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17.07.2015 | Allgemeine Meldungen

Daten- und Verbraucherschutzfragen durch beim Autofahren automatisch erfasste Daten

Moderne Autos werden nicht nur effizienter, auch die Vielzahl von elektronischen Daten, die innerhalb der Fahrzeuge gewonnen werden, eröffnen neuen Assistenz- und Hilfesystemen viele Möglichkeiten. Aber die Daten, die beim Autofahren automatisch erfasst und gesammelt werden, bringen neue Daten- und Verbraucherschutzfragen mit sich. Kritiker machen sich schon Gedanken darüber, ob das eigene Fahrzeug mit den gesammelten Daten dem Fahrer mehr hilft oder eher schadet.

Telematik, eCall und Datenschutz (Quelle: DATEV eG)

Zusätzliche Aktualität erhalten diese Fragen ab Oktober 2015. Dann sollen nach Beschlüssen der EU alle Neufahrzeuge mit dem automatischen Notrufsystem eCall ausgestattet sein. Die Sensoren des Systems erkennen schwere Unfälle und setzen automatisch einen Notruf ab: Die zuständige Rettungsleitstelle erhält unter anderem Informationen zum Standort und zur Fahrtrichtung des Havaristen, automatisch wird eine Sprachverbindung zu den Insassen des Unfallfahrzeugs aufgebaut. Ziel der EU-Politiker ist es, damit den Zeitraum zwischen einem Unfall und dem Eintreffen der Rettungskräfte auf ein Minimum zu reduzieren.

Schon heute nutzen nach einer Studie von hnw consulting rund sieben Prozent der Fahrzeughalter in Deutschland elektronische Telematik-Dienste, um beispielsweise ihre zurückgelegten Kilometer, ihr Fahrtempo oder ihr Bremsverhalten zu messen. Autohersteller, Software-Firmen und Zulieferer haben einen neuen Markt entdeckt, der riesige Expansionsmöglichkeiten bietet.

Außerdem drängen Prototypen autonomer Fahrzeuge ins Rampenlicht, Autos, bei denen Assistenz-Systeme mit den zentral erfassten sensorischen Informationen das Lenken, Bremsen oder Beschleunigen übernehmen. US-Marktforscher prophezeien, dass bereits in zehn Jahren allein in den USA jährlich rund 230.000 Käufer einen Selbstfahrer anmelden. In Deutschland gehen Experten davon aus, dass derartige Fahrzeuge bis 2035 einen Anteil von 20 Prozent bei Neuzulassungen erreichen werden. Die dafür verwendete Technik ist zum Teil bereits serienreif – halbautonome Helfer wie ABS, ESP, Lenkassistent oder Geschwindigkeits- und Abstandsregler sind bereits Routine.

Auch die Versicherungswirtschaft hat das Thema Telematik bereits für sich entdeckt. So bieten erste Kfz-Versicherungen bereits „Pay-as-you-drive“-Tarife an, bei denen die Fahrweise der Versicherten berücksichtigt wird. So können vorsichtige und vorausschauende Fahrer den Versicherungsbeitrag senken. Mit einer Telematik-Box werden dabei alle Fahrdaten aufgezeichnet und gespeichert. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Towers Watson können sich mehr als die Hälfte der europäischen Autofahrer vorstellen, einen solchen Tarif für ihre Autoversicherung zu wählen. Zahlreiche Datenschützer halten solche Tarife allerdings für bedenklich, sie warnen vor „Datenkrallen“, „Überwachungstarif“ und „Verwanzung“.

Aufhalten lässt sich die neue Technik kaum, denn in Oberklassefahrzeugen fährt die Black Box längst mit. „Die Kunden wissen häufig gar nicht, dass sie mit einem Computer unterwegs sind, der ständig Daten sammelt oder wie diese ausgewertet werden“, sagt Thilo Weichert, Landesbeauftragter für Datenschutz in Schleswig-Holstein.

