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28.08.2015 | Gesundheitswesen und Hygiene

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MEDICA HEALTH IT FORUM spiegelt zukunftsweise Trends der Gesundheits-IT

Neue Möglichkeiten der Digitalisierung von Prozessen fördern stets zugleich den „Datenhunger“ verschiedenster Akteure. Was generell gilt, das gilt auch in Bezug auf Gesundheits- und Patientendaten. Welchen Nutzen bringen neuen Technologien – und welche Risiken? Und wie können digitale Prozesse, die zusätzliche Daten erzeugen, letztlich sogar dem wachsenden Bedürfnis nach Patientensicherheit dienen? Das sind Themen beim MEDICA HEALTH IT FORUM in Messehalle 15 im Rahmen der weltgrößten Medizinmesse MEDICA vom 16. bis 19. November 2015 – also ab diesem Jahr mit neuen Laufzeittagen von Montag bis Donnerstag.

(Foto: Messe Düsseldorf)

Das Sammeln von Daten ist ein Mittel der Wahl, Probleme beispielsweise bei Medizinprodukten schneller aufzudecken. So sind die seit einigen Jahren laufenden Arbeiten an der europäischen Medical Device Regulation eine Reaktion auf den weltweiten Skandal um minderwertige Brustimplantate eines französischen Herstellers. Eine neue Pflicht zur eindeutigen individuellen Kennzeichnung von Medizinprodukten soll Bestandteil dieser Maßnahmen werden. Diese Pflicht zur einheitlichen Identifizierung wird auch als Modul vom Freihandelsabkommen „Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) gehandelt. Zumindest sind die USA derzeit diesbezüglich Vorreiter. Die dortige Zulassungsbehörde FDA schreibt bereits in einem gewissen Umfang die Unique Device Identification (UDI) vor. Eine Harmonisierung der internationalen Regelungen liegt nun nahe.

Geplant ist: Jedes einzelne Gerät soll mit einer individuellen Nummer gekennzeichnet werden und diese in einer Datenbank auf europäischer Ebene gespeichert werden. Dort sollen alle Implantate mit Typ, Seriennummer, Ort und Datum des Einsatzes, anonymisierten Patientendaten und etwaigen Vorkommnisse verzeichnet werden. Jedes Medical Device soll somit elektronisch auslesbar werden. Als Codearten werden zwar voraussichtlich zunächst nur lineare Barcodes oder „Data Matrices“ verlangt. Das Scannen so markierter Medizinprodukte könnte Krankenhäusern und Herstellern immerhin helfen Beschaffungsabläufe vom Wareneingang über Lager bis zum Verbrauch zu optimieren sowie die Dokumentationen und Zuordnungen zu vereinfachen. Aber was ist mit der Patientensicherheit? Die „Radiofrequente Funktechnologie“ (RFID) ist beim derzeitigen Stand der Gesetzgebung nur als zusätzliche Option für die Zukunft vorgesehen. Rechtsanwalt Prof. Christian Dierks, Kanzlei Dierks + Bohle, macht aufmerksam darauf: „Die Medizinprodukte mit einem UDI können auch zu einer weiteren Datenerhebung im klinischen Alltag verwendet werden.“ Die Vollerfassung werde auf andere Beine gestellt. „Man stelle sich vor, der Hüftkopf-Implantierte könnte an seiner App messen, wie die Belastung an seinem Hüftkopf ist.“ Eine Hüftprothese mit integrierter Sensorik und drahtloser Datenübertragung stellte das Fraunhofer Institut bereits vor rund zwei Jahren vor. Dierks meint, er rechne mit einem Inkrafttreten der Verordnung im nächsten Jahr. Er erinnert daran, dass eine europäische Verordnung mit Verkündung auch in den Nationen gelten wird. Die Sammlung von Daten zum Nutzen der Patientensicherheit wird also nicht nur technisch, sondern auch gesetzgeberisch derzeit vorangetrieben. Die Rolle Europas für das deutsche Gesundheitswesen wird das MEDICA HEALTH IT FORUM diesbezüglich genauer beleuchten.

Big Data aufhalten? Nein, besser mitgestalten!

Die Sammlung und Speicherung von Daten, die Verknüpfung unterschiedlicher Datensätze sowie ihre Nutzung und Anwendung versprechen jedenfalls große Fortschritte in der Medizin. Sie bringen aber auch ethische und rechtliche Herausforderungen mit sich. Erst kürzlich appellierte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Prof. Christiane Woopen: „Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Menschen sich durch biologisierte und numerifizierte Selbstwahrnehmung und Lebensführung sowie durch datengetriebenen Effizienzhype und Optimierungswahn nicht hinter sich lassen, sondern in einem erfüllten Leben zu sich und zueinander kommen.“ Klar wurde im Symposium: Der EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger, steht in der Verantwortung, die Bedingungen in Europa so zu gestalten, einerseits Big Data als europäische Forschungsaufgabe und Motor für Entwicklung im Gesundheitswesen zu identifizieren und andererseits die möglichen Gefahren abzuwenden. Oettinger bekundete beim Symposium des Ethikrates: „Technik kann man gestalten. Verbieten und aufhalten wird nicht gehen.“ Er ist für das MEDICA HEALTH IT FORUM angefragt. Fest steht bereits, dass Prof. Eckhard Nagel, Mitglied im Deutschen Ethikrat, das Forum-Thema „Big Data“ moderieren wird.

Per Videokonferenz den Arzt kontaktieren

Natürlich bleibt auch das Verhältnis des Patienten zu seinem Arzt von dieser digitalen Revolution nicht unberührt. Ein Beispiel sind telemedizinische Sprechstunden. Die sind nicht überall gern gesehen – dennoch gewinnen sie auch und vor allem im ländlichen Raum an Bedeutung. Dr. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer, schildert, dass beispielsweise „Patientus“ in Schleswig-Holstein weitgehend akzeptiert sei. Ärzte können dies als Bestandteil der Arzt-Praxis-Software ihren Patienten anbieten. „Patientus“ funktioniert einfach: Ein Patient kann seinen Arzt jederzeit und von überall in einer privaten Videokonferenz kontaktieren. Die medizinischen Videokonferenzen zwischen Arzt und Patient können und sollen dabei den regulären Arztbesuch nicht ersetzen, sondern diesen optimal vorbereiten und sinnvoll ergänzen. Der persönliche Kontakt zwischen hilfesuchendem Patient und fachkompetentem Arzt wird so ortsunabhängig möglich. Die körperliche Untersuchung sowie die anschließende Behandlung finden nach wie vor beim Arzt vor Ort in der Praxis statt. Das Projekt wird im Rahmen des MEDICA HEALTH IT FORUM vorgestellt.

Ministerin Wanka stellt richtungsweisendes Förderkonzept vor

Doch sind viele Projekte in der Gesundheitstechnologie noch nicht so erfolgreich. Prof. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, wird im Rahmen des MEDICA HEALTH IT FORUMs ein neues, richtungsweisendes Förderkonzept zur Medizininformatik vorstellen. Ziel des Förderkonzepts ist es, die Patientenversorgung und die Forschungsmöglichkeiten durch innovative IT-Systeme zu verbessern. In den vergangenen Jahren haben dabei Hochdurchsatztechnologien die Gesundheitsforschung revolutioniert. Heute werden in kürzester Zeit große Mengen an Forschungsdaten generiert. Gleichzeitig stehen mit der zunehmenden Digitalisierung in der Medizin immer mehr elektronische Daten aus der Patientenversorgung zur Verfügung. Zusammen haben diese Daten das Potenzial, die Diagnose und Therapie von Krankheiten entscheidend zu verbessern. Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen Daten aus Forschung und Patientenversorgung zusammengeführt und in Wissen übersetzt werden. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass in der Medizin sehr unterschiedliche Datentypen integriert werden müssen – beispielsweise Erbgutinformation mit einem Blut- oder Röntgenbild. Bei der Interpretation neuer Daten müssen große Mengen an Fachliteratur, Ergebnissen und bestehenden Daten aus der biomedizinischen und klinischen Forschung berücksichtigt werden. Schließlich muss neu gewonnenes Wissen so aufbereitet werden, dass der Arzt daraus schnell die bestmögliche Behandlung für seinen Patienten ableiten kann.

Für all diese Schritte entwickelt die Medizininformatik technische Werkzeuge. Sie beschreibt und analysiert, modelliert und simuliert medizinische Prozesse mit dem Ziel, neues Wissen zu generieren, Versorgungs- und Forschungsabläufe zu optimieren und die Akteure im Gesundheitswesen zu unterstützen. Innovationskraft, Wettbewerbs- und Anschlussfähigkeit unseres Forschungs- und Gesundheitssystems werden zunehmend auch von einer leistungsfähigen Medizininformatik abhängen. Das Förderkonzept Medizininformatik soll dazu beitragen, das Forschungsfeld Medizininformatik in Deutschland zu stärken und die Patientenversorgung nachhaltig zu verbessern. Einzelheiten des Förderkonzepts wird Bundesforschungsministerin Wanka in Düsseldorf bei der MEDICA 2015 am 16. November vorstellen.

Neue Chance für Start-Ups beim „eHealth Venture Summit“

Zudem geht der "eHealth Venture Summit" in eine neue Runde. Das internationale Format lockte bereits im vergangenen Jahr 26 Start-Ups vor allem aus dem Ausland wie Amerika und Taiwan. Hier werden IT und Investment zusammengebracht. Binnen fünf Minuten stellen die Start-ups vor Ort ihre Ideen vor. Eine hochkarätige Expertenrunde aus Investoren, Industrie und Wissenschaft bewertete die Ideen. Der Sieger erhielt einen Pokal mit Video zur Vorstellung des Produktes. Vorgestellt wurden im vergangenen Jahr Ideen wie das Diabetes-Tracking oder eine Online-Physiotherapie eines jungen Unternehmens aus Israel, das mit dieser Idee siegte.

Die vor genannten Beispiele zeigen: Auch in diesem Jahr bietet das MEDICA HEALTH IT FORUM wieder eine Fülle spannender Themen, hochkarätige Redner und Raum für fachliche Diskussionen über den gesamten Zeitrahmen des Forums und der MEDICA 2015 hinweg.