Public Manager
19.12.2015 | Abfallwirtschaft

Schöne Bescherung für Elisabeth: Mit 91 auf dem Kran

Stellen Sie sich doch mal vor, Sie wären 91 Jahre alt und topfit. Sie kaufen am späten Vormittag gerade mit Ihrer Haushaltshilfe in Ihrem Supermarkt ein – und werden plötzlich ausgerufen, dass Sie als 555. Tagesbesucher etwas gewonnen hätten. Ein paar nette Leute nehmen Sie an der Kasse in Empfang, tun ein bisschen geheimnisvoll, verfrachten Sie in ein Auto und düsen mit Ihnen samt Haushaltshilfe los.

[Foto: Frank Rogner]

Gut eine halbe Stunde später stülpen Ihnen die sichtlich gut gelaunten Begleiter eine Augenbinde über, die sie erst wieder entfernen, als Sie auf dem Gelände eines mittelständischen Industriebetriebs mit zwei langen schlanken Schornsteinen angekommen sind: im Abfallkraftwerk RZR Herten.

Dort entpuppen sich Ihre Begleiter als Fernseh-Team des Westdeutschen Rundfunks und fragen Sie, warum man Sie wohl hierher „entführt“ hat. Sie haben natürlich keinen Schimmer und zucken mit den Schultern. Erkennen aber schließlich TV-Moderator Sven Kroll. Der 30-Jährige ist das Gesicht des WDR-Quotenhits „Der geschenkte Tag“. In dieser 30-minütigen Sendung des Westdeutschen Rundfunks werden Zuschauerwünsche erfüllt, von denen der Sender Wind bekommen hat.

Auf dem Gelände des RZR will man nun von Ihnen vor einer Fernsehkamera erfahren, in welchem Beruf Sie einst gearbeitet haben. Und Sie sagen: „Ich war 28 Jahre lang Kranführerin in der DDR, in Gera, bei der Maschinenfabrik Union, das war bei uns damals ein typischer Frauenberuf.“ Dann erinnern Sie sich weiter: „Wir haben den Kran auf dem Bauch liegend gesteuert, alle Kräne waren so konstruiert.“

Schließlich wollen die Herren wissen, ob Sie nicht schon lange einen geheimen Wunsch haben. Und jetzt blicken Sie argwöhnisch rüber zu Ihrer Haushaltshilfe Claudia Bokelmann und erklären den Fernsehleuten, Sie hätten der Claudia mal verraten, dass Sie nach 30 Jahren „unheimlich gern“ noch einmal einen Kran steuern würden. Aber Sie wissen immer noch nicht, was das ganze Tamtam hier eigentlich soll.

Schließlich überreicht Ihnen AGR-Kommunikationschef Michael Block eine Warnweste samt Schutzhelm, dessen gelbe Signalfarbe Sie nicht als Besucher, sondern als Mitarbeiter des Werks ausweist. Allmählich schwant Ihnen etwas. Die WDR-Leute erklären, dass Sie mit ihnen gemeinsam leider nicht auf einen hohen Baukran klettern könnten, aber hier – im RZR – da gebe es einen, dessen Steuerpult man mit dem Lift erreichen könne. Ehe Sie sich versehen, stecken Sie mit dem gesamten Team in einem Lastenaufzug.

Genau dies ist Elisabeth Schmidt aus Bergkamen-Oberaden gerade widerfahren! Ihre Haushaltshilfe Claudia Bokelmann (48) bekennt: „Ich habe dem WDR heimlich eine Mail geschickt, und sie haben sich sofort gemeldet.“ WDR-Autor Olaf Tack (42): „Frau Schmidt wäre auch gern Fallschirm gesprungen, doch dies schien uns zu riskant. Aber Kran führen? Da haben wir uns an den großen, zudem wettergeschützten Kran im RZR erinnert und angefragt, ob wir den Wunsch hier umsetzen können. Wir wurden mit offenen Armen empfangen.“

RZR-Kranführer Christof Matonia (58) wies die neue Kollegin gleich am Steuerpult ein: „So, Sie werden uns jetzt helfen, Abfall in Strom zu verwandeln.“ Kurze Erklärung des Sidesticks, der Knöpfe, Kippschalter, Hebel und Anzeigen, Ausrichtung der verschiedenen Monitore, zwei, drei Probeläufe mit dem tonnenschweren Greifer unter fachkundiger Assistenz – knapp 20 Minuten später transportiert Frau Schmidt (fast) eigenständig (und im bequemen Ledersessel statt platt bäuchlings) bereits 4,78 Tonnen Abfall Richtung Verbrennung, merkt gleich: „Bei der Fahrt muss man aber den Bremsweg des Greifers genau einkalkulieren.“ Christof Matonia nickt. Beim nächsten „Griff“ in den Abfall bleiben schon 5,16 Tonnen bei Frau Schmidt hängen. Sie strahlt, gewinnt sichtlich Spaß an ihrem neuen Job, versenkt schließlich ein ums andere Abfallbündel im Ofen.

Als der WDR 40 Minuten später soft zum Wiederaufbruch mahnt, feixt Jürgen Lagerpusch (48), der zweite Kranführer auf dieser Schicht: „Nix da, die Kollegin bleibt bis Schichtende – ich kann ja jetzt beruhigt Pause machen.“ Frau Schmidt lacht: „Hab` nichts dagegen.“ Räumt aber doch wieder den Sessel und drückt ihre beiden neuen „Kollegen“ und die Fernsehleute kräftig an sich: „Danke, danke, danke!“ Feuchte Augen bei allen Beteiligten.

Dann sucht Frau Schmidt ihre Haushaltshilfe Claudia, entdeckt sie schließlich hinterm Rücken von AGR-Sprecher Block und zeigt ihr schmunzelnd den Zeigefinger: „Eine alte Frau so reinzulegen – das gibt `ne Abreibung!“ Und alle lachen.

Der WDR berichtet in seiner Sendung „Der geschenkte Tag“ am 3. Januar 2016 um 17:55 bis 18:25 Uhr.