Doch welche Daten werden bei solchen Prozessen aufgezeichnet, wozu werden sie genutzt und wem gehören sie? Welche Daten werden überhaupt produziert, betreffen sie das Fahrzeug, den Fahrer oder den Halter des Wagens? Hinter den Kulissen tobt längst ein heftiger Streit um die Frage, wer Zugriff auf die Daten der Autofahrer erhält. Ob Autohersteller, Autoclubs, Reparaturwerkstätten oder Autoversicherer – sie alle haben großes Interesse daran, bei Unfällen und Pannen zuerst informiert zu werden.

So können die aufgezeichneten Unfalldaten die Grundlage zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche bilden und auch Grundlage von Ordnungswidrigkeitsverfahren oder gar Strafverfahren werden. Der freie Zugriff auf die Daten würde dann die Verteidigungsmöglichkeiten des Autofahrers schwer einschränken.

Mit den Daten aus dem Fahrzeug könnte zwar der Autofahrer möglicherwiese belegen, dass er keine Fahrfehler begangen hat. Jedoch muss man bedenken, dass auf Anforderung des Staatsanwalts, des Unfallgegners oder der Versicherung nach einem Unfall Beweise gesichert und bei Gericht auch ohne Einwilligung des Autofahrers verwendet werden könnten. Das wäre vergleichbar mit einer Wohnungsdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss.

Bei der Planung und Entwicklung der Datenerhebung und -übertragung fordern Marktbeobachter daher vor allem Transparenz. Dr. Robert Mayr, Stellv. Vorstandsvorsitzender der DATEV, sagt: „Gerade bei solch personenbezogenen Daten sollte der Verbraucher letztlich selbst entscheiden dürfen, ob er sie übermittelt oder nicht.“ Auch der Wettbewerb verlange Rechtssicherheit für die Datenerhebung und -weitergabe, selbstverständlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass die gesammelten Daten auch anderweitig ausgewertet und geschäftlich genutzt werden.

Hans Link, Präsident der Rechtsanwaltskammer Nürnberg, fordert deshalb, der Gesetzgeber solle im Zuge der Einführung des europäischen eCalls zugleich die Chance nutzen und Regelungen für die Datenverarbeitung im Fahrzeug mit einschließen.

Prinzipiell müsse die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von einer Einwilligung des Käufers bzw. des Kfz-Besitzers abhängen. Link sagt: „Untergeschobene Einwilligungen an versteckter Stelle in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam.“ Die Einholung einer wirksamen Einwilligung werde nach Links Einschätzung vor allem dann zur Herausforderung, wenn eine technische Einrichtung eng oder gar untrennbar mit einem Auto verknüpft und die Nutzung des Fahrzeugs ohne diese Datenerhebung und -verarbeitung nicht möglich ist. Link vermutet: „Möglicherweise wird man in Zukunft auch beim Autokauf ein ‚Merkblatt zum Datenschutz‘ erhalten, wie dies bereits jetzt im datenintensiven Versicherungsbereich praktiziert wird.“

Nach Einschätzung des Präsidenten der Nürnberger Rechtsanwaltskammer ergibt sich eine weitere Herausforderung aus dem Umstand, dass der Halter und der Fahrer eines Autos nicht identisch sein müssen. Der Jurist mahnt: „Wenn über ein Fahrzeug erhobene Daten Rückschlüsse auf den Fahrer zulassen, wird auch er – nicht nur der Halter – über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten informiert werden und seine Einwilligung erklären müssen.“ Für denkbar hält er entsprechende Hinweise im Fahrzeug selbst, etwa im Cockpit-Display. Um die Wahrung ihrer informationellen Selbstbestimmung müssen sich Verbraucher kümmern. Autos stellen nach Meinung von Experten ohnehin nur einen Einstieg in die Vernetzung und damit die Kommunikation mit anderen IT-Systemen dar, sie sprechen vom „Internet der Dinge“. Die Zahl der Objekte wird weiter wachsen, künftig sollen dann auch Fernseher, Webcams, Thermostate, Türschlösser oder Waagen Daten erfassen, speichern und austauschen können.

Die Reihe „Ratgeber Steuer & Recht“ ist ein Angebot der Steuerberater- und Rechtsanwaltskammern Nürnberg sowie der DATEV eG.

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