Keine EU-Bereichsausnahme für den Rettungsdienst -- Rechtsgutachten: Primärrecht gilt weiterhin
Die im April 2014 in Kraft getretenen, neuen EU-Vergaberichtlinien sehen für den Katastrophenschutz, Zivilschutz und die Gefahrenabwehr eine sogenannte Bereichsausnahme vor. Nach dieser können Rettungsdienstleistungen unter eng gefassten Voraussetzungen direkt an gemeinnützige Hilfsorganisationen vergeben werden. Diese Bereichsausnahme findet jedoch keine Anwendung auf den deutschen Rettungsdienst. Zu diesem Ergebnis kommt ein umfangreiches Rechtsgutachten der internationalen Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, das im Auftrag der Falck-Unternehmensgruppe erstellt worden ist.
Das Gutachten bestätigt ein erstes Gutachten des Bundesverbandes eigenständiger Rettungsdienste und Katastrophenschutz e.V., das zum gleichen Resultat kam. Rettungsdienstleistungen fallen demnach weiterhin unter das europäische Primärrecht und müssen somit auch in Zukunft transparent und chancengleich ausgeschrieben werden.
Die Vergaberichtlinie 2014/24/EU und die Konzessionsrichtlinie 2014/23/EU enthalten in Art. 10 lit. h) bzw. Art. 10 Abs. 8 lit. g) eine gleichlautende Ausnahmevorschrift, die die dort genannten Leistungen von der Anwendbarkeit der jeweiligen Richtlinie ausnimmt. Der deutsche Gesetzgeber ist zunächst nicht verpflichtet, diese Ausnahmevorschriften umzusetzen. Im Falle einer Umsetzung muss sich der Gesetzgeber allerdings streng an dem Wortlaut der EU-Vorschriften orientieren. Das federführende Bundeswirtschaftsministerium kündigte bereits in einem Eckpunktepapier an, dass möglichst eine „eins zu eins“-Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht vorgesehen sei.
Eine Ausnahmevorschrift kann somit in Deutschland nur für Rettungsdienstleistungen gelten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Maßnahmen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr stehen. Der alltägliche Rettungsdienst, der in Deutschland eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, fällt somit nicht unter diese Ausnahmeregelung.
Das Rechtsgutachten kommt überdies zu der Feststellung, dass weitere Tatbestandsmerkmale der Ausnahmevorschriften in Deutschland nicht vorliegen würden. So dürften zum Beispiel die EU-Anforderungen an eine sogenannte „gemeinnützige Organisation“ von den in Deutschland tätigen Hilfsorganisationen regelmäßig nicht erfüllt werden.
Eine Direktvergabe von alltäglichen Rettungsdienstleistungen an Hilfsorganisationen oder eine andersartige Zugangsbeschränkung wäre unzulässig, da das EU-Primärrecht verletzt werden würde. Das EU-Beihilfenrecht fordert generell ein transparentes, diskriminierungsfreies Verfahren.
Direktvergaben wären zudem mit dem deutschen Verfassungsrecht nicht vereinbar, da sie einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen würden.
Für die Vergabe von Regel-Rettungsdienstleistungen muss folglich ein Verfahren eingeführt werden, das den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung gerecht wird. Ausschlaggebend für die Auftragsvergabe müsse das beste Preis-Leistungsverhältnis sein. Die Rechtsform des Wirtschaftsteilnehmers dürfe hierbei keine Rolle spielen. Das Auswahlverfahren kann entsprechend der Vorgaben der Art. 74 ff. Vergaberichtlinie bzw. nach den Vorgaben der Konzessionsrichtlinie flexibel ausgestaltet werden. Damit werde der zeitliche und finanzielle Aufwand der Kommunen wirksam begrenzt, eine rechtssichere Vergabe sei dennoch gewährleistet.