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14.12.2015 | Wasser und Abwasser

Integrale Sanierungs-Strategie für Abwasser-Pumpwerke entwickelt

Untersuchung bei den Ammerseewerken deckt Optimierungspotential bei Arbeitssicherheit und Energieverbrauch auf

Anlässlich einer Bestandsaufnahme der elektrischen Anlagen und der Fernwirktechnik an den Pumpstationen der Ammerseewerke gKU, die für die Ring- und Ortskanäle des Ammersee-Westufers sowie für die dazugehörige Kläranlage zuständig sind, entschieden die Verantwortlichen, dass auch in anderen Bereichen der Pumpwerke eine systematische Überprüfung stattfinden sollte, um Handlungsbedarfe rechtzeitig erkennen sowie deren Art und Umfang einschätzen und priorisieren zu können. Die mit dieser Aufgabe betraute GFM Beratende Ingenieure GmbH entwickelte zu diesem Zweck in Anlehnung an das DWA-Merkblatt M149-3 die Integrale Sanierungs-Strategie (ISS), die zusätzliche Bewertungskriterien wie Energieverbrauch, Maschinen- und Betriebstechnik mit einschließt und eine ganzheitliche, objektive Bewertung aller Abwasser-Pumpwerke ermöglicht. Neben einer Festlegung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen in der optimalen Reihenfolge konnte die Methodik, die sich auch für den Vergleich von Rückhaltebecken und anderen Kanalisationsbauwerken mit maschinentechnischer Einrichtung eignet, dazu genutzt werden, den Finanzierungsbedarf der nächsten Jahre in Abhängigkeit von der gewünschten Sanierungsqualität zu bestimmen.

„Wir haben 2014 eine Bestandsaufnahme der elektrischen Anlagen und der Fernwirktechnik durchgeführt, mit dem Ziel, die Fernwartungsanlage alle Pumpstationen zu modernisieren“, erläutert Christian Pachernigg, Leiter Abteilung Kanalnetz bei den Ammerseewerken. „Dabei ist deutlich geworden, dass auch andere Bereiche eines Pumpwerks, beispielsweise Anlagentechnik, Bauwerkszustand oder Arbeitssicherheit, überprüft werden sollten.“ Die Experten von GFM wurden daraufhin beauftragt, zunächst den Ist-Zustand zu ermitteln, um feststellen zu können, wo die größten Mängel bestanden und gegebenenfalls sofort gehandelt werden musste. In der Folge sollte auf Basis der Bestandsaufnahme dann ein Sanierungs- und Optimierungskonzept erstellt werden.

Neuartige Strategie für Abwasser-Pumpwerke

„Um die Frage zu beantworten, welche der 37 Pumpstationen zu sanieren wären beziehungsweise auch in welchem finanziellen Rahmen sich diese Maßnahmen bewegen würden, war eine systematische Vorgehensweise zweckmäßig, bei der jeder einzelne Untersuchungsgegenstand objektiv nach den selben Kriterien bewertet werden konnte“, erklärt Dr.-Ing. Ralf Mitsdoerffer, geschäftsführender Gesellschafter bei der GFM Beratende Ingenieure GmbH sowie Projektverantwortlicher. Entsprechend wurde in Anlehnung an das M149-3 die Integrale Sanierungs-Strategie für Abwasser-Pumpwerke und in diesem Zusammenhang eine Datenbank entwickelt, in der sämtliche relevante Objektdaten gesammelt werden und in der eine objektive automatische Bewertung des Bestands einer jeden Pumpstation erfolgen kann. „Das war für uns ein entscheidender Faktor, da ein großes Problem bei diesem Projekt darin bestand, dass die Pumpstationen sowohl vom Baujahr als auch von der maschinentechnischen Ausrüstung und vom Leistungsvermögen her sehr unterschiedlich sind“, so Pachernigg.

Die von GFM entwickelte Strategie, die sich nicht nur für Pumpstationen sondern auch für ähnliche Betriebseinrichtungen wie Rückhaltebecken und andere Sonderbauwerke der Kanalisation mit maschinentechnischer Einrichtung eignet, umfasst fünf wesentliche Schritte: Zunächst werden alle bekannten Daten der Untersuchungsgegenstände zusammengetragen, dann eine klar strukturierte, geführte Bestandsaufnahme vor Ort mit standardisierten Schadensbildern durchgeführt und der Ist-Zustand durch Einteilung der Pumpstationen in Objektklassen abgebildet. Anschließend werden Optimierungsmaßnahmen zum Erreichen der vom Auftraggeber festgelegten Standards oder Zielobjektklassen entwickelt und zuletzt Kostenrechnungen sowie Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erstellt.

Neue Bewertungskriterien entwickelt

„Der Grundgedanke dieser Bewertungsmethodik wurde aus dem M-149 übernommen. Nachdem sich das Merkblatt allerdings insbesondere auf das Kanalsystem, also auf rein bautechnische Bauwerke bezieht, mussten wir weitere Bewertungskriterien heranziehen, um Pumpstationen analog bewerten zu können“, erklärt Mitsdoerffer. So entwickelten die Experten von GFM beispielsweise für die Bereiche Maschinen- und Betriebstechnik sowie Energieverbrauch eigene Bewertungskriterien und modifizierten aufgrund der gestiegenen Zahl der Untersuchungsbereiche und der größeren Anzahl möglicher Schäden die Ermittlungsmethodik für die Objektklassen. „Im Gegensatz zum M-149 musste bei der ISS das Bewertungssystem viel feiner justiert werden, um eine Differenzierung bezüglich der Schadensrelevanz zwischen den einzelnen Pumpstationen zu ermöglichen“, erläutert der Projektverantwortliche.

Aus diesem Grund erfolgt etwa die Gewichtung der Untersuchungsbereiche unter Berücksichtigung der Schadensrelevanz: Probleme im Bereich der Arbeitssicherheit werden beispielsweise am Stärksten aufgewertet, da hier eine Gefahr für Leib und Leben bestehen kann. Die Bautechnik hingegen verursacht zwar bereits bei kleinen Schäden relativ hohe Kosten, hat jedoch erst bei starken Schäden Einfluss auf die Funktion einer Pumpstation und wird daher abgewertet. „Außerdem wurde die Gewichtung der einzelnen Bereiche in Abhängigkeit der möglichen Anzahl von Schäden des jeweiligen Bereichs und der möglichen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen gewählt“, so Mitsdoerffer.

Systematische Einteilung in Schadensklassen

Die Vorteile einer Analyse mittels ISS sind vielfältig und fangen schon beim verbesserten Wissensmanagement an: Alle Bestandsunterlagen wie Bauwerksdaten, Maschinenkennwerte, Schadensbeschreibungen, Fotodokumentationen, Pläne und Betriebsanleitungen befinden sich gesammelt in der Datenbank. So kommt es bei einem Personalwechsel zu keinem Wissensverlust und sowohl der Facharbeiter vor Ort als auch der Ingenieur im Büro hat Zugriff auf die Objektdaten. Diese können auch gleichzeitig von verschiedenen Personen und damit effizienter bearbeitet werden. „Neben einer vollständig automatischen Pumpstationsbewertung durch die eingearbeiteten Algorithmen ist auch eine Dateneingabe vor Ort mittels Tablet oder Smartphone möglich. So können bei der Bestandsaufnahme direkt in der Pumpstation die Schadensbeschreibung und eine Fotodokumentation in der Datenbank angelegt werden. Zudem lassen sich dort abgelegte Informationen zu Leistungs- und Bauwerksdaten sowie Altschäden abfragen“, erklärt Mitsdoerffer.

Der wesentliche Unterschied gegenüber anderen Vorgehensweisen ist jedoch die systematische Bewertung des Bestands. Ermöglicht wird diese insbesondere durch die Objektivität der Schadensbewertung mit Hilfe des Schadenskatalogs und eines fest vorgegebenen Wertungsalgorithmus sowie durch die Festlegung der Sanierungsreihenfolge mittels der berechneten Objektklasse. Die Einteilung der Schäden in die verschiedenen Schadensklassen beruht dabei auf technischen Regelwerken und Erfahrungswerten. Mit dem von GFM entwickelten standardisierten Schadenskatalog wird die immer gleiche Bewertung ähnlicher Schäden auch durch unterschiedliche Sachbearbeiter ermöglicht. „Wir haben vor, diesen Katalog im Zuge von zukünftigen Bestandsaufnahmen noch zu erweitern“, erklärt Mitsdoerffer.

Maßnahmenkatalog und Finanzierungsbedarf

Durch die vorhandene Schadensliste und die vorgegebene, zu erreichende Objektklasse gestaltet sich die anschließende Entwicklung des Maßnahmenkatalogs zur Schadensbehebung besonders einfach. „Der Betreiber gibt eine zu erreichende Objektklasse an. Daraufhin wird bei jeder Pumpstation in der Schadensliste geprüft, welche Schäden zu beheben sind, damit die Pumpstation die avisierte Klasse erreicht“, erläutert Mitsdoerffer. Und schließlich vereinfacht die ISS auch das Abschätzen des Finanzierungsbedarfs mittels Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen: Da durch den Einsatz der Datenbank die Bestandsdaten kontinuierlich beziehungsweise zyklisch gepflegt werden können und so der Zustand der Untersuchungsgegenstände nach der ersten Studie mit relativ geringem Aufwand im Auge behalten werden kann, lässt sich der Finanzierungsbedarf auch für die folgenden Jahre ohne das Erstellen einer neuen Studie abschätzen. „Außerdem werden regelmäßig auftretende Schäden erkannt, sodass die Ursache dafür analysiert und beseitigt werden kann“, so der Experte.

Nach dem Abschluss der Untersuchungen mittels ISS bewerten die Ammerseewerke als besonders positiv, dass das Unternehmen nun genauestens über die derzeitige Qualität seines Bestandes Bescheid weiß: „Vor allem in Hinblick auf den Energieverbrauch wurde bei einigen Pumpstationen Handlungsbedarf erkannt, der so im laufenden Betrieb nicht deutlich geworden wäre“, erklärt Pachernigg. „Außerdem wurden Probleme im Bereich des Arbeitsschutzes aufgedeckt, die durch den jahrelangen Betrieb und die Gewöhnung an die Situation bis dato nicht aufgefallen sind. Andererseits wurden Probleme, deren Lösung wir zuvor als gravierend erachtet haben, relativiert.“ Der größte festgestellte Sanierungsbedarf war der komplette Neubau einer Pumpstation; hier stellte sich eine Sanierung als deutlich unwirtschaftlicher heraus. Die größte Anzahl an Schäden lag im Bereich der Bautechnik, wobei es sich aber um leichte Schäden handelte.

Umsetzung der Sanierungsempfehlungen

Die größten Optimierungspotentiale wurden jedoch in den Bereichen Arbeitssicherheit und Energieverbrauch festgestellt. „Die Sanierungsempfehlungen zum Energieverbrauch wurden im Rahmen der Erneuerung der Fernwirkanlage umgesetzt, zum Beispiel durch den Einbau von Frequenzumformern neuester Bauart“, so Pachernigg. „Kleinere Sanierungen hat unser Personal nach Abschluss der Bestandsaufnahme durchgeführt, vor allem die Verbesserung der Lüftung, Zusatzmaßnahmen im Bereich der Arbeitssicherheit und kleinere Ausbesserungen an den Gebäuden und den Maschinen.“ Zukünftig ist geplant, eine Pumpstation zu erneuern und eine weitere umfassend zu sanieren. GFM strebt nach diesem sehr erfolgreichen Projekt eine Weiterentwicklung der ISS an: „Um die Nachhaltigkeit dieser neuartigen Strategie zu gewährleisten, möchten wir zusammen mit Kooperationspartnern die Entwicklung einer Software sowie die Differenzierung des Schadenskatalogs in Angriff nehmen“, erklärt Mitsdoerffer.

Die Ammerseewerke sind ein gemeinsames Kommunalunternehmen der Gemeinden Dießen, Eching, Finning, Greifenberg, Raisting, Schondorf, Utting und Windach und wurden im April 2012 gegründet. Als Rechtsvorgänger dieses Kommunalunternehmens war seit dem Jahre 1954 der Zweckverband zur Abwasserbeseitigung Ammersee-West für die Abwasserentsorgung und Abwasserbehandlung auf der Westseite des Ammersees zuständig. Ab dem Gründungsjahr wurde sukzessive die Erschließung der einzelnen Gemeinden verwirklicht und so das Ökosystem des Ammerseebereichs bereits Mitte des letzten Jahrhunderts gestärkt und bewahrt. Nach der Fertigstellung der Kanalbauabschnitte wurde im Jahre 1968 mit dem Bau der Kläranlage Ammersee in Eching am Ammersee begonnen und diese 1972 in Betrieb genommen. Ab Mitte der 1980er Jahre bis Ende der 1990er Jahre erfolgte die Erschließung der Randgemeinden zum Ammerseebereich, womit eine großflächige Abwasserentsorgung gesichert wurde.

Die GFM Beratende Ingenieure GmbH wurde vor etwa 90 Jahren als Büro für Tragwerksplanung in München gegründet. Vor circa 30 Jahren kam die Sparte Abwassertechnik hinzu. Heute ist das Unternehmen ein unabhängiges Ingenieurbüro mit rund 40 Mitarbeitern, das in den Bereichen Infrastruktur, Gebäude und Energie komplette Ingenieurdienstleistungen aus einer Hand anbietet. GFM ist seit 2005 nach ISO 9001 und ISO 14001 sowie seit 2015 nach ISO 50.0001 "Energiemanagement" zertifiziert.