben, so dass große als Überwinterungsareale bekannte Schutzgebiete nicht mehr aufgesucht werden.

Die Artenvielfalt von Pflanzen und wildlebenden Tieren ist heute in Städten höher ist als in der freien Landschaft. (Foto: BdB)

Vielfalt ist wichtig

Aus der Ökologie wissen wir, dass die Vielfalt ein entscheidendes Kriterium einer intakten Natur ist, Monokulturen dagegen schädlich sind für alle anderen Lebewesen. Kein Wunder also, dass heute die Artenvielfalt von Pflanzen und wildlebenden Tieren in Städten höher ist als in der freien Landschaft. Dabei sind Städte unter anderem gekennzeichnet durch einen hohen Versiegelungsgrad sowie eine hohe Bevölkerungsdichte mit entsprechendem Verkehr und Lärm - insgesamt alles andere als typische Lebensräume für eine vielfältige Natur. Vor diesem Hintergrund und im Wissen, dass schon heute etwa drei Viertel der deutschen Bevölkerung in Ballungsräumen und Städten wohnt, hat die Bundesregierung bereits 2007 die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Erklärtes Ziel ist es, die Menschen in den Städten und Gemeinden für die Erhaltung der Biodiversität zu gewinnen bzw. den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. Eine ausreichende Versorgung mit Grünflächen wirkt sich direkt auf das Angebot an Naherholungsmöglichkeiten aus – am besten für die Bürger fußläufig erreichbar – und erfüllt zugleich wichtige ökologische Funktionen etwa für das Stadtklima.

Bäume und Sträucher schaffen grüne Grundstruktur

Städte sind als Lebensraum für Mensch und Natur von Extremen geprägt. Dort ist es wärmer und trockener als im Umland, weitere Belastungsfaktoren wie Lärm und Feinstaub kommen dazu. Die grüne Infrastruktur der Städte kann jedoch wesentlich als Puffer dieser Belastungen und zum aktiven Gesundheitsschutz beitragen. Diese Funktionen von Grünflächen werden in Zukunft von noch größerer Bedeutung sein, wenn unter den Vorzeichen des Klimawandels diese Extrembedingungen weiter verstärkt werden. Helmut Selders, Präsident des Bundes deutscher Baumschulen (BdB) e.V. betont: "Was viele nicht wissen, ist, dass Bäume und Sträucher das Gerüst des Grüns in der Stadt bilden und die Voraussetzung schaffen für abwechslungsreiche Gärten und öffentliches Grün. Je vielfältiger die Grünflächen in Städten sind, umso eher bieten sie Lebensräume für wildlebende Arten, haben positiven Einfluss auf das Stadtklima und umso mehr steigt die Lebensqualität der Menschen im direkten Wohnumfeld. So nützen Erhaltung und Ausbau der Artenvielfalt in den urbanen Räumen Deutschlands direkt der Natur und den Menschen. Die Stadt der Zukunft ist grün.“ Schon in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt von 2007 heißt es: „Bis zum Jahre 2020 soll die Durchgrünung der Siedlungen einschließlich des wohnumfeldnahen Grüns wie z.B. Hofgrün, kleine Grünflächen, Dach- und Fassadengrün, deutlich erhöht sein. Öffentlich zugängliches Grün mit vielfältigen Qualitäten und Funktionen soll spätestens in 2020 i.d.R. fußläufig für jeden erreichbar sein. Hierfür sollen alle vorhandenen Möglichkeiten genutzt werden, um die direkte Umgebung von Wohngebäuden zu verbessern – z. B. durch Entsiegelung, Hof- und Gebäudebegrünung, Rückbau und Beruhigung von Straßen.“

Umsetzung der Nationalen Strategie

Das im Oktober 2015 vom Bundesumweltministerium vorgelegte Handlungsprogramm "Naturschutz-Offensive 2020" enthält rund 40 Maßnahmen und Initiativen zur Verbesserung der Artenvielfalt. Auch im Rahmen der Städtebauförderung soll mehr Raum für Natur und Naturerleben geschaffen werden. Kommunen sind wichtige Partner zur Umsetzung der Nationalen Strategie und werden in verschiedenen Netzwerken und Programmen gefördert. 2012 gründete sich mit zunächst 60 Unterzeichnern das „Bündnis für biologische Vielfalt“, das auch vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unterstützt wird. Bis zum November 2013 waren es bereits mehr als 250 Kommunen, die die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ unterzeichnet hatten. Professor Beate Jessel, Präsidentin des BfN, erklärte das Engagement ihres Hauses so: „Den Kommunen kommt für den Erhalt der biologischen Vielfalt eine Schlüsselrolle zu. Denn gerade Siedlungsräume zeichnen sich durch eine beachtliche Vielfalt an Arten und Lebensräumen aus. Vor allem aber ist die kommunale Ebene diejenige Politikebene, die den Bürgern am nächsten ist. In den Städten und Gemeinden werden wesentliche konkrete Handlungsentscheidungen getroffen. Sie haben zudem die unmittelbare Möglichkeit, das öffentliche Bewusstsein zur Bedeutung der biologischen Vielfalt zu stärken.“

Der urbane Raum spielt aber auch in anderen Handlungsfeldern eine wichtige Rolle, so im Hinblick auf Bildung und Information, insbesondere wenn man Kinder und Jugendliche erreichen will, die nicht erst größere Entfernungen zurücklegen müssen, um eigene Naturerfahrungen zu machen. Hierzu sollen beispielsweise verstärkt Waldkindergärten eingerichtet, Schulgärten angelegt und genutzt, Naturerlebnisräume für Naturerfahrungen von Kindern geschaffen werden. Einige Kommunen loben eigens Wettbewerbe für naturnahe Gärten aus oder stellen die Artenvielfalt in Aktionen wie den „Offenen Gärten“ heraus. Von „Grünen Oasen mitten in der Stadt“ sprachen beispielsweise die Juroren des Wettbewerbs „Naturnahe Gärten Königswinter“ 2015 bei Bonn. Besonders hervorgehoben wurde die hohe Biotop- und Artenvielfalt. In einem Landschaftsgarten fanden sich allein 35 Libellen-Arten sowie sehr seltene Tierarten wie Eisvogel, Schleiereule und Mittelspecht. Auch die Heranführung von Kindern an Naturerleben ist ein wesentliches Ziel des Wettbewerbs. In den Gärten zählen dann Wildhecken, alte Bäume mit Spechthöhlen neben jungen Bäumen, aber auch naturnahe Nutzgärten als Pluspunkte.