Public Manager
04.10.2014 | Geodaten, Messen, Stadtplanung

3D-Stadtmodelle: „Längst kein Selbstzweck mehr“

Auf der INTERGEO steht die Praxis von 3D-Stadtmodellen im Fokus des Themenslots: „3D fast forward – 3D in der Realität“. Wo stehen wir in Sachen 3D-Stadtmodelle? Und wo geht die Reise hin? Lust auf den Besuch der Veranstaltung am Mittwoch, den 8. Oktober, macht ein Gespräch mit Dr. Egbert Casper, Moderator der Veranstaltung und Sprecher der Special Interest Group 3D.

Spricht Egbert Casper über 3D-Stadtmodelle, dann holt er tief Luft und fängt an: Anfang der 2000er Jahre sei die Hypekurve aufgrund der damals explodierenden technischen Möglichkeiten mit großen Erwartungen gestartet. „Damals hat man gedacht, die Welt habe nur auf 3D-Stadtmodelle gewartet“, so der Leiter der Special Interest Group 3D (SIG 3D) Dr. Egbert Casper – „aber dem war nicht so“. Als Allheilmittel für den Weg zur Erkenntnis haben 3D-Stadtmodelle auch in der Welt der euphorischen Befürworter nunmehr ausgedient. Doch ihre Existenzberechtigung haben sie mehr denn je.

„Heute stehen wir in der Hypekurve nach der Durchschreitung des „Tals der Enttäuschungen“ mitten auf dem „Pfad der Erleuchtung““, so Casper. Man sei realistischer geworden in Bezug auf 3D-Stadtmodelle, baue nicht mehr ohne weiteres und nur zum Selbstzweck umfangreiche Modelle auf. Sondern man frage sich heute sehr genau, welche Anwendungen damit verknüpft, welche Fragestellungen bearbeitet werden sollen, bevor man sich an die Arbeit mache.

Statt Killerapplikation – viele gute Anwendungen

Anwendungsfelder für 3D-Stadtmodelle gibt es natürlich auch heute noch zahlreiche, aber nach der einen, alles legitimierenden Killerapplikation suchen doch noch alle. Fuß gefasst haben die digitalen Abbilder der Städte in Themen der Stadtplanung und Stadtentwicklung; auch bei Simulationen im Katastrophenmanagement – etwa in Hochwassersituationen oder bei Chemieunfällen – kommen sie zum Einsatz. Städte nutzen ihre 3D-Stadtmodelle, wenn es darum geht, Immobilien oder Gewerbeflächen zu vermarkten, oder sich auch im Internet möglichst realistisch oder besonders attraktiv zu präsentieren. Relativ neu sind die Anwendungsszenarien im Umfeld der Energiewende. Hier will sich Casper zwar nicht auf den Begriff „Killerapplikation“ festlegen, aber er sieht doch Potenzial: „Die Energiewende ist ein extrem spannendes Umfeld für 3D-Stadtmodelle, denn es gibt zahlreiche Detailprobleme, die mit diesen Modellen angegangen werden können.“ Zu diesen Themenfeldern gehören nach Casper die energiestrategische Entwicklung von Stadtvierteln. Wisse man beispielsweise, in welchem Viertel ein Generationenwechsel bevorstehe, so könne man die energetische Sanierung der Gebäude dort gezielt planen. Oder aber bei der städteweiten Förderung von Energiesparmaßnahmen. Da geschähe derzeit oftmals eine Förderung „mit der Gießkanne“, mit dem Ergebnis, dass einzelne Viertel schon zugepflastert seien mit Solaranlagen, Dächer in anderen Vierteln aber noch völlig blank lägen. Mithilfe von 3D-Stadtmodellen ließe sich auch leichter die Frage beantworten, wo Sanierungsmaßnahmen am meisten Sinn machen. Oder aber wo Stromtrassen, Windräder oder Biogasanlagen errichtet werden könnten – oder wo eben nicht. Das Stichwort ist hier die immer stärker eingeforderte Bürgerbeteiligung.

Casper sieht den Wert von 3D-Stadtmodellen immer da, wo Entscheider oder Bürger über städtische Veränderungen – und hier beispielsweise im Umfeld von Energiefragen – informiert werden müssen. Für Fachleute ist die dreidimensionale Darstellung allenfalls eine Ergänzung, für Laien in Sachen Geodaten ist sie eine fundamentale Unterstützung.

Es hat sich viel getan

Woran aber hakt es, wenn man bedenkt, dass zu Beginn des Jahrtausends eine euphorische Aufbruchstimmung in Sachen 3D vorherrschte, heute aber dem realistischen Herangehen Platz gemacht hat? „Es hat sich viel getan“, betont Casper. Viele Städte haben 3D-Stadtmodelle aufgebaut und setzten sie auch ein. Heute liegen deutschlandweit Stadtmodelle in einem LOD-1 ( Level of Detail ) genannten Detaillierungsgrad vor. LOD-1, das sind für den Uneingeweihten an Legosteine anmutende Modelle von Klötzchen, die die Gebäudelandschaft von Städten darstellen. Für manche Anwendungen, wie etwa der Analyse von Lärmausbreitung – wie sie von der EU gefordert wird – oder Feinstaubanalysen sind genau diese Klötzchenmodelle richtig. In dem Moment, wenn es darum geht, das Volumen von Gebäuden unter energetischen Gesichtspunkten genauer zu erfassen, sind die LOD-1-Modelle nicht mehr ausreichend. Möchte man etwa wissen, ob und wie welche Dächer für den Einsatz von Solaranlagen geeignet sind, müsste zumindest die Dachform dazukommen und man wäre bei dem Klötzchenmodell mit Dachform, oder LOD-2. Das liegt laut Aussagen von 3D-Experten Casper noch nicht in allen Bundesländern vor. Wenn aber eine Stadt das Modell für Planungszwecke oder zum Standortmarketing heranziehen will, so muss ein Modell mit Fassaden her, und wir bewegen und im so genannten LOD-3. Das aber liegt nur dann vor, wenn Städte und Gemeinden es selbst aufgebaut oder in Auftrag gegeben haben. Unterschiedliche Anforderungen von Ländern und Kommunen führen überdies zu unterschiedlichen Modellen: Auf dem landeseigenen Stadtmodell von Köln sei der Dom etwa kaum zu erkennen, im von der Stadt Köln angefertigten Modell glänze der Dom von sämtlichen Positionen in all seiner Pracht.

Ein großes Hindernis in der Nutzung und Akzeptanz der digitalen städtischen Abbilder sieht Casper in der zersplitterten Datengrundlage. Werden kommunale oder gar Landesgrenzen überschritten, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Daten nicht auf Anhieb zueinander passen und sie angepasst werden müssen. Das verursache Kosten, und das wiederum verstärke auch Schranken in den Köpfen der Anwender.

Die SID 3D ist vor mehr als zehn Jahren angetreten, um Stadtmodellen zu einem Durchbruch zu verhelfen. Aus ihren Reihen ist das mittlerweile als Standard etablierte CityGML entwickelt worden, in dem 3D-Stadtmodelle modelliert werden. Die Gruppe will Leitplanken in Sachen Qualität von 3D-Daten setzen, setzt sich für eine Fortführung des Liegenschaftskatasters ALKIS um die dritte Dimension ein; und nicht zuletzt macht sie sich für Anwendungen der 3D-Stadtmodelle stark. Denn diese sind niemals Selbstzweck, sondern nur ein Mittel, um Fragestellungen zu beantworten und sachbezogene Lösungen herbeizuführen.

Und dann nimmt Egbert Casper wieder einmal einen tiefen Atemzug...

Wer mehr zum Thema 3D-Stadtmodelle wissen will: Auf der INTERGEO findet am Mittwoch, den 8. Oktober von 15:30 bis 17:30 Uhr ein von Dr. Egbert Casper moderiertes Format zum Thema „3D fast forward – 3D in der Realität“ statt. Nach zehn Kurzvorträgen mit Praxisbeispielen wird die anschließende Podiumsdiskussion für jede Menge Zündstoff sorgen.

Das und viele Themen mehr gibt es auf der 20. INTERGEO vom 7. bis 9. Oktober 2014 in Berlin.