Public Manager
13.11.2014 | Allgemeine Meldungen, Beschaffungspraxis, Transport, Verkehrsmanagement

Kombinierter Verkehr trotz Kritik im deutlichen Aufwind

Der jüngste Lokführerstreik hat der Deutschen Bahn zwar einen großen Imageschaden beschert, dennoch erfreut sich der Kombinierte Verkehr (KV) bei der Wirtschaft wachsender Beliebtheit. Er wird von Verladern und Spediteuren als preisgünstige und umweltfreundliche Alternative zum Lkw angesehen. Intermodale Transporte punkten darüber hinaus mit Zuverlässigkeit und guter Planbarkeit. Kritiker beklagen dagegen zu hohe Preise und schlechten Service. Der KV sei zudem gegenüber dem reinen Lkw-Transport zu langsam.

Das sind zentrale Ergebnisse der 10. Logistik-Umfrage, die der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), Frankfurt, durchgeführt hat. 202 Einkäufer logistischer Dienstleistungen und Frachtführer aus Industrie und Handel waren im September 2014 befragt worden, wie sie die Chancen und Risiken des KV beurteilen. Die Umfrageergebnisse wurden am Mittwoch auf dem 49. BME-Symposium Einkauf und Logistik in Berlin vorgestellt. Rund 2.000 Teilnehmer diskutieren dort bis Freitag Beschaffungsstrategien und Supply-Chain-Management-Lösungen zur Optimierung ihrer Geschäftsabläufe.

Warum Unternehmen den KV nutzen

Fast 60 Prozent der Verlader und 85 Prozent der Spediteure wollen ihre KV-Aktivitäten ausbauen. Während in der BME-Logistik-Umfrage 2011 lediglich 36 Prozent an eine steigende Bedeutung des KV im Modalsplit glaubten, sind es 2014 bereits 58 Prozent. „Gründe hierfür sind zunehmend verstopfte Straßen, drohender Fahrermangel und die schlechte Umweltbilanz des Lkw“, betonte Gunnar Gburek, BME-Fachbereichsleiter Logistik. Außerdem habe sich die Schiene im Seehafenhinterlandverkehr als wettbewerbsfähige Alternative erwiesen; ohne sie würde in manchen Häfen nichts mehr gehen.

Für ein Drittel ist außerdem die sogenannte 44-Tonnen-Regelung ausschlaggebend. Danach dürfen auch im Vor- und Nachlauf des KV auf der Straße pro Einheit vier Tonnen mehr als sonst üblich befördert werden. Verlader schätzen den KV zudem als preisgünstige Alternative zum Lkw (78 Prozent der Befragten) und wegen seiner Umweltfreundlichkeit (64 Prozent).

Umfrage-Teilnehmer, die den KV schon heute intensiv nutzen, konnten aber auch Kritik loswerden. So ist knapp die Hälfte der Befragten nach wie vor nicht zufrieden mit der zeitnahen Information über den Status der Züge und Sendungen (aktuell 49 Prozent gegenüber 52 Prozent 2011). Dies wird als klarer Nachteil gegenüber dem Landverkehr auf der Straße wahrgenommen, bei dem ein zuverlässiges Tracking und Tracing flächendeckend angeboten wird. Immerhin: 2011 klagten noch 43 Prozent über Unpünktlichkeit, 2014 hat sich diese Zahl halbiert. Gburek: „70 Prozent der Verlader nutzen zwar auch den KV, beschweren sich aber über die mangelnde Flexibilität des Verkehrsmittels; vor drei Jahren waren es übrigens auch schon 67 Prozent. Hier hat sich gegenüber dem Lkw augenscheinlich noch immer nicht viel getan.“

Warum Unternehmen den KV nicht nutzen

Der Kombinierte Verkehr wird noch nicht von allen Unternehmen genutzt. Sie verweisen vor allem darauf, dass der KV an Geschwindigkeit zulegen könnte. Allerdings hat die aktuelle Umfrage hier eine Verbesserung festgestellt: Diesmal monieren 44 Prozent, dass der KV zu langsam sei. Vor drei Jahren ermittelte der BME noch 54 Prozent. Der anhaltend hohe Wert macht aber deutlich, dass es dem KV trotz fehlender Staus und Sonntagsfahrverbote noch immer nicht gelungen ist, seinen Ruf als langsamer, behäbiger Verkehrsträger loszuwerden.

35 Prozent und damit fast zehn Prozent mehr als vor drei Jahren erklären, dass sie den KV nicht nutzen, weil die Preise zu hoch sind. „Hier rächt sich, dass die Bahn nahezu jedes Jahr die Tarife erhöht, während die Lkw-Preise weitgehend konstant blieben“, sagte Gburek. Der Service der Bahnen sei zu schlecht, bemängeln heute 38 Prozent; 2011 waren es noch acht Prozent weniger. 33 Prozent geben als Begründung für ihre Zurückhaltung an, dass das nächste KV-Terminal zu weit entfernt sei. Zum Vergleich: In der Umfrage von 2011 waren es nur 24 Prozent. Da beides objektiv nicht nachvollziehbar ist, denn sowohl die Anzahl der Züge als auch der Terminals hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, unterstreicht es den schlechten Ruf der Eisenbahn.

29 Prozent der befragten Verlader konstatieren, dass ihre in Frage kommenden Transportdistanzen zu kurz seien. Zum Vergleich: Vor drei Jahren waren es sogar 38 Prozent. Gburek zufolge „deckt sich dies mit statistischen Angaben, nachdem die durchschnittliche Transportentfernung stetig zunimmt. Dies wiederum kommt besonders dem KV entgegen. Alle diese Zahlen verdeutlichen, dass die Bahn noch reichlich Handlungsbedarf hat.“

Die Politik ist am Zuge

Ein weiteres Umfrage-Ergebnis lautet: Verlader (85 Prozent) und Service Provider (96 Prozent) sind sich einig, dass es weiterhin Ziel der Politik sein sollte, Güterverkehre auf die Schiene/den KV zu verlagern. Dies sollte so interpretiert werden, dass die Beteiligten sich eher eine politische Unterstützung wünschen als eine erneute Regulierung des Verkehrsmarktes, die schon in der Vergangenheit der Schiene eher geschadet als genutzt hat. „Wenn das zulässige Gesamtgewicht von 44 Tonnen für den KV weiter angehoben wird, wäre dieser noch attraktiver“, geben rund 63 Prozent aller Befragten an. Dies scheint für einige Branchen sehr wichtig zu sein, insgesamt gehen die Gewichte über alle Transporte aber eher leicht zurück. „Mittelfristig sollten nur noch Trailer und Wechselbrücken im Straßenverkehr zugelassen werden, die auch im Kombinierten Verkehr einsetzbar sind“, fordern 53 Prozent. Auch wenn es inzwischen mit Verladungssystemen wie Cargobeamer oder NiKRASA möglich ist, nicht kranbare Trailer auf die Schiene zu bringen, scheint dies für viele doch ein probates Mittel zu sein. Allerdings bedeutet die Kranbarkeit auch einen Verlust an Tonnage und wird daher von den Dienstleistern kritisch gesehen. Hier sollte die Politik einschreiten und den Tonnageverlust mit neuen Zulassungsgewichten ausgleichen.

Verlader geben den Weg vor

Mehr als die Hälfte der Verlader geben dem eigenen Dienstleister vor, welches Verkehrsmittel er einsetzen soll. 36 Prozent überlassen ihm die Wahl und nur zwölf Prozent fordern die KV-Nutzung. Dass sie das notwendige Know-how für eine verkehrsmittelneutrale Ausschreibung haben, bescheinigen sich 70 Prozent selbst. Lediglich knapp acht Prozent holen sich Hilfe von außen und 15 Prozent wollen ihr Wissen diesbezüglich ausbauen, indem sie sich schulen lassen oder kompetente Mitarbeiter einstellen.

Steigende Transportpreise erwartet

Last but not least untersuchte der BME die Entwicklung der Transportpreise. Stimmt die Einschätzung der Befragten, muss die deutsche Wirtschaft 2015 mit höheren Beförderungskosten rechnen. Mehr als die Hälfte hält steigende Luftfrachtpreise für möglich.

Ähnlich sieht es beim KV aus. 54 Prozent der Spediteure rechnen mit einer Verteuerung; bei den Einkäufern logistischer Dienstleistungen sind 34 Prozent dieser Meinung. 49 Prozent der Fuhrunternehmen und 41 Prozent der Verlader prognostizieren höhere Preise für Güterverkehre via Lkw. Dass sich Seeschiff-Transporte verteuern, glauben 28 Prozent der Provider und 42 Prozent der Shipper. Nur die Binnenschifffahrt ist in ruhigeren Gewässern unterwegs, hier erwarten weniger als ein Viertel höhere Preise.

Fazit

„Die aktuelle BME Studie zeigt, dass der KV noch viel Potenzial und damit eine große Zukunft vor sich hat. Verlader und Dienstleister sehen zwar auch einige negative Aspekte, aber insgesamt stehen doch fast alle dem Kombinierten Verkehr positiv gegenüber“, fasste Gburek zusammen. Wenn die Politik ein wenig mithelfe, würden schon bald deutlich mehr Güter auf langen Strecken mit der Bahn transportiert, lautet die Einschätzung vieler Umfrageteilnehmer. Dass so viele von ihnen 2015 von durchweg höheren Preisen ausgehen, hat den BME überrascht. Gburek: „Offensichtlich rechnen zahlreiche Marktteilnehmer mit einer günstigen Konjunkturentwicklung. Knappere Transportkapazitäten könnten dann die Preise befeuern.“

Die komplette Studie ist ab Dezember 2014 online abrufbar.