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17.08.2015 | Wasser und Abwasser

Umweltfreundliche Wärme aus Abwasser

Dem einen stinkt’s, für den anderen ist es Teil eines intelligenten Energiekonzepts: Klärschlamm. Zugegeben, jedermanns Sache ist das nicht. Doch wer sich professionell mit Abwässern und deren Reinigungsprozessen beschäftigt, kommt auf Ideen. So wie der Zweckverband Abwasserbeseitigung Hengersberg-Niederalteich, Betreiber eines Klärwerks in der kleinen Gemeinde Niederalteich im Kreis Deggendorf. Sie nutzen den anfallenden „warmen“ Klärschlamm zur Gewinnung von Heizenergie für ihr Betriebsgebäude. Geplant und realisiert wurde das unkonventionelle Wärmepumpenprojekt von Stiebel Eltron.

(Fotos: STIEBEL ELTRON)

Wer sauberes Wasser will, muss investieren. So wie der Zweckverband Abwasserbeseitigung im Raum Hengersberg, Niederbayern: Im Jahr 2012 wurde die örtliche Kläranlage in Niederalteich aufwändig saniert und ausgebaut. Ausgelegt ist sie für den Bedarf von bis zu 28.000 Einwohnern, derzeit sind rund 500 Gewerbebetriebe mit einem erhöhten Klärbedarf angeschlossen, dazu kommen rund 10.000 private Haushalte. Die Gesamtmenge des täglichen Brauchwassers ist allerdings stark vom jeweiligen Wetter abhängig: Bei Regen gelangen über 12.000 m3 in die Anlage, an trockenen Tagen sind es teilweise nur 2.800 m3.

Es wurde das Betriebsgebäude im Erdgeschoss komplett renoviert und um ein Obergeschoss aufgestockt, außerdem wurden neue Klärbecken dazugebaut – zwei sogenannte Belebungsbecken. Und die haben es in sich, und zwar in Form von Kollektoren, die dem Beckeninhalt Wärme entziehen und diese anschließend der Wärmepumpe zuführen. Das gelingt, weil im Belebungsbecken das Abwasser durch aerobe Mikroorganismen „bearbeitet“ wird. Deren Stoffwechselaktivität wiederum garantiert das ganze Jahr über eine relativ hohe Grundtemperatur – im Sommer liegt sie bei rund 14 C°, im Winter bei mindestens 5 C°, der Schnitt pro Jahr beträgt etwa 12 C°.

Im Prinzip arbeiten die beiden Kollektoren in den 3.000 m3 fassenden Klärbecken wie Erdkollektoren, nur dass man sich in Niederalteich die dafür notwendigen Bohrungen sparen konnte – und natürlich auch die Kosten dafür. Stattdessen sind sie mit PE-Rohren verbunden, die in Schleifen an den jeweiligen Innenwänden der beiden Becken angebracht sind. Insgesamt 500 m Rohrleitungen wurden verbaut, aufgrund des korrosionstechnisch vergleichsweise aggressiven Abwassers sind sie mit Spezialhalterungen aus Edelstahl befestigt − und zwar mit 15 cm Abstand zur Beckenwand, damit sich keine Schwebteile in der Konstruktion festsetzen können. Realisiert hat diese Lösung der Heizungsbauer Markus Wasmeier aus dem benachbarten Aidenbach. Ganz wichtig aber war, dass die Planungen für diese unkonventionelle Lösung vor dem Baubeginn bereits fix und fertig waren. So konnten beispielsweise nach den Vorgaben des Büros EBB Ingenieurgesellschaft aus Regensburg beim Gießen des Betonbeckens die Durchführungen gleich mit ausgespart werden.

Hinter der Anlage steht ein Heizkonzept mit regenerativer Energie, das im Zuge der Renovierung des Betriebsgebäudes realisiert wurde. Anstelle der alten Ölheizung sorgt dort jetzt eine Sole/Wasser-Wärmepumpe von Stiebel Eltron für die Beheizung und Warmwasserbereitung. Zum Einsatz kam der Typ WPF 10 mit 13 kW Heizleistung. Im Technikraum des Gebäudes untergebracht sind außerdem ein Pufferspeicher SBP 200 E mit 200 Litern Fassungsvermögen sowie ein Warmwasser-Standspeicher SBB 302 WP mit 300 Litern und einer Wärmetauscherfläche von 4,8 qm – es handelt sich um den kleinsten verfügbaren Speicher mit der größten Wärmetauscherfläche. Sie überträgt die Wärme besonders effizient.

Die Wärmepumpe versorgt über den Pufferspeicher die Fußbodenheizung im Betriebsgebäude, die beheizbare Grundfläche beträgt knapp 150 m2. Hinzu kommt der einzige Heizkörper im Gebäude, der aber auf die Fußbodenheizungstemperatur ausgelegt ist, so dass kein Mischer nötig ist. Die Warmwassertemperatur ist auf 47 °C voreingestellt, zur Legionellenprophylaxe wird sie einmal am Tag auf über 60 °C hochgefahren. Neben den üblichen Entnahmestellen etwa in der Küche muss auch eine Dusche mit Warmwasser versorgt werden. Da bis zu vier Personen auf dem Betriebsgelände arbeiten, wurden entsprechende tägliche Duschgänge ins Konzept eingeplant.

Die Idee zu dieser unkonventionellen Wärmegewinnung aus Klärschlamm stammt vom Niederalteichner Klärmeister selbst. In Manfred Knapp, dem Vertriebsbeauftragten von Stiebel Eltron für diese Region, fand er einen kongenialen, weil experimentierfreudigen Partner. Die Grundsatzentscheidung, im Zuge der Renovierung und Erweiterung erneuerbare Energien zu nutzen, fiel allerdings auf „höherer“ Ebene: für Bürgermeister Christian Mayer steht moderne und umweltschonende Technik ganz obenan – und für ihn ist das Klärwerk ein Vorzeigeprojekt, von dem er sich wünscht, dass es Schule macht und Nachahmer findet. Der Haken bei der Sache: Diese originelle Lösung eignet sich ausschließlich für kommunale Abwasserreinigungsanlagen. Allerdings gibt es davon allein in Deutschland knapp 10.000. Und ganz sicher sind darunter zahlreiche mit Renovierungsbedarf